
- Im Schützengraben der Selbstgerechtigkeit
Bei der Debatte um den UN-Migrationspakt steuerten die Abgeordneten zwischen Holocaust-Vergleichen und gegenseitigen Vorwürfen zielsicher an den eigentlichen Fragen vorbei. So vergaben sie die Chance auf eine echte inhaltliche Auseinandersetzung. Von Alexander Kissler
Auf dem Stundenplan des Deutschen Bundestags standen heute 90 Minuten Textarbeit. Grundlage war ein auf Englisch verfasstes, in seiner deutschen Übersetzung 32 Seiten umfassendes „Ergebnisdokument“ der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit dem Titel: „Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“. Er soll Mitte Dezember in Marrakesch verabschiedet werden. Die heutigen Redebeiträge wandten sich gegen „Verschwörungstheorien“, gegen „Angstmache vor Migration“, gegen „permanenten Nazi-Jargon im Hohen Haus“, orteten eine „niederträchtige Schweinerei“ und erinnerten an den „millionenfachen Mord“ durch die Nationalsozialisten. Aus alldem ergibt sich unmittelbar: Es war die AfD, auf deren Antrag über den „Globalen Pakt“ debattiert wurde.
Schelte für die AfD
Doch war es wirklich eine Debatte über den Migrationspakt, eine Textarbeit, die den Namen verdiente, oder nicht eher ein Sittengemälde aus dem argumentativen Schützengraben? Die habituelle Soforteskalation überlagerte jene drei Fragen, die den Kern der Debatte hätten bilden können und die in den anderthalb Stunden oft nur am Rand gestreift wurden: Welche Qualität hat ein solcher „Globaler Pakt“? An wen ist er gerichtet? Und was steht eigentlich drin?