Terror gegen Israel - Kein Konflikt, sondern ein Pogrom

Was sich am Wochenende in Israel abgespielt hat, war ein gezieltes Massaker an Zivilisten. Die Bundesregierung muss wohlfeilen Solidaritätsadressen Taten folgen lassen und der Terrorunterstützung aus Deutschland ein Ende bereiten.

In Sderot werden die Trümmer des zerstörten Polizeireviers abgeräumt / dpa
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Ingo Way ist Chef vom Dienst bei Cicero Online.

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Es ist das größte Trauma, das Israel in seiner jüngeren Geschichte erleiden musste: Seit am Samstag palästinensische Terroristen aus dem Gazastreifen über die Grenze nach Israel eingedrungen sind, um wahllos Zivilisten wie Soldaten zu töten, Geiseln zu nehmen und Menschen jeden Alters, vom Baby bis zur Greisin, zu entführen und in den Gazastreifen zu verschleppen, sieht die traurige Bilanz folgendermaßen aus: 800 Israelis ermordet – wobei erwartet wird, dass die Zahl noch ansteigen wird. Mehr als 2300 Verletzte, davon viele in einem kritischen Zustand. Und 150 Verschleppte, die sich derzeit in der Gewalt von Hamas und Islamischem Dschihad im Gazastreifen befinden.  

Allein auf einem Festivalgelände im Süden Israels wurden 260 Leichen gefunden. Die Terroristen richteten unter den 3000 Teilnehmern eines Musikfestivals ein Massaker an und hielten auf Videos fest, wie sie mehrere der Teilnehmer misshandeln und auf Trucks verladen. Auf einem der Videos ist auch eine Deutsche zu sehen: die 22-jährige, aus Ravensburg stammende Shani Louk. Sie wird, wie so viele andere, immer noch vermisst. 

Die Dimension des Terrors sprengt jede Vorstellung

Wahllose Morde, Massaker in Kibbuzim, Geiselnahmen, Folter, Vergewaltigungen, Verschleppungen, in einer von langer Hand vorbereiteten Aktion – die Dimension des Terrors sprengt jede Vorstellung. Die Ereignisse lassen sich nicht mehr in konventionellen Begriffen von „Krieg“ oder „Konflikt“ fassen; es handelt sich um das größte antijüdische Pogrom seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. 3000 Tote und Verletzte – das entspricht, auf die Einwohnerzahl Deutschlands umgerechnet, 25.000 Menschen. Und die Kämpfe halten auch an diesem Montag noch an. An mehreren Orten in Israel gibt es noch immer Feuergefechte zwischen den Terroristen und israelischen Spezialkräften. Die Armee will auch nicht ausschließen, dass weiterhin bewaffnete Palästinenser über die Grenze kommen.  

Einer der Orte, in denen nach wie vor gekämpft wird, ist die 35.000-Einwohner-Stadt Sderot, etwa einen Kilometer vom Gazastreifen entfernt. Was sich dort abspielt, habe ich am Samstagmorgen aus erster Hand erfahren; dort lebt nämlich die Familie meiner Frau, vor wenigen Wochen noch waren wir dort zu Besuch. Und so bekamen wir über Telefon und WhatsApp mit, wie meine Schwiegereltern sich in Panik im Haus verbarrikadierten, während Terroristen durch die Straßen zogen, Passanten erschossen, in Häuser und Wohnungen eindrangen – und es Stunden dauerte, bis Polizei und Armee anrückten, die mit einer derart massiven Angriffswelle nicht gerechnet hatten und darauf entsprechend auch nicht vorbereitet waren.

 

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Einmal wagte der Vater meiner Frau einen kurzen Blick auf die Straße und sah die Leichen von Erschossenen auf dem Gehweg liegen. In der Nacht wagte man kaum zu schlafen, aus Angst, die Mörder könnten sich Zugang zum eigenen Haus verschaffen. Die Terroristen waren auch in das örtliche Polizeirevier eingedrungen und hielten es bis Sonntagabend besetzt. Inzwischen haben israelische Einsatzkräfte es eingenommen; es liegt nun komplett in Trümmern. Und heute morgen kam es zu einem Schusswechsel in einem Schwimmbad in Sderot, bei dem mehrere Israelis getötet worden sein sollen. Die Einwohner werden nach wie vor gewarnt, ihre Häuser nicht zu verlassen. Jeder in der Region hat Freunde, Verwandte oder Familienmitglieder, die tot, entführt worden oder verschollen sind.

Süßigkeiten in Neukölln

Wer Bilder von blutenden Körpern vergewaltigter Frauen triumphierend auf Social-Media-Kanälen präsentiert, wie es die Hamas tut; wer kleine Kinder verschleppt, in Käfige sperrt und auch diese Bilder stolz in der Netzöffentlichkeit verbreitet, hat sich effektiv aus der Menschheitsfamilie verabschiedet. Solche Taten sollten bei jedermann, der nicht selbst schon völlig vermonstert ist, uneingeschränkte Abscheu erwecken. Sollte man meinen.

Doch nicht so in Berlin-Neukölln. Dort verteilten am Samstag Mitglieder der palästinensischen Samidoun-Bewegung, hinter der die terroristische „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) steht, Süßigkeiten auf der Straße – eine auch im Gazastreifen und im Westjordanland beliebte Tradition, wann immer es getötete Israelis zu feiern gilt. Und am Abend gab es auf der Sonnenallee eine antiisraelische Demonstration. Dabei warfen Teilnehmer auch zwei 2,5 Kilogramm schwere Pflastersteine von einer Brücke auf einen Polizeiwagen herab.  

PFLP und Hamas, in der Heimat strikt verfeindet, arbeiten in Berlin höchst gedeihlich zusammen. Die Hamas, die hinter der jüngsten Terrorattacke in Israel steht, hat nach Angaben deutscher Sicherheitskräfte in der Bundesrepublik mehrere Tausend Anhänger. Dieser Umstand sollte allmählich einmal zu ein paar unangenehmen Fragen an die Verantwortlichen der deutschen Migrationspolitik führen. Zumal man in Israel derzeit sehen kann, wohin es führen kann, wenn man den Grenzschutz auch nur temporär vernachlässigt.  

Business as usual

Und die deutschen Medien? Für die ist es business as usual, das sich in das gewohnte Schema vom „Nahostkonflikt” einordnen lässt. Das ZDF stellt auf seiner Website lapidar fest: „Konflikte zwischen Israel und den Hamas und verbündeten Gruppen im Gazastreifen gibt es schon länger.“ Und die Süddeutsche Zeitung, die sich in der Aiwanger-Affäre als Speerspitze des Philosemitismus geriert hat, vergisst auch diesmal nicht, wer der eigentliche Bösewicht ist, und twittert launig: „Die Hamas hat mit ihrem überraschenden Angriff Israel kalt erwischt. Doch die Netanjahu-Regierung wird auch das für sich auszunutzen wissen.“ So wie ja auch jeder islamistische Anschlag in Deutschland bei SZ & Co. zuallererst die Sorge auslöst, Rechtspopulisten könnten daraus Kapital schlagen. 

In der Politik findet man immerhin die richtigen Worte. Vertreter aller Parteien verurteilen den Hamas-Terror aufs Schärfste, und Bundeskanzler Scholz versichert, „dass Deutschland angesichts dieses furchtbaren Angriffs fest und unverbrüchlich an der Seite Israels steht“. Dass man am Samstagabend im Bundeskanzleramt bei Bier und Salzstangen aber auch nicht die angenehmen Dinge des Lebens vergessen hat, zeigte Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD).

Er teilte einen Post des 1. FC St. Pauli nach dessen Sieg über Nürnberg („90.+5: CONNNOOOOOOOR!!!! Welcome to Hell, Leute. 🥵 Fünf Buden!!!“) und kommentierte dazu: „Auch wenn es angesichts des Krieges der Hamas gegen Israel nur eine Randnotiz ist – was für ein geniales Spiel, was für ein Team.“ (Der Tweet scheint inzwischen gelöscht zu sein.) Die Freude über den Sieg seiner Lieblingsmannschaft sei ihm unbenommen – dies in Verbindung mit den Ereignissen in Israel zu bringen, wo sich gerade buchstäblich die Tore der Hölle öffneten, ist mehr als nur degoutant. Und hätte es ihn wirklich umgebracht, an einem solchen Tag schlicht gar nicht über Fußball zu posten? 

Wenn die Verlautbarungen deutscher Politiker, Israel gegen den Terror beizustehen, mehr als nur Lippenbekenntnisse bleiben sollen, wäre es ein guter Anfang, endlich die deutschen Hilfszahlungen an Palästinenser und palästinensische Organisationen zu überprüfen, statt wie das Auswärtige Amt und diverse Ampelpolitiker stur darauf zu beharren, es sei keine besondere Überprüfung notwendig, denn es würden schließlich nur humanitäre Projekte in den Palästinensergebieten gefördert und keineswegs der Terror der Hamas.

Solange das Auswärtige Amt es lieber nicht so genau wissen will – schließlich ist die Zusammenarbeit palästinensischer NGOs mit der Hamas und anderen Terrororganisationen kein Geheimnis –, bleiben die Worte „Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson. Das gilt gerade auch in schweren Stunden wie diesen“ (Olaf Scholz) ein Gedanke ohne Inhalt, eine Anschauung ohne Begriff. 

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