Mohammed bin Salman
Schlagzeilen sind ihm wichtig: Kronprinz Mohammed bin Salman / picture alliance

Kronprinz von Saudi-Arabien - Der Fassadenreiniger

Nach der Aufhebung des Fahrverbots für Frauen sollen in Saudi-Arabien nun sogar wieder Kinos eröffnen. Kronprinz Mohammed bin Salman treibt angeblich die Liberalisierung im Land voran und erntet dafür den Applaus des Westens. Doch mit den Reformen will er vor allem die eigene Macht festigen

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„Ich weiß, was du letzten Ramadan getan hast“ oder „50 days of pray“ – so lauteten auf Twitter die ersten, nicht ganz ernst gemeinten, Titelvorschläge für Filme, die bald in Saudi-Arabien entstehen und zu sehen sein könnten. Am gestrigen Montag wurde bekannt, dass in dem Land 2018 wieder Kinos öffnen können – zum ersten Mal seit 35 Jahren. Damals verboten die streng konservativen Kleriker des wahhabistischen Königreichs das Kino, weil es wie Musik und Theater als westlich, unislamisch und als Ablenkung von der Religion galt. 

Die Wiedereröffnung ist eine weitere in einer Reihe von Reformen, mit denen der mächtige Kronprinz Mohammed bin Salman das wahhabistisch-islamische Königreich angeblich öffnen und liberalisieren will. „Visions 2030“ hat MBS, wie er genannt wird, das Projekt genannt. Herzstück ist eine globale Megacity, die in den kommenden zehn Jahren entstehen soll unter dem Namen NEOM, natürlich in Großbuchstaben. 

Punkte sammeln beim Westen

Schlagzeilen sind dem 32-jährigen Prinzen wichtig. Es ist kein Zufall, dass die von ihm bisher initiierten Reformen vor allem darauf ausgerichtet zu sein scheinen, im Westen Sympathiepunkte zu sammeln. Frauen dürfen wieder Auto fahren, es gibt eine Kampagne gegen Korruption und Radikale und nun öffnen die Kinos wieder – damit sammelt man bei liberalen Gesellschaften Punkte. 

Und es funktioniert. Nachdem bekannt wurde, dass unter bin Salman einige Prinzen und Geschäftsleute verhaftet wurden, twitterte US-Präsident Donald Trump seinen Applaus: Der Prinz wisse genau, was er tue und „einige von denen, die nun schlecht behandelt werden, haben ihr Land jahrelang gemolken!“

Was Trump dabei offenbar nicht klar war, hat die New York Times treffend formuliert: Nachrichten über saudische Prinzen, die wegen „Korruption“ belangt werden, muss man in etwa so aufnehmen, wie die über Mitglieder der Trump-Regierung, die wegen „Lügens“ gefeuert wurden. Als bin Salman selbst im vergangenen Jahr in Südfrankreich urlaubte, sah er dort eine Yacht, die ihm gefiel. Er kaufte sie noch vor Ort dem russischen Besitzer ab. Kostenpunkt: schlappe 550 Millionen US-Dollar. Das Geld hatte der Prinz wohl kaum auf dem Sparbuch liegen und auch sein Beamtengehalt dürfte dafür kaum ausreichen. 

„Antikorruptionskampagne“ gegen alle Kritiker

Es muss also mehr hinter der Kampagne stecken. Und wenn man genauer hinschaut, sieht man auch, was. Viele der „radikalen“ Kräfte, gegen die bin Salman vorgeht, gehören der Sahwa-Bewegung an, auch bekannt als Islamisches Erwachen. Wie die US-arabische Historikerin Rose Bsheer zeigt, werden vor allem Mitglieder dieser Bewegung, die gegen Autokratie und Staatsreligion aufbegehrt, nun systematisch verfolgt. Das hat Tradition im Königshause Saud, seit dem Golfkrieg 1991 gilt die Sahwa-Bewegung als größte Gefahr für den Status Quo der Macht. 

Das gleiche Motiv zieht sich durch die  „Antikorruptionskampagne“. Sie ist ein anderer Name für das konzertierte und gewalttätige Vorgehen des saudischen Regimes gegen all seine Kritiker, einschließlich religiöser Gelehrter, säkularer Intellektueller, schiitischer Aktivisten, Schriftsteller und Bürokraten. Vor allem aber ging es bei der Kampagne darum, den Staat von den Mitgliedern der weitverzweigten Herrschaftsfamilie zu säubern, die immer noch nicht mit bin Salmans Aufstieg zur Macht einverstanden sind. Das hilft bin Salman politisch, weil ihm nun kaum noch Rivalen bleiben. Und finanziell, weil er nun deren Vermögen konfiszieren kann, um seine Macht auch wirtschaftlich zu festigen. 

Bezeichnend ist auch, dass bin Salman Saudi-Arabien nach eigenen Worten wieder zu dem „moderaten Staat“ machen will, welcher das Land vor der Iranischen Revolution von 1979 war. Nur lässt er bewusst außer Acht, dass schon sein Vorfahre König Faisal Saudi-Arabien zu dem religiösen Staat machte, den wir heute kennen. Und zwar in der Zeit von 1964 bis 1975. Auch damals ging es vor allem darum, die Macht des Königshauses zu sichern und progressive Kräfte im Keim zu ersticken. Die USA, angetrieben von der Gier nach dem schwarzen Gold, ließen sich schon damals als Unterstützer einspannen. Eine säkulares politisches Leben war danach in Saudi-Arabien nicht mehr möglich. 

Wirkliche Reformen sind nötig

Und schlimmer noch: Der Export dieses puritanischen wahhabistisch-sunnitischen Islam führte im Ausland zum Bau von Moscheen und Schulen von London bis nach Indonesien. Der Anfang einer Katastrophe für die arabisch-muslimische Welt, die Ableger wie Al-Qaida und ISIS hervorbrachte und die arabische Bildung und den Aufstieg von Frauen verzögerte.

Umso reformbedürftiger ist das Land heute, keine Frage. Zumal der Ölpreis niedrig bleibt und das „schwarze Gold“ die Probleme nicht mehr überdecken kann. Rund 70 Prozent der Bewohner sind unter 30 Jahre alt, und etwa 25 Prozent von ihnen sind arbeitslos. Darüber hinaus studieren 200.000 mehr im Ausland, und etwa 35.000 von ihnen – Männer und Frauen –  kommen zurück mit einem Abschluss in der Tasche, aber kaum einer Aussicht auf einen Job oder überhaupt irgendetwas, was Spaß macht, außer in die Moschee oder in die Shopping-Mall zu gehen. 

Zum Beispiel Auto fahren oder ins Kino gehen. Aber was Mohammed bin Salman ihnen anbietet, ist eben nicht mehr als das. Mehr Vergnügen, aber keine wirkliche Veränderung. Stattdessen verschärft er die sektiererischen Spannungen und unterdrückt gewaltsam alle Formen der politischen Opposition, einschließlich der, die für die Mäßigung der radikalen Religiosität eintritt, die das Regime angeblich unterstützt. Aber vom Westen aus will man lieber nicht allzu genau hinter die Fassade blicken. Es könne ja schlecht fürs Geschäft sein. Und das ist im saudischen Königshaus wirklich heilig. 

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Robert Müller | Di., 12. Dezember 2017 - 11:24

Assad galt nachdem er von seinem Vater die Macht übernahm auch als Reformer und der Kampf gegen die Korruption ist von Moskau bis Peking ein beliebtes Motiv um Kritiker mundtod zu machen. Trotzdem sind diese "Reformen" besser als gar keine "Reformen".

Achim Scharelmann | Di., 12. Dezember 2017 - 12:32

Die Führung ist rein absolutistisch und benützt den Glauben um ihre eigenen Machtansprüche im Zentrum zu zementieren und auch weltweit und deshalb auch die finanzielle Unterstützung dieser Glaubensströme auch in Deutschland, indem man unter anderem Moscheen finanziert um den Islam überall zu festigen um damit die eigene Vormachtstellung zu erhalten. Die leben noch in der Zeit von Ludwig IV. und nur das Erdöl hat sie reichgemacht und ohne dieses werden sie auch unter gehen, doch bis dahin können sie noch viel bewirken und das Verrückte daran ist, daß sich auch noch aufgeklärte Gesellschaften an diesem Spielchen beteiligen, welch ein Wahnsinn.

Winfried Sautter | Di., 12. Dezember 2017 - 15:58

Antwort auf von Achim Scharelmann

Diese Ölscheichtümer sind die absurdesten Kreationen der Weltgeschichte. Allein, und nur deshalb muss man auf das Ende des Ölzeitalters hoffen. Ein Ende diesem Spuk.

Rudolf Petersen | Di., 12. Dezember 2017 - 12:42

Ein solcher Satz stimmt immer, aber weiter weiss auch dieser Artikel nicht. Natürlich dient dieser Aktivismus des Prinzen seinem Machterhalt - auch das ist so banal, dass man es nicht schreiben muss.

Ob sich eine solche Gesellschaft von oben modernisieren lässt? Wohl kaum ohne mehr Unterdrückung für die Konservativen. Die iranische Revolution zeigte die Dynamik der konservativen Volksseele, die modern gekleideten Frauen in Teheran in den letzten Schah-Jahren waren nur westlicher Tupfer, so wie die Modernisierung im Afghanisatn der 70er und 80er Jahre auch in einer dünnen Oberschicht stattfand.

Aus europäischer Sicht ist jede Detabilisierung von Nachteil; die insgesamt katastrophalen Folgen der Arabellion sollten jedem Rufer nach "Reformen" zu denken geben.

Kostas Aslanidis | Di., 12. Dezember 2017 - 12:54

Dieses dauernde "Prinz" für solche Intoleranten Menschen zu benützen, wird nicht gerecht. Saudi Arabien wird immer verteidigt vom Westen. Der Iran ist kulturmässig diesen Barbaren total überlegen. Welcher Iraner hat Terrorsanschläge verübt? Reformen, das ist übertrieben. Ein Land das wegen Lappalien, Menschen öffentlich köpft.

Christa Wallau | Di., 12. Dezember 2017 - 13:22

Antwort auf von Kostas Aslanidis

Ich stimme Ihnen zu, Herr Aslanidis.
Auch wenn heute leider die Mullahs im Iran zu viel Macht besitzen, ist die
Situation nicht vergleichbar mit der in Saudi-Arabien.
Die Bevölkerung im Iran profitiert noch immer von der reichen, jahrtausende-alten Kultur dieses Landes, während die Saudis im großen und ganzen außer dem
barbarischen Isalm keinerlei Kultur besitzen.
Kinder aus dem Iran, die ich im Unterricht hatte, waren ausnahmslos lernbegierig und sehr rasch integriert, was ich z. B. von Kindern aus anderen muslimischen
Ländern nicht sagen kann. Da gab es viel mehr Probleme, wenngleich nicht bei allen Schülern.
Erfahrungen und schlichte geschichtliche Wahrheiten darf man eben nicht einfach ignorieren, sonst gelangt man zu falschen Schlußfolgerungen und regiert so katastrophal wie Merkel.

Peter Dünkelhofen | Di., 12. Dezember 2017 - 13:37

Die Radikalen Moslems werden diese Liberalsierung nicht akzeptieren. Sie werden Putschen und dann haben wir eine islamische Republik Arabien wie im Iran.

Martin Lederer | Di., 12. Dezember 2017 - 13:40

Saudi-Arabien kann mit und ohne Reformen kippen. Und auf die Werte des Westens (bis auf die Luxusgüter, aber die kommen irgendwann auch aus Ostasien) haben die meisten in der Bevölkerung ganz sicher keinen Bock.
Wir können ja Frau Käßmann und Herrn Bedford-Strom schicken. Die können denen sicherlich das deutsche Gutmenschentum erklären. Aber ob die ihr staatlich rundum gepampertes Leben hier aufgeben wollen?

Guido Proll | Di., 12. Dezember 2017 - 15:20

Ich wollte mich eigentlich lustig machen über die vermeintlich Wißmann'sche Idee, einen Saudischen Kronprinzen aufgrund bloßen Reichtums der Korruption zu überführen. Es war aber die Idee des Herrn Friendmann von der NY Times, aus dessen verlinktem Artikel hier ein gefühltes Drittel abgeschrieben ist.

Aber auch Herr Friedmann meinte das wohl nicht ganz ernst. Jedenfalls hat er zwei Wochen später mit "Saudi Arabia's Arab Spring, at Last" ganz andere Töne angeschlagen. Den nächsten Arabischen Frühling läutet der Kronprinz nun ein, schau an. Hat Herr Wißmann den letzten journalistischen Marschbefehl seiner New Yorker Vorlage irgendwie verpasst?

helmut armbruster | Di., 12. Dezember 2017 - 16:50

seit Jahren im Juli/August kommen Teile der saudischen Königsfamilie nach Marbella.
Das geschieht seit König Fahd dort einen sündhaft teuren Palast inkl. Moschee hat bauen lassen.
Mit dem Königsclan kommen Bedienung, Entourage und Sicherheitskräfte.
Ein Goldregen für Marbella, Jahr für Jahr.
Ich kenne dort eine Boutiquebesitzerin, die jedes Jahr dieselbe Prinzessin bedienen "darf". Aber Achtung, das ist ein 24-Std-Job. Man wird in den Palast befohlen u. muss das halbe Geschäft mitbringen.
Möglicherweise wartet man tagelang u. nichts geschieht.
Möglicherweise hat man an 1 Tag soviel verkauft wie sonst in 3 Monaten nicht.
Geld spielt keine Rolle. Unterwürfigkeit unter die Launen der Prinzessin ist gefragt.
Ein Schauspiel wie Leute es bieten, die nichts anderes kennen als Geld und nochmal Geld. Mit Geld kann man alles machen und darf alles machen.
Das scheint ihr wirklicher Glaube zu sein, nicht der Islam!

Lieber Herr Armbruster - keine Sorge, ich gebe Ihnen recht; was mir aber in diesem Zusammenhang aufgefallen ist, daß eine Kongruenz der vorhandenen Geldmenge oftmals nicht mit der des vorhandenen IQ's gegeben ist - will sagen: Hab' oft festgestellt, daß diese Reichen oftmals strohdumm sind - liege ich da richtig?
Also, was nützt da das ganze Geld . . .?

Christoph Kuhlmann | So., 17. Dezember 2017 - 02:57

Karten gucken lassen. Jobs und Möglichkeiten Geschäfte zu machen wirken sicherlich systemstabilisierend. Da lassen sich Fortschritte an den wirtschaftlichen Kennzahlen ablesen. Im übrigen würde man sich wünschen, dass dieser Krieg im Jemen endlich aufhört. Nur mit Luftschlägen lässt er sich nicht gewinnen. Die Saudis aber scheuen davor zurück mit Bodentruppen größere Verluste zu riskieren. So macht der Iran an vielen Fronten Fortschritte im schiitisch-sunnitischen Konflikt und die deutsche Wirtschaft möchte es sich mit beiden Ländern nicht verderben. Ich bin mal gespannt wann Nexter eine Panzerfabrik in Saudi-Arabien baut.