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Königin von Schottland? / Charlie Clift

Wahl in Schottland - Bye-bye, Great Britain – hallo EU

Am Donnerstag wird in Schottland ein neues Parlament gewählt. Regierungschefin Nicola Sturgeon will das Land in die Unabhängigkeit und zurück in die EU führen. Trotz ihrer Beliebtheit ist das ein Projekt mit Hindernissen.

Tessa Szyszkowitz

Autoreninfo

Tessa Szyszkowitz ist Londoner Korrespondentin des österreichischen Wochenmagazins Profil. Im September 2018 erschien „Echte Engländer – Britannien und der Brexit“. Foto: Alex Schlacher

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Nicola Sturgeon ist die beliebteste weibliche Politikerin im Vereinigten Königreich. Die 50-jährige schottische Regierungschefin erfreut sich sogar größerer Popularität als der britische Premierminister. Auf der Hitliste des Meinungsforschungsinstituts YouGov stand sie bei der jüngsten Umfrage auf dem zweiten Platz, Boris Johnson auf dem dritten. Nur der britische Finanzminister Rishi Sunak begeistert die Briten noch mehr als die First Minister in Edinburgh.

Die schlanke Schottin mit Kurzhaarschnitt ist eine dynamische Mischung: Die ehemalige Rechtsanwältin ist sozialpolitisch progressiv und doch konventionell genug, um sich beim Bügeln der Hemden ihres Ehemanns filmen zu lassen. Wie ihre Partei, die SNP, vereint sie politische Eigenschaften, die in Europa selten sind: Sie ist Sozialdemokratin und Nationalistin. Dass sie für einen starken Staat eintritt und mit Ruhe und Vertrauen die Pandemie gemanagt hat, kommt ihr zurzeit ebenso zugute wie die Tatsache, dass die britische Regierung von einem konservativen Engländer geführt wird, der freie Marktwirtschaft und Brexit predigt. Denn die schottischen Nationalisten sind gegen die Union mit den Engländern, aber für die Union mit den Europäern.

Deshalb sieht Nicola Sturgeon den schottischen Wahlen am 6. Mai selbstbewusst entgegen. Die Schotten sind, anders als die Engländer, nicht nur im britischen Parlament repräsentiert, sondern haben auch ihr eigenes Parlament in Edinburgh mit weitreichender Autonomie. Gewinnt die SNP im Mai, dann will Sturgeon ihr Herzensprojekt umsetzen: Sie möchte ihre kleine Nation von fünf Millionen Einwohnern in die Unabhängigkeit führen. 

Zweiter Anlauf

Schon einmal hatten die Schotten 2014 über die Abspaltung von den Engländern abgestimmt. Damals wollte eine Mehrheit im Vereinigten Königreich bleiben. Die Diskussion über die Unabhängigkeit schien für eine Generation erledigt; Sturgeons Vorgänger und Mentor Alex Salmond trat zurück. Nicola Sturgeon übernahm als erste Frau den Job als Parteichefin und First Minister. Wie einst bei Angela Merkel und Helmut Kohl erwies sich das junge, weibliche Talent schnell als mindestens so machtbewusst, politisch begabt und erfolgreich.

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Tonicek Schwamberger | Mi., 5. Mai 2021 - 13:31

. . . eine so sympathische, frische, mutige Regierungschsfin gesehen und erlebt wie Nicola Sturgeon. Schon seit längerem verfolge ich ihren weg durch dick und dünn.-
Bleibt mir nur noch, ihr für die kommende Wahl viel Erfolg zu wünschen und die Schotten in die Unabhängigkeit zu führen.

Gunther Freiherr von Künsberg | Mi., 5. Mai 2021 - 14:01

die Schlacht bei Culloden am 16. April 1746 haben die Schotten bis heute nicht vergessen. Der Herzog von Cumberland befehligte die englischen Truppen gegen die Armee des Prinz Charles Stuart. Nach der von den Schotten verlorenen Schlacht befahl Cumberland alle Verwundeten und Gefangenen (schottischen) Jakobiten zu exekutieren. Gefangene wurden auch in eine Scheune gebracht und dort bei lebendigem Leib verbrannt. Höherrangige Gefangene wurden in Inverness vor Gericht gestellt und gehängt.
Dieses Vorgehen war selbst für damalige Verhältnisse barbarisch und entsprach nicht den Regeln.
Noch heute erinnert ein viel besuchtes Denkmal auf dem Schlachtfeld von Culloden nahe Inverness an die von den Engländern während und nach der Schlacht ausgeübten Grausamkeiten.
Nur so war es mir erklärlich, weshalb eine Schottin mir gegenüber einmal in Zweifel zog ob England im Zweiten Weltkrieg auf der richtigen Seite geschossen habe

Kurzes Resümee, G&A wurde also nicht als singuläres Ereignis von der Wehrmacht oder gar den Deutschen erfunden. Das soll hier keine Verharmlosung oder Relativierung der Zeit 33 bis 45 werden. Aber wir können uns das nicht als Erfinder und Erstausüber an das Revers heften, auch wenn wir immer gerne Erste sein wollen. Die Kirche im Dorf lassen!

Die Schottin hatte nicht in Zweifel gezogen ob England auf der richtigen Seite geschossen hätte. Ihre Aussage bezog sich auf Schottland dahingehend, dass sie bezweifelte ob Schottland auf der richtigen Seite geschossen hätte.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 5. Mai 2021 - 14:13

Wenn die Schotten unabhängig sein wollen, sollen sie doch. Nur ist das irgendwie aberwitzig. Man will weg von England und sich dann aber in die Abhängigkeit der EU begeben? Wollen das die Schotten mehrheitlich wirklich? Das verstehe, wer will. Seit 400 Jahren mit England zusammen geschlossen, seit 300 mit Irland zu Groß-Britannien vereint und jetzt wollen sie nicht mehr. Ach, sie ist eine sozialdemokratische Nationalistin. Was es nicht alles gibt. Eines haben die jedenfalls mit der SPD bei uns gleich. Im Selbstzerstören sind sie inzwischen unübertroffen. Ich persönlich glaube nicht daran, dass die Schotten mehrheitlich sich von England los sagen wollen. Die Frage ist doch, ob Boris Johnson den Schotten das Plebiszit überhaupt gestattet. Ich denke mal, das hängt auch davon ab, wie sich die Stimmung innerhalb der Schotten pro/kontra absehen lässt. Bis dahin, dürfte sich auch die forsche Regierungschefin beim Volk erledigt haben. Die Spaltung der Partei hat sie schon mal hinbekommen.

Kai Hügle | Mi., 5. Mai 2021 - 20:44

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Im letzten Jahr haben eine Million Menschen Großbritannien verlassen, darunter viele Facharbeiter und Hochqualifizierte - ein beispielloser Bevölkerungsschwund und veritabler "brain drain"!

https://www.relocatemagazine.com/news/highly-educated-britons-lead-brex…

Ausländische Firmen aus Schlüsselindustrien wandern ebenfalls ab - und zwar in den EU-Raum, vor allem nach Irland, das übrigens seit 100 Jahren NICHT mehr Teil von Großbritannien ist!

https://www.politico.eu/article/brexit-trade-japan-exodus-firms-uk-eu/

https://www.spiegel.de/wirtschaft/brexit-london-verliert-unerwartet-vie…

Nachvollziehbar, dass die Schotten dieses sinkende Schiff verlassen wollen. Auch in Wales nimmt die Zahl derer zu, die einen Austritt befürworten.

https://www.theguardian.com/uk-news/2021/feb/16/rising-support-for-wels…

Es droht also ein weiterer sehr harter Aufprall in der Realität für Sie...

David Johnson | Do., 6. Mai 2021 - 14:46

Antwort auf von Kai Hügle

Leider ist dieses schadenfreudige Kommentar beispielhaft für die öffentliche Meinung in Deutschland zum Thema Brexit. Was angesichts der einseitigen, und ja anglophobischen Berichterstattung in den hiesigen Medien (einschl. CICERO) kaum verwunderlich ist.
Man wünsche sich anscheinend sehnlichst, dass die Briten, oder besser gesagt, die verhassten Engländer, daran scheitern, sich außerhalb der EU wirtschaftlich und politisch in Zukunft zu behaupten.
Auch als überzeugter Remainer ist mir diese Einstellung etwas rätselhaft. Wir sind schließlich keine Feinde, auch wenn die meisten untenstehenden Kommentaren einen anderen Eindruck erwecken.
Und trotz der gravierenden wirtschaftlichen Folgen von Brexit, unter denen die Briten kurzfristig leiden werden, sind sie mittel- und langfristig gar nicht so schlecht aufgestellt - siehe man allein das international hochangesehene Hochschulwesen (4 Universitäten in den Top 10 Rankings, 18 in den Top 100). Deutschland dagegen hat nur 3, ab Platz 50).

Kai Hügle | Do., 6. Mai 2021 - 19:01

Antwort auf von David Johnson

Hier liegt ein Missverständnis vor. "Sie" im Schlussatz ist eine Anrede und bezieht sich auf Herrn Konrad.
Ich habe Freunde in GB und keinerlei Interesse daran, dass es ihnen oder ihren Landsleuten schlecht geht.
Wenn überhaupt Schadenfreude, dann gilt diese jenen Foristen, die vor lauter EU- und Deutschland-bashing Tatsachen wie die von mir genannten einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen oder können - und trotz einer Vielzahl von Irrtümern und Fehlprognosen einfach nicht in sich gehen, sondern völlig unbeirrt den immer gleichen Quatsch erzählen.

Tomas Poth | Mi., 5. Mai 2021 - 15:13

Raus aus GB rein in EU.
Pest gegen Cholera tauschen oder was?
Oder eher Verhandlungsmasse schaffen? Hier wird nur heiß gekocht, warme Suppe für das eigene politische Überleben.

Bernd Muhlack | Mi., 5. Mai 2021 - 15:31

Edinburgh ist eine wunderschöne Stadt!
Tochtern hatte dort von 2010 - 2018 studiert und gearbeitet. Auf Grund eines Angebots welches sie nicht ablehnen konnte, lebt sie seither in London.
Sie will jedoch zusammen mit ihrem Freund wieder zurück.
Vor allem deswegen, weil die Schotten solch ein tolles Volk sind!
Wie im Artikel erwähnt, sind sehr patriotisch, was wie immer nicht mit nationalistisch verwechselt werden sollte. Jeder ist quasi ein Braveheart!

Schottland sei zu arm, erfülle nicht die Aufnahmekriterien der EU, wird teilweise eingewendet.
Nun ja, wer Länder wie das Kosovo, Albanien, Bosnien-Herzegowina etc. aufnehmen möchte, sollte mit Schottland eher keine Probleme haben, oder?
Nach der Wahl sind wir wohl etwas schlauer.

Wie gesagt, Edinburgh ist eine wunderschöne Stadt und wer es mit der Natur hat, für den sind Wanderungen und Fahrradtouren durch die Highlands ein must-have!
Ich bin eher ein Stadtmensch.

In diesem Sinne:
SLÀINTE!

Sehr geehrter Her Muhlack!
Slàinte ist i r i s c h - gälisch.
In Schottland folgt noch eine Silbe.
Ansonsten hat ihr freundlich-romantischer
Beitrag aber wenig mit Politik zu tun.
Es grüßt Sie freundlich F.D. Plasan

Rob Schuberth | Mi., 5. Mai 2021 - 19:32

Höre ich da den Startschuss für das schrumpfende Empire?

Am Ende dürfte es noch mehr Kandidaten geben die sich der Einflussnahme Londons - endlich - entziehen wollen.

Da hätten dann Boris Johnson u. Co. sehr hoch gepokert und würden furios verlieren.

So what, sagt der Brite in mir.

Michael Sauer | Mi., 5. Mai 2021 - 21:07

Auch hier gilt der erste Satz der Animalfarm von George Orwell, dass es gleiche und gleichere gibt, oder gute (brave Schotten) oder schlechte (böse Katalanen, "Hochverräter") Separatisten. Denen wurde immer gesagt, wenn sie wie auch immer aus Spanien weg wären, würde sich die Tür zur EU nie wieder öffnen. Daher kann die EU ein unabhängiges Schottland, das rechtlich z.Zt. nicht Mitglied der EU ist, nicht einfach wieder aufnehmen. Eine EU-Grenze am Hadrianswall wäre im Übrigen ein noch viel größeres Problem als der Backstop auf der irischen Insel. Wirtschaftlich ist eine Trennung Schottlands vom Rest des Vereinigten Königreiches überhaupt nicht vorstellbar, die Aufgabe der Freizügigkeit für Schotten in den anderen Landesteilen zu leben usw. undenkbar. Ich denke auch gern historisch und die Niederschlagung des Aufstandes von Bonnie Prince Charlie war wirklich überaus grausam, aber die Folgen einer Sezession wären für die Schotten m. E. heftig.

Das sehen die Schotten mit ihren Energievorkommen wohl anders. Auch sonst irren Sie: Die Schotten wären in der EU sicher willkommen.

Für Johnson wäre das natürlich eine einzige Schmach. Der Möchtegern-Churchill, der mit nationalistischen Lügen das Brexit-Referendum für sich entscheiden konnte, würde nicht, wie vorgesehen, als Erneuerer britischer Größe, sondern als Zerstörer des Kingdoms in die Geschichtsbücher eingehen.

Die schottische Unabhängigkeit wäre nicht seine letzte Niederlage. Der Brexit hat in Nordirland die Troubles wiederaufleben lassen. Und selbst in Wales, da wo durch jahrhundertelange englische Einwanderung ein Vasallenstaat entstanden ist, regt sich der Wunsch nach Unabhängigkeit.

Johnson hatte das Glück, in der Corona-Pandemie schnell reagieren zu können. Das danken ihm die Wähler - im Moment. Aber aller Ruhm ist flüchtig, und morgen schon Schall und Rauch.
Dann zählen Wirtschaftsleistung und Arbeitslosigkeit. Und Johnson droht die nächste Katastrophe.

Walter Bühler | Do., 6. Mai 2021 - 08:52

Höchste Zeit, dass der Brexit von der Rest-EU und ihren Medien endlich ernstgenommen werden muss.

Mir scheint die erste Frage zu sein, wie man den freien Handel mit der Republik Irland innerhalb der EU ermöglichen kann, ohne auf den Landweg in England angewiesen zu sein. Dieses Problem muss auch für Schottland gelöst werden.

Und wer sagt, dass DK, NL, S und FIN ewig in der EU bleiben wollen? Warum sollte es nicht um N und GB herum eine - wirtschaftlich prosperierende - nordeuropäische Gemeinschaft geben, die den Interessen der Bewohner weit besser entspricht als das wacklige Projekt der alten EU oder der Euro-EU?