Deutsch-französisches Verhältnis - Macron kann mit dem deutschen Weg nichts anfangen

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron spricht in einem Fernsehinterview über Migration und Energiewende. Dabei erwähnt er Deutschland mit keinem Wort. Dennoch wird deutlich, dass er die Politik der Bundesregierung klar ablehnt.

Emmanuel Macron im Januar 2023 beim deutsch-französischen Ministerrat im Rahmen des 60. Jahrestags der Unterzeichnung des Elysee-Vertrags / dpa
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Alexandre Kintzinger studiert im Master Wissenschafts- philosophie an der WWU Münster und arbeitet nebenbei als freier Journalist. Er ist Stipendiat der Journalistischen Nachwuchsförderung (JONA) der Konrad-Adenauer-Stiftung. 

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In seiner bisherigen Zeit als französisches Staatsoberhaupt galt Emmanuel Macron immer als ein großer Verfechter einer europäischen Union, in der Deutschland und Frankreich bemüht sind, diese gemeinsam politisch zu gestalten. Dennoch gibt es einige Bereiche, in denen die politischen Gräben zwischen den beiden Ländern sehr tief sind. Beispielsweise bei der Migrationspolitik, wo Frankreich eine deutlich restriktivere Politik als Deutschland verfolgt.  

Eine Botschaft des Universalismus

In einem Interview am vergangen Sonntag bei den beiden Fernsehsendern TF1 und France 2 wies Macron darauf hin, dass die Franzosen durchaus bereit sind, ihren Beitrag zu leisten. Im Durchschnitt habe Frankreich ungefähr 100.000 Asylbewerber pro Jahr, und man investiere jetzt zwei Milliarden Euro zur Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen.  

Laut Macron brauche es aber eine Botschaft des Universalismus mit Hinblick auf eine gemeinsame europäische Politik. Man sei einerseits nicht gleichgültig, und man müsse menschlich agieren, insbesondere gegenüber denjenigen, die vor Konflikten fliehen. Anderseits bedürfe es aber auch einer strikteren Linie, denn Frankreich verfüge über ein großzügiges Sozialsystem, so der Präsident. Macron zitiert dabei den ehemaligen sozialistischen Premierminister Michel Rocard mit den Worten, man könne nicht das gesamte Elend der Welt aufnehmen.

Macron lobte zudem die Zusammenarbeit mit Rom in Sachen Migrationskrise, denn ihm zufolge habe die italienische Regierung davon abgesehen, eine nationalistische Lösung zu wählen. Er wünsche dahingehend eine stärkere Partnerschaft mit Italien unter Einbindung der Maghreb-Länder. Bei einem Thema wie der Migration, die ein Gefahrenpotential in sich trägt, an dem die gesamte EU scheitern könnte, entscheidet sich Macron bewusst dafür, Deutschland überhaupt nicht zu nennen. Es setzt damit ein deutliches Signal, dass er in der Bundesregierung keinen verlässlichen Partner sieht.

Keine Klimapolitik mit der Brechstange

Die Energieversorgung ist ein weiteres Feld, auf dem Frankreich dezidiert andere Wege geht als Deutschland. Frankreich setzt weiterhin auf Atomkraft, möchte diese sogar ausbauen. Und in anderen Bereichen der Energiewende will man schneller agieren als der deutsche Nachbar. Was die Kohlekraftwerke angeht, will Frankreich bis zum Jahr 2027 die letzten Kohlekraftwerke vollständig auf Biomasse umstellen.

 

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Macron betont im Interview auch die Liebe der Franzosen zum Automobil. Auch er selbst, so sagt er, sei ein Liebhaber des PKWs. Man dürfe den Wechsel vom Verbrennungsmotor hin zur CO2-freien Individualmobilität jedoch nicht auf dem Rücken von Niedriglohnempfängern betreiben. Mit Hinblick auf die Inflation bräuchten vor allem französische Bürger mit älteren Dieselautos finanzielle Unterstützung. Macron positioniert sich damit im Interview klar gegen eine Klimapolitik mit der Brechstange.

Kein Heizungshammer à la Deutschland

Das wird auch deutlich, wenn Macron über das Thema Heizen spricht. Er sei sich bewusst, dass der Austausch eines Heizkessels für viele Bürger erhebliche Kosten bedeutet. Zwar müsse man auch in diesem Bereich auf eine Transition setzen; Frankreich möchte keine neuen Ölheizungen mehr. Was die Gasheizungen betritt, spricht sich Macron jedoch klar gegen ein Verbot aus, denn er möchte seine Landsleute, insbesondere in den ländlichen Regionen, nicht ohne Ersatzlösung allein lassen.

Frankreich möchte daher verstärkt auf eine eigene Produktion von Wärmepumpen setzen, diese sogar um das Dreifache steigern. Das ganze sei ein ökologischer Prozess, bei dem die Bürger Unterstützung benötigen, wenn sie auf Wärmepumpen umstellen sollen.

Es wird deutlich, dass die heftigen Kontroversen um das deutsche Heizungsgesetz der Ampel-Regierung an Macron nicht spurlos vorbeigegangen sind und er daraus seine eigenen Lehren zog. Ihm bleibt dahingehend auch keine Wahl, denn ein Heizungshammer à la Deutschland würde die Franzosen höchstwahrscheinlich en masse zum Protest auf die Straße treiben.

Ein Blick nach Frankreich hilft vielleicht

In dem gesamten 34-minütigen Interview ist unmissverständlich herauszuhören, dass Macron politisch nicht den deutschen Weg gehen will. Deutschland ist dahingehend für Macron kein Leuchtturm in Sachen Krisenbewältigung.  

Dabei wäre es sicherlich vorteilhaft für eine Europäische Union, die sich erfolgreich den Herausforderungen der Energiewende und der Migration stellen möchte, wenn Deutschland und Frankreich stärker an einem gemeinsamen Strang ziehen würden. Deshalb spräche nichts dagegen, wenn Deutschland sich in bestimmten Bereichen am großen Nachbarn Frankreich orientieren würde. Es wäre ein Gewinn für das zukünftige deutsch-französische Verhältnis und für Europa.

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