
- „Tumult einer kleinen Handvoll Menschen mit Hintergedanken“
Vor 30 Jahren wurden in China die Demonstrationen für Demokratie und Freiheit auf dem Platz des Himmlischen Friedens niedergeschlagen. Die Folgen sind bis heute spürbar – nicht zuletzt in der westlichen Welt
Schon seit langem blickte die chinesische Führung mit großer Sorge auf den 30. Jahrestag der gewaltsamen Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989. Die drastische Zunahme der politischen Kontrolle und das konsequente Vorgehen gegen Kritiker und protestierende Studenten in den vergangenen Monaten haben zweifelsohne ihren Ursprung in Ängsten vor diesem Datum. Die berauschenden Monate des Frühlings 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens sowie das abrupte brutale Ende durch den Einsatz des chinesischen Militärs sind allen Versuchen der Zensur zum Trotz in der Erinnerung der Bevölkerung weiterhin präsent. Die Ereignisse von 1989 stellen tatsächlich einen tiefen Einschnitt dar, dessen Konsequenzen weitreichend und bis heute spürbar sind – in China selbst, aber auch darüber hinaus.
Die Demokratiebewegung von 1989 war die größte spontane Massenbewegung seit Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949. Die Studenten verlangten Freiheit und Demokratie, aber ihre Proteste waren auch eine direkte Reaktion auf aufkommende soziale Probleme und die wirtschaftliche Unsicherheit Ende der achtziger Jahre. Eine außer Kontrolle geratene Inflation hatte damals zum Rückgang der Kaufkraft geführt und vor allem bei Staatsbediensteten sowie bei Akademikern und Studenten Ängste vor einer Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage hervorgerufen; sie fühlten sich als die Verlierer der seit 1978 unternommenen Wirtschaftsreformen. Hinzu kamen zunehmend Berichte über Korruption, die großes öffentliches Missfallen erregten. Insgesamt war die Stimmung im Land Ende der achtziger Jahre aufgeheizt. Immer öfter meldeten sich bekannte Chinesen zu Wort, die demokratischere Verfahren im Sozialismus verlangten. Schriftsteller, Wissenschaftler und Intellektuelle argumentierten, nur durch Reformen und mehr Demokratie ließen sich der Machtmissbrauch und die Korruption eindämmen. Und sogar in der Partei selbst verbreitete sich die Ansicht, dass politische Reformen unausweichlich seien. Wobei die allgemeine Unzufriedenheit in dem Maß wuchs, in dem die Parteiführer einen Erneuerungsprozess verzögerten. Besonders die Studenten wurden immer rebellischer.