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() Der Bulle an der New Yorker Börse.
Wann kommt der Aufschwung?

Wirtschaftswunder oder Depression? Weltweit bringen die Regierungen ihre Konjunkturprogramme in Stellung und hoffen auf Besserung. Wie geht es nun weiter? Cicero hat die fünf größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute befragt – die Experten haben geantwortet

Lesen Sie auch: Cicero-Dossier: Wirtschaftskrise Bildergalerie: Finanzkrise Constantin Magnis und Gunnar Heinsohn: Fünf Trugschlüsse der Finanzkrise Nicht vor 2010 Von Joachim Scheide Die Finanzkrise hat die Weltwirtschaft voll erfasst. In vielen Ländern sinkt die Produktion drastisch, und der internationale Handel ist geradezu spektakulär eingebrochen. Dies ist für Deutschland eine schlechte Nachricht, denn wir haben jahrelang von dem weltweiten Boom profitiert. Wie geht es weiter? Wir haben es nicht mit einer normalen Rezession zu tun, bei der man mit den üblichen Modellen abschätzen kann, wann sie vorbei ist. Normalerweise würden wir prognostizieren, dass der nächste Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte 2009 beginnt, weil die Notenbanken der Welt die Zinsen massiv gesenkt haben, was gewöhnlich nach einigen Quartalen expansiv auf die Konjunktur wirkt. Leider ist es heute nicht so einfach. So muss man sich auch daran orientieren, wie die Finanzkrisen in der Vergangenheit verliefen: Wie stark haben sie sich auf die Konjunktur ausgewirkt, und wie lange haben sie gedauert? Leider spricht derzeit kaum etwas dafür, dass wir dieses Mal glimpflicher davonkommen als diejenigen Länder, in denen es ähnliche Krisen früher einmal gegeben hat. Zwar haben die Regierungen und Notenbanken in jüngster Zeit rasch und massiv reagiert; daher bleibt uns wahrscheinlich das japanische Beispiel eines „verlorenen Jahrzehnts“ erspart. Aber die aktuellen Indikatoren wie Aufträge und Produktion in Deutschland sind so schlecht, dass man mit einem deutlichen Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts rechnen muss. Und: Der Abschwung wird recht lange anhalten. Im Durchschnitt der vergangenen Finanzkrisen dauerte es rund vier Jahre, bis der nächste richtige Aufschwung einsetzte. Die Dramatik der Lage ist vielen offenbar noch nicht klar. Denn möglicherweise folgen auf das schlechte Jahr 2009 noch zwei bis drei magere Jahre, und unser Einkommen wird 2012 kaum höher sein als im Jahr 2008. Man hat den Eindruck, dass die Krise gegenwärtig zwar allgemein bewusst ist, weil die Medien permanent davon berichten. Auch ist es zum ersten Mal so, dass eine Rezession auf breiter Front, sogar von der Regierung, „angekündigt“ wird. Dass aber die Arbeitslosigkeit möglicherweise zwei oder drei Jahre lang steigen wird und sich die Meldungen über Pleiten und Massenentlassungen häufen werden, ist noch nicht überall angekommen. Die Lage ist jedoch nicht hoffnungslos. Voraussetzung für eine Stabilisierung der Konjunktur ist allerdings, dass sich der Finanzsektor fängt und die Banken wieder ihrem normalen Kreditgeschäft nachgehen. Wenn dies gelingt, werden sich die Aussichten allmählich verbessern. Dennoch: Ein richtiger Aufschwung, bei dem die Arbeitslosigkeit sinkt, ist wohl auch für das Jahr 2010 nicht zu erwarten. Dazu müsste sich die Finanzkrise schon bald in Luft auflösen. Joachim Scheide ist Leiter des Prognose-Zentrums am Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel So schnell nicht Von Christoph M.Schmidt Die Ausweitung der US-Finanzmarktkrise zu einer weltweiten Rezession hat eindrucksvoll gezeigt, wie stark die ökonomische Globalisierung bereits vorangeschritten ist. Überall auf der Welt stellen sich Regierungen, Unternehmen und Bürger drei Fragen: Wie dramatisch fällt der Niedergang aus? Reichen die bisher beschlossenen Maßnahmen aus? Wann wird es wieder aufwärtsgehen? Klar beantworten lassen sich diese Fragen derzeit leider nicht. Denn die Prognosefehler der Konjunkturmodelle sind rund um die Wendepunkte der Wirtschaftsentwicklung besonders groß. Aufschwünge werden in der Regel zu früh und kräftiger prognostiziert, als sie dann tatsächlich eintreten. Man sollte sich also vor dem Glauben hüten, das Schlimmste liege bereits hinter uns und der nächste Aufschwung stehe unmittelbar vor der Tür. Es spricht aber vieles dafür, dass die ergriffenen Maßnahmen den Abschwung begrenzen können. Die Wirtschaftspolitik hat auf die Finanzkrise und die sich daraus entwickelnde Rezession massiv reagiert. Die Notenbanken vieler Länder haben die Zinsen deutlich gesenkt und durch weitere Maßnahmen die Bankensysteme gestützt. Die Regierungen haben in erheblichem Umfang Konjunkturprogramme aufgelegt, um den Einbruch zu dämpfen und sich selbst verstärkende Dominoeffekte zu begrenzen. Ein regelrechter Absturz der Wirtschaft dürfte damit verhindert worden sein. Jetzt muss man die Maßnahmen aber erst einmal wirken lassen. Für Deutschland führen Berechnungen mit dem RWI-Konjunkturmodell zu dem Ergebnis, dass das Konjunkturprogramm II der Wirtschaft wichtige Impulse geben wird – trotz Mängeln bei der Ausgestaltung des Pakets. Das Wachstum in diesem Jahr wird danach um rund 0,5 Prozentpunkte höher ausfallen, als es ohne Paket der Fall gewesen wäre. Im Jahr 2010 reduziert sich der positive Impuls auf 0,3 Prozentpunkte. Letztlich hängt das Schicksal der deutschen Exportökonomie aber von der globalen Wirtschaftsdynamik ab. Doch starke positive Impulse sind hier nicht in Sicht: Sollten die US-amerikanischen Verbraucher ihren Konsum weiter einschränken, dürften die USA als Konjunkturlokomotive noch einige Zeit ausfallen. Auch die Hoffnung, dass das Wachstum in den asiatischen Schwellenländern den Einbruch in den USA zumindest teilweise kompensieren könnte, hat sich nicht bewahrheitet. Ein Blick auf die europäischen Nachbarländer lässt ebenfalls keine Hoffnung aufkommen, dass der Euroraum eine Vorreiterrolle beim Wachstum einnehmen könnte. Insgesamt spricht vieles eher dafür, dass der nächste Aufschwung wie der vergangene beginnt: verhalten und mit Rückschlägen. Zudem startet die Wirtschaftspolitik mit ungewöhnlich großen Bürden in die nächste Wachstumsphase: Die Geldpolitik muss die weltweit hohe Liquidität einsammeln, um neue Übertreibungen bei der Bewertung von Vermögenspreisen zu verhindern. Und die Finanzpolitik muss die Haushalte konsolidieren, um die Belastung künftiger Generationen zu begrenzen. So schnell, wie es bergab ging, wird es wohl nicht wieder bergauf gehen. Christoph M. Schmidt ist Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen Bald geht es aufwärts Von Klaus F.Zimmermann Wie kam es zu der gegenwärtigen Krise? Im Kern war es wie immer: Eine Blase ist geplatzt. Ausgangspunkt war die vorhergehende Krise, auf die die Zentralbanken mit einer massiven Senkung der Leitzinsen reagiert hatten. Weil Kredite dadurch billig zu haben waren, wurden sie auch gerne genommen. Das brachte den Banken prächtige Renditen, die sie für dauerhaft hielten. Und um das gute Geschäft weiter anzuheizen, mussten immer mehr Kreditnehmer angelockt werden. Die einen kamen von selbst – wie jene Finanz-Hasardeure, die kreditfinanziert produzierende Unternehmen aufkauften, um sie durch betriebswirtschaftliche Maßnahmen so weit zuzurichten, dass sie in kurzer Zeit ihre Kredite zurückzahlen konnten. Die längerfristige Zukunft der übernommenen Unternehmen war ihnen egal. Gewichtiger war, dass die Banken insbesondere in den angelsächsischen Ländern und in Spanien Kredite auch an solche Schuldner vergaben und ihnen die Abzahlung eines Eigenheims zutraute, denen man bei uns kaum die Stundung ihrer Schulden gewährt hätte. Um all das am Laufen zu halten, wurden „innovative Finanzprodukte“ erfunden, die weltweit verkauft wurden, mit denen sich das große Rad der Kreditfinanzierung immer weiter drehen ließ. Das war so lange ungefährlich, wie sich die Vorstellung eines ökonomischen Perpetuum mobile immer mehr breitmachte, einem Automatismus, bei dem quasi von selbst wirtschaftlicher Wohlstand entsteht. So stiegen die Immobilienpreise in manchen Ländern immer mehr und auch die Aktienkurse. Und die damit einhergehende Vermögensillusion verleitete manchen dazu, immer mehr zu konsumieren. Nun folgt dem Rausch der Kater. Wann geht es wieder aufwärts? Schon immer waren Wendepunkte der konjunkturellen Entwicklung nur sehr schwer zu prognostizieren. Aber schon zur Jahresmitte kann es wieder aufwärtsgehen. Weltweit werden die größten Konjunkturprogramme aller Zeiten aufgelegt. Zwar wird vieles davon einfach verpuffen, einiges wird aber die Krise mildern. Und die Wirtschaft ist längst voraus: Die Zukunftseinschätzungen in der Industrie und auf den Finanzmärkten haben sich verbessert, das Konsumklima ist stabil. Auch der Baltic-Dry-Fracht-Index, ein Frühindikator für den Welthandel, hat sich erholt. Die Rettungsaktionen führen aber auch zur schwersten Verschuldung aller Zeiten, die den Kern für eine neue Krise bildet. Wirtschaftlicher Sachverstand bleibt gefordert. Klaus F.Zimmermann ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin Wachstum Ende 2010 Von Kai Carstensen Was wir derzeit weltweit beobachten, ist nichts weniger als die wohl schwerste Rezession seit der Großen Depression, die 1929 ihren Anfang nahm – ebenfalls in den USA. Dies ist nicht die einzige Parallele: Auch damals gab es extreme Kurseinbrüche an den Börsen, Bankenpleiten, Kreditverknappung und schließlich dramatische Produktionsrückgänge. Zwischen Oktober 1929, dem Monat des großen Börsencrashs, und Juli 1932, dem Tiefpunkt der Krise, halbierte sich die amerikanische Industrieproduktion. Dagegen könnte der gegenwärtige Einbruch in den USA von rund 8 Prozent geradezu optimistisch stimmen, hätten wir den Tiefpunkt der Rezession schon erreicht. Doch leider deuten die Frühindikatoren auf eine fortgesetzte Schrumpfung hin. Heute wie damals hat die Krise in den USA die gesamte Weltwirtschaft erfasst. Exportorientierte Länder wie Deutschland sind daher auch diesmal besonders stark betroffen. Das ist die Lage. Es fällt schwer, optimistisch zu sein. Die Große Depression dauerte sieben Jahre – erst 1936 hatten die USA den Produktionsrückgang wieder wettgemacht. Wird es diesmal ähnlich lang dauern? Glücklicherweise gibt es ein paar ganz wichtige Unterschiede zur damaligen Situation. Viele Ökonomen haben die Große Depression studiert und daraus grundlegende Handlungsanweisungen abgeleitet. Die beiden wichtigsten lauten: Halte das Bankensystem am Leben und fürchte die Deflation. Ein führender Vertreter dieser Ökonomengruppe ist Ben Bernanke, zufälligerweise gerade jetzt Chef der US-Notenbank, die mittlerweile wirklich alles tut, um die Liquiditätsversorgung des amerikanischen Finanzsystems zu garantieren. Damit soll ein Zusammenbruch systemrelevanter Institute verhindert werden. Weltweit bekämpfen die Zentralbanken den Liquiditätsmangel durch eine verbilligte und massiv erweiterte Geldversorgung der Banken. Weil das nicht ausgereicht hat, haben die Regierungen der betroffenen Länder mit Kreditgarantien und Eigenkapital geholfen. In Deutschland bleibt das Problem, dass nur die schwächsten Banken staatliches Eigenkapital beantragen, also diejenigen, die am schlechtesten gewirtschaftet haben. Gegenüber den gesunden Banken verzerrt dies den Wettbewerb um knappes Kapital. Besser wäre ein Zwang für jede Bank, die Kapitaldecke zu erhöhen – im Zweifelsfall durch Staatsbeteiligung für alle. Notfalls sind auch die Verstaatlichung maroder Banken und ihre Aufspaltung in einen guten und einen schlechten Teil zu erwägen. Denn erst die Gesundung des Bankensystems wird den Weg für eine durchgreifende wirtschaftliche Erholung ebnen. Wann wird das sein? Wohl kaum in diesem Jahr. Zwar werden die Konjunkturpakete in der zweiten Jahreshälfte greifen, aber wirklich nachhaltiges Wachstum wird wohl noch bis Ende 2010 auf sich warten lassen. Kai Carstensen ist Leiter des Forschungsbereichs Konjunktur am ifo Institut für Wirtschaftsforschung in München Frühestens Ende 2009 Von Ulrich Blum Angesichts des dumpfen Pessimismus in Wirtschaft und Politik ist es wichtig, darauf zu verweisen, dass der nächste Aufschwung kommt – und Deutschland dann gerüstet sein muss. Vom vergangenen Aufschwung hätte Deutschland durch einen besseren Ordnungsrahmen mehr profitiert. Zu viel Zeit benötigten weitreichende Reformen und die Tarifpolitik zur Anpassung. Aus dieser Erfahrung heraus sind bereits jetzt die Weichen für Wachstumsimpulse zu stellen, auch weil der Zeitpunkt, ab dem die Selbststabilisierungskräfte in den Märkten greifen, völlig unbekannt ist. Der Finanzsektor, der mit großer Akribie und Nachdrücklichkeit maximale Transparenz von seinen Kunden einfordert, ist immer noch nicht fähig, eine Mindesttransparenz des eigenen Geschäfts zu leisten. Dies betrifft nicht nur den „Giftmüll“, sondern zunehmend auch solide Geschäftsfelder, die indirekt in den Sog der Krise geraten, beispielsweise klassische Unternehmenskredite. Schwächt der „Schutzschirm“ über den Banken die Anreize für erforderliche Aufräumarbeiten? Ist zu befürchten, dass der von den Zentralbanken beförderte Verfall der Zinsen bereits heute weniger Entlastung bringt, als vielmehr Destabilisierungen künftig erwarten lassen? Kann mit einem Zinssatz nahe null die Steuerung von Kapital auf knappe Verwendungen funktionieren, und ist dann das Interbankengeschäft noch attraktiv? Wenn nicht, so leiden über das Bankkreditgeschäft auch die Binnennachfrage und, was noch schwerwiegender ist, vor allem innovationsorientierte und wachstumsfördernde Investitionen. Zu spät hat die Bundesregierung ihr Konjunkturprogramm in Stellung gebracht, um frühzeitig der depressiven Stimmung glaubhaft entgegenzutreten. Auch Verzögerungen beim US-Konjunkturprogramm lassen eine Trendwende frühestens ab dem zweiten Halbjahr 2009 erwarten. Wieder wird der ordnungsökonomische Ansatz völlig missachtet: Wie lässt sich beispielsweise das Zögern bei der KFZ-Steuerreform oder die fehlende regulatorische Reform zum Ausbau der Datenhochleistungsnetze rechtfertigen? Warum werden Wachstumskräfte nicht durch Vorziehen strategischer Investitionen gestärkt, was mit einer weitgehenden Schuldenneutralität einherginge? Bereits heute ist an das konjunkturelle Morgen zu denken: Neben der europäischen Baustelle, die ebenfalls viel zu kleinmütig angegangen wird, nämlich die sich aufbauenden realen und monetären Divergenzen in der Eurozone, aber auch bezüglich der übrigen EU-Mitglieder, und sogar darüber hinaus, ist es wichtig, den deutschen Kapitalstock qualitativ zu sichern, um die Produktivität zu sichern. Ulrich Blum ist Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (ifw-h) Foto: Picture Alliance

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