Olaf Scholz bei der Weltklimakonferenz - Gestanzte Floskeln und nichts dahinter

Bundeskanzler Olaf Scholz hat auf der Klimakonferenz in Scharm El-Scheich wieder weitgehend relevanzfreie Sätze produziert, deren Realitätsferne auch Klimaaktivisten aufregt. Der Klimaschutz muss endlich ernsthafter, ideologieärmer und handlungsorientierter werden. Vor allem ein Dogma der Klimareligion muss dabei geschleift werden.

Der Charme von Scharm El-Scheich: Olaf Scholz mit dem ghanaischen Präsidenten Nana Addo Danwa Akufo-Addo / dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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In diesen Tagen twitterte ein Kollege ein Foto mit einem Blick in ein leeres Flugzeug. Dazu stellte er die Frage, ob er denn alleine nach Scharm El-Scheich reise und sich denn kein anderer mehr für den Klimaschutz interessiere. Tatsächlich ist die leere Maschine, die nahezu unnütz nach Ägypten fliegt, ein schönes Bild für die Sinnlosigkeit dieses Umweltkonferenz-Tourismus. Es hat sich ein globaler Club von Fachleuten, Aktivisten, Journalisten und Politikern gebildet, der sich professionell mit Klimaschutz beschäftigen, nur leider an der Lösung der Probleme nur marginal beteiligt ist. Schönes Wetter machen für eine Welt mit steigenden Temperaturen. Es braucht mehr Macher im Klimaschutz und weniger Reden.

Wir brauchen dringend eine neue Ära der Klimapolitik, mit deutlich weniger Konferenzen, einem Ende der Floskeln in Endlosschleife und mehr pragmatischem Handeln. Der Klimawandel ist Realität, Probleme müssen gelöst werden, aber es braucht weder Aktivisten, die den Straßenverkehr aufhalten und sich an ihrer eigenen Selbstgerechtigkeit aufgeilen, noch deren publizistische oder politische Helfer, die sich als selbsternannte Propheten noch gleich mit selbst heiligsprechen. Dazu ist die Lage zu ernst. Der Worte sind genug gesprochen …

CO2-Reduzierung ist kein Allheilmittel

Wen nervt es denn nicht, wenn der Bundeskanzler weitgehend relevanzfreie Sätze stanzt? „Wir werden aus den fossilen Brennstoffen aussteigen, ohne Wenn und Aber“, erklärt er im gewiss klimatisierten Tagungssaal. Die Bundesregierung tut gerade aus nachvollziehbaren Gründen aber das Gegenteil. Was soll also das wohlfeile Reden? Die Ampel reaktiviert Kohlekraftwerke, baut LNG-Terminals und weiß – realistisch betrachtet –, dass der Klimawandel allein durch CO2-Reduzierung nicht gemeistert werden wird.

So ungefähr sagt das die Aktivistin Luisa Neubauer auch, könnte man anfügen. Die Fridays-for-Future-Frontfrau hat dem Bundeskanzler Doppelzüngigkeit in der Klima- und Energiepolitik vorgeworfen: „Die Taten und die Worte von Olaf Scholz stehen sich praktisch gegenüber.“ Scholz habe in seiner Rede in Scharm El-Scheich  vor einem fossilen Rückschlag gewarnt. „Und gleichzeitig ist die Bundesregierung die treibende Kraft genau hinter diesem fossilen Backlash – auch weltweit“, so Neubauer. Doch die Aktivistin verheddert sich wieder in Ideologie und beklagt ein fehlendes Bekenntnis zu den Erneuerbaren und den Weiterbetrieb der Kernenergie. Aber Atomkraftwerke sind immer ein Beitrag zum Klimaschutz, so umstritten sie auch sein mögen, wenn deswegen weniger Kohle verfeuert werden muss. Man merkt schnell, Klimakonferenzen spielen nur einen einstudierten Stellungskrieg nach, der letztlich zu einer Beschäftigungstherapie einer gewissen Klimaelite geworden ist.

Natürlich braucht es auch Überzeugungsarbeit. Aber die Arbeit ist weitgehend getan. Die Klimakrise ist, so wie etwa der Hunger in der Welt, als Herausforderung klar benannt und das Vorgehen dagegen mehr oder weniger Konsens. Die Soziale Frage im 19. Jahrhundert war zunächst auch ein Kampf um das Problembewusstsein. Die Ignoranz der Herrschenden musste gebrochen werden, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass der Kapitalismus Bremsen braucht, da sonst nicht nur die Kinder in den Bergwerken verrecken, sondern die Menschheit an sich selbst scheitert. An der Eskalation dieses Kampfes um die Beherrschung der sozialen Frage ist die Menschheit aber dann auch fast gescheitert.

Klima-Jakobinismus führt in die Hölle

Mit dem gewaltsamen Versuch, „das Himmelreich auf Erden zu schaffen“, wurden im realexistierenden Kommunismus die schlimmsten Höllentore geöffnet – mit unfassbarem Leid und Elend für die Menschenkinder. Daraus müssen wir lernen. Die Bewältigung der Klimakrise darf nicht wieder zu einer selbstzerstörerischen Diktatur der apokalyptischen Weltverbesserer werden. Die Welt darf nur in Freiheit ohne Gewalt und ohne Diktatur gerettet werden, sonst geht sie in der neuen Hölle der Klima-Jakobiner unter.

 

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Insofern sind die jüngsten Äußerungen der Präses der Evangelischen Kirchen in Deutschland, Anna-Nicole Heinrich, schon verwunderlich. Die oberste Protestantin erklärt, Straßenblockaden seien „in unseren Augen berechtigter gewaltloser ziviler Ungehorsam, denn er greift nicht die freiheitliche Grundordnung an“. Die Logik eines höheren Ziels, welches dann auch die Rechtsordnung aushebeln kann, wo es gerade passt, ist doch genau jenes politisches Verständnis, welches demokratische Prozesse aushöhlt, eine revolutionäre Kaste der Tugendhaften gebiert und letztlich zu allen möglichen Gewaltformen führen kann. Erstaunlich, dass die Präses damit sogar den Spitzen-Grünen in den Rücken fällt, die mit der „Letzten Generation“ nicht mehr viel am Hut haben wollen. So ein Klimaaktivismus kann doch nicht ernsthaft zum militärischen Arm einer ernstzunehmenden Klimapolitik werden. Weiß die EKD, welche Geister sie da ruft?

Die Zukunft der Erneuerbaren

Insofern sind Klimakonferenzen das harmlosere Forum der friedlichen Selbstvergewisserung, dass wir gemeinsam Probleme lösen wollen, aber nicht zu Machtinstrumenten der Besserwisserei greifen sollten. „Für uns ist klarer denn je: Die Zukunft gehört Windkraft, Solarenergie und grünem Wasserstoff“, sagt Olaf Scholz. Er liegt ja damit nicht falsch, selbst Großbritannien, Aserbaidschan und die Golfstaaten haben inzwischen die großen ökonomischen und ökologischen Chancen der neuen Energiequellen erkannt. Die fossilen Reserven sind noch riesig, aber endlich, Sonne und Wind liefern – transportabel in grünem Wasserstoff – nahezu unendlich Energie. Doch wenn auf der einen Seite der Aktivismus überzieht, dann verharmlost sich auf der anderen Seite der offiziöse Klimadiskurs selbst.

Doch wird in Deutschland und auch auf den Konferenzen viel zu wenig über Großinvestitionen, über wissenschaftliche Innovation und wirtschaftliches Wachstum gesprochen. Die westliche Verzichtsrhetorik ist aber tatsächlich für den globalen Süden ein Hohn, denn für sie ist ein Mehr an „Wohlstand“ eben nicht eine Frage von Konsum und Dekadenz, sondern von existentieller Humanität.

Die Scheuklappen der Ampel

Deswegen ist die die Fokussierung allein auf die Reduzierung der Treibhausemissionen in der Rede von Scholz auch verkürzt. Es ist nicht nur so, dass Deutschland nur einen Anteil von drei Prozent an den globalen Emissionen hat, deswegen innenpolitisch von der großen Herausforderung ablenkt, wenn es sich in öffentlichen Debatten nur im Klein-Klein deutscher Maßnahmen (9-Euro-Ticket) verrennt. Für andere Länder ist eine Reduzierung auch deutlich schwieriger zu leisten als für die Wohlstandsoasen des Westens. Deswegen fehlt es auf der Klimakonferenz auch leider an breiter offener Debatte über Kernenergie, das ist die ideologische Scheuklappe der deutschen Ampel-Politik. Aber mehr noch muss in der Debatte mehr über CO2-Endlagerung gesprochen werden. Auch das wird durch das einseitige Dekarbonisierungs-Narrativ verhindert.

Deswegen wären weniger Konferenzen ein Mehr an Klimaschutz, nicht nur wegen der dann nicht fliegenden Flugzeuge, sondern auch, weil das mangelnde Handeln dann nicht mehr mit Reden kaschiert werden kann.

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