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Mit Strom zur Kohle

Atomenergien werden im Koalitionsvertrag als Brückentechnologie festgeschrieben; sie sollen nur solange in Verwendung sein, bis sie vollständig durch erneuerbare Energien abgelöst werden können. Der Frage, ob die Regierung sich auf die "richtige" Länge der Brücke verständigen kann, geht Niels aus dem Moore nach.

Wie lang ist eine Brücke? Diese Frage beschäftigt die Bundesregierung. Denn zum befristeten Ausstieg aus dem Atomausstieg heißt es im Koalitionsvertrag: „Die Kernenergie ist eine Brückentechnologie, bis sie durch erneuerbare Energien verlässlich ersetzt werden kann.“ Umweltminister Norbert Röttgen hat in einem ersten Anlauf zur Konkretisierung hervorgehoben, dass die deutschen Kernkraftwerke auf eine Betriebsdauer von 40 Jahren ausgelegt seien. Da das Atomgesetz bisher den Ausstieg nach durchschnittlich 32 Betriebsjahren vorschreibt, ergibt sich für ihn eine maximale Laufzeitverlängerung von acht Jahren. Zahlreiche Partei- und Koalitionsfreunde haben jedoch umgehend kundgetan, dass die nukleare Brücke in ein regeneratives Zeitalter deutlich länger sein muss. Zwanzig Jahre und mehr werden gefordert. Wenn die Regierung wie angekündigt im Herbst ihr energiepolitisches Gesamtkonzept vorstellen will, muss sie sich zügig auf die „richtige“ Länge der Brücke verständigen. Dann rückt eine zweite Frage in den Mittelpunkt: Was soll mit den milliardenschweren Gewinnen geschehen, auf die sich die Energiekonzerne bei verlängertem Betrieb ihrer bereits abgeschriebenen Meiler freuen können? Schätzungen zur Höhe dieser zusätzlichen Profite schwanken entsprechend den unterschiedlichen Annahmen über die Dauer der Laufzeitverlängerung, die künftige Strompreisentwicklung und den Nachrüstungsbedarf in den Kraftwerken von rund 60 bis hin zu über 200 Milliarden Euro. Diese Gewinne achselzuckend den Energieversorgern zu überlassen, wird kein politisch gangbarer Weg sein. Den Autoren des Koalitionsvertrages war das bewusst. Der Abschnitt zur Kernenergie kündigt daher eine Vereinbarung mit den Betreibern an, in der „Höhe und Zeitpunkt eines Vorteilsausgleichs“ festgelegt werden. Entsprechend unserer angeborenen Neigung zu paritätischen Lösungen hat sich schnell die Vorstellung ausgebreitet, dass etwa die Hälfte der Gewinne vom Staat abgeschöpft und für gute Zwecke eingesetzt werden müsse. Auch die Atomwirtschaft ist zügig auf diese Kompromisslinie eingeschwenkt und hat ihrerseits Verwendungsvorschläge unterbreitet: Von einem Fonds zur Förderung der erneuerbaren Energien (dessen Nutznießer auch die in diesen Bereich expandierenden Energieversorger wären …) bis hin zu dem von RWE-Chef Jürgen Großmann in Cicero vorgeschlagenen „Apollo-Programm für Bildung“ reichen die von den Managern in der Manier uneigennütziger Mäzene vorgetragenen Ideen. Doch die Politik sollte nicht überstürzt dem Prinzip der hälftigen Teilung folgen. Denn die aus einer Laufzeitverlängerung ohne weiteres Zutun der Kraftwerksbetreiber resultierenden „windfall profits“ müssten nicht nur zur Hälfte, sondern so weit wie möglich abgeschöpft werden. Manuel Frondel, Umweltökonom am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen, hat zu diesem Zweck eine Atomstromauktion vorgeschlagen. Terawattstunde für Terrawattstunde würde der Staat dabei die Erzeugungsrechte für jene Strommenge versteigern, die der zuvor politisch beschlossenen Laufzeitverlängerung entspricht. Dank Erkenntnissen der 2007 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichneten „Mechanism Design Theory“ können die Spielregeln dieser Auktion vorab so festgelegt werden, dass sie einerseits das Stromkontingent weitgehend ausschöpft und dabei andererseits die Einnahmen der öffentlichen Hand maximiert werden. Mit der letzten großen Auktion von Nutzungsrechten hat der Staat ein sehr gutes Geschäft gemacht. „UMTS steht für ‚Unerwartete Mehreinnahme zur Tilgung der Staatsschulden‘“, stellte der damalige Finanzminister Hans Eichel im August 2000 beglückt fest, als die Versteigerung der Lizenzen für das „Universal Mobile Telecommunications System“ nach knapp drei Wochen abgeschlossen war. Ein Erlös von 50,8 Milliarden Euro wurde im Bieterwettbewerb der Telefonkonzerne erzielt; die Einnahmen dienten dem Abbau der Staatsverschuldung. Es spricht viel dafür, dass eine Atomstromauktion ebenfalls zu Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe führen kann. Und die hohe Verschuldung der öffentlichen Haushalte legt nahe, die Gelder auf die gleiche Weise wie nach der erfolgreichen UMTS-Versteigerung zu verwenden.

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