Gasumlage für Betriebe - Mittelstandschefin der Union warnt: „Dann geht der Ofen aus“

Die geplante Gasumlage belastet nicht nur Privathaushalte. Auch Unternehmen müssen ab Oktober den Aufschlag auf den Gaspreis zahlen. Warum das für einige Betriebe existenzbedrohend ist, erklärt die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Gitta Connemann. Die CDU-Politikerin fordert die Ampelkoalition auf, die Energiesteuern zu senken, um Bürger und Wirtschaft zu entlasten und die Inflation zu bremsen.

Kein Konzept für Entlastung: Gasflamme im Backofen einer Handwerksbäckerei / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Gitta Connemann ist Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), dem Wirtschaftsverband von CDU und CSU, sowie Mitglied des Bundestags.
 
Frau Connemann, Gasverbraucher sollen bald eine Umlage zahlen, um die gestiegenen Beschaffungskosten der Gasimporteure auszugleichen. Das trifft nicht nur Privathaushalte, sondern auch Betriebe. Welche Folgen hat das für die mittelständische Wirtschaft?

Die Gasumlage kann der berühmte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Sie gefährdet die Existenz der Betriebe, denen schon heute das Wasser bis zum Hals steht. Wenn diese Umlage ohne zeitgleiche Entlastungsmaßnahmen kommt, geht vielerorts der Ofen aus – und das im wahrsten Sinne des Wortes, wenn ich etwa an das Bäckerhandwerk denke. Die meisten backen mit Gas und wissen jetzt schon nicht mehr, wie sie die explodierenden Rohstoff- und Energiepreise stemmen sollen. Jetzt macht die Bundesregierung den Gasverbrauch noch teurer und hat kein Konzept, wie mittelständischen Unternehmen entlastet werden sollen.

Die Umlage soll 2,4 Cent pro Kilowattstunde betragen. Das wären beim Durchschnittsverbrauch einer vierköpfigen Familie knapp 500 Euro im Jahr. Wieviel stärker trifft es Betriebe?

Da reden wir natürlich über ganz andere Größenordnungen. In meinem Wahlkreis gibt es viele Gartenbaubetriebe. Wenn Sie im Supermarkt eine Salatgurke oder ein Töpfchen Basilikum kaufen, kann es gut sein, dass diese aus Papenburg kommen. Viele Gewächshäuser werden inzwischen mit Erdgas beheizt. Die energieeffiziente Umstellung auf Gas wurde in den letzten Jahren aus Klimaschutzgründen staatlich gefördert.

Einer dieser Gärtner hat neulich öffentlich vorgerechnet, was ihn die Gasumlage kosten würde. Er kam auf 600.000 Euro im Jahr. Damals war noch von 5 Cent Gasumlage die Rede, jetzt ist es erst einmal „nur“ die Hälfte, also rechnet dieser Betrieb nun mit Mehrkosten von etwa 300.000 Euro. Aber diese Zusatzbelastung ist immer noch enorm. Jeden Tag führe ich Gespräche mit Mittelständlern, die mir sagen, dass sie nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll. Es herrscht Verzweiflung.
 
Die Kosten der Gasimporteure, die russisches Gas kurzfristig ersetzen müssen, sind enorm hoch. Auch diese Unternehmen sind in ihrer Existenz bedroht und sollen durch die Umlage gerettet werden, weil sonst die Gasversorgung zusammenbricht.

Gitta Connemann

Natürlich müssen Gasimporteure liquide bleiben. Im Notfall muss die Politik reagieren. Aber das derzeitige Verfahren ist völlig intransparent und setzt marktwirtschaftliche Mechanismen außer Kraft. Noch immer ist unklar, auf welcher Kalkulationsgrundlage die 2,419 Cent pro Kilowattstunde beruhen. Unbekannt ist auch, welche Unternehmen damit unterstützt werden sollen. Bisher hat lediglich Uniper öffentlich Ansprüche aus der Gasumlage angemeldet. Konzerne wie RWE werden dagegen darauf verzichten.

Offizielle Begründung für die Gasumlage ist die Rettung von Gasimporteuren. Ihre Mehrkosten sollen nahezu ungebremst auf Bürger und Betriebe umgelegt werden. Einige der Anspruchsberechtigten erklären nun aber, diese Hilfe gar nicht zu benötigen. Die Bundesregierung muss offenlegen, wie diese Mehreinnahmen verteilt werden sollen.

Die Alternative zur Gasumlage wäre gewesen, den Gasversorgern nachträgliche Preiserhöhungen bei bestehenden Lieferverträgen zu erlauben. Je nach Versorger wären die Kunden ganz unterschiedlich betroffen. Ist die Umlage nicht die gerechtere Lösung?

 Bei der nachträglichen Preisanpassung wäre zumindest transparent, um welche Unternehmen es geht. Und es wäre die marktwirtschaftlichere Lösung. Aber das Grundproblem bleibt: Wir müssen Bürger und Unternehmen entlasten.

Neben Existenzfragen für einzelne Betriebe geht es auch um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland. In anderen Mitgliedstaaten werden Entlastungspakete für die Wirtschaft geschnürt. Hier werden Abermillionen Betriebe und ihre Mitarbeiter geschröpft und dann vergessen.

Wie soll diese Entlastung aussehen? Was schlagen Sie vor?

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert eine sofortige Senkung der Energiesteuern auf Erdgas, Strom, Heizöl und Flüssiggas. Allein bei Strom sind die Belastungen in Deutschland durch die Stromsteuer für Unternehmen 40-mal so hoch, wie diese laut EU-Vorgabe sein müssten, bei privaten Haushalten 20-mal so hoch.

Die Ampelkoalition muss die Energiesteuern auf das europäische Mindestmaß senken. Das wirkt unmittelbar entlastend und dämpft auch die Inflation. Denn Energiepreise sind deren Haupttreiber und schlagen mittelbar auf nahezu alle anderen Preise durch. Die Energiesteuer abzusenken, hätte also auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen.

 

 

 

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Die vergleichsweise hohen Energiesteuern in Deutschland sind das Ergebnis einer ökologisch ausgerichteten Politik, die den Energieverbrauch verteuern will, um zum Energiesparen anzuregen. Ist diese Idee gescheitert?

Es kommt immer auf die konkrete Situation an. Wenn der Basispreis, auf den die Steuer draufgeschlagen wird, so hoch ist wie jetzt, dann ist dies Anreiz genug, Energie zu sparen. Die Unternehmen tun, was sie können. In einer solchen Situation darf der Staat Energie nicht noch zusätzlich verteuern. Das ist brandgefährlich.

Leider ist Energiepolitik bei uns in Deutschland sehr ideologisch geprägt. Ich vermisse hier Pragmatismus und Realitätssinn. Andere europäische Länder haben ihre Energiesteuern längst gesenkt. Dass das bei uns nicht geschieht, ist unverantwortlich und gefährdet die Grundlagen unseres Wohlstands.

Das Gespräch führte Daniel Gräber.
 

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