Friedrich Merz - „Wir brauchen endlich eine China-Strategie“

Schonungslos deckt die Coronakrise auf, wie abhängig Deutschland und Europa von den USA und China sind, sagt Friedrich Merz im „Cicero“-Interview. Der Kandidat für den CDU-Vorsitz fordert, die EU müsse endlich aufwachen und handeln.

Friedrich Merz: „Strategisch geht es um die Frage, wo Europa im Jahr 2030 stehen will.“ / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Herr Merz, leiden Sie darunter, dass Sie derzeit kein politisches Mandat haben?
Friedrich Merz: Ich leide wie fast alle Menschen unter den Einschränkungen durch Corona und hoffe, dass wir diese Zeit möglichst bald hinter uns lassen können. Aber ich beschwere mich nicht, denn ich weiß, dass es vielen sehr viel schlechter geht als mir.

Es muss für einen politischen Menschen wie Sie, zumal für einen überzeugten Marktwirtschaftler, doch nahezu eine Strafe sein, den politischen Kampf gegen die Auswirkungen der Corona-Krise nur von der Seitenlinie aus verfolgen zu können.
In der Krise schlägt nun einmal die Stunde der Exekutive. Da ist es ganz normal, dass andere Themen und andere Personen in den Hintergrund treten. Ich finde, dass die Bundesregierung mit den Maßnahmen, die sie ergriffen hat, ihre Sache ordentlich macht. Und deshalb verdient sie Unterstützung.
 

Allein das jüngste Konjunkturpaket der Bundesregierung schlägt mit mindestens 130 Milliarden Euro im Bundeshaushalt zu Buche. Wird da nicht nach dem Prinzip Gießkanne verfahren?
Zumindest wird extrem viel Geld ausgegeben, und wir befinden uns ja auch in einer ganz außergewöhnlichen Situation. Wir können dankbar sein, dass die beiden Finanzminister Wolfgang Schäuble und Olaf Scholz nicht den Ratschlägen mancher Ökonomen gefolgt sind und bereits vor der Krise das Geld mit vollen Händen ausgegeben haben. Die Tatsache, dass Deutschland im Augenblick sehr viel leisten kann, übrigens auch in der Europäischen Union, ist genau diesem Umstand und dieser Politik geschuldet, die fälschlicherweise immer als „Austeritätspolitik“ herabgewürdigt wurde. Dennoch muss man bei den bereitgestellten Summen schon die Frage stellen, wie sich das langfristig auf den Bundeshaushalt auswirkt. Ich sehe mit einem gewissen Unbehagen, dass die Bundesländer zwar viele Forderungen stellen, aber 90 Prozent der Kosten des gesamten Pakets vom Bundeshaushalt gezahlt werden sollen. Es ist nicht alles möglich – das sollten wir in einer Zeit der Krise, in der ohne Zweifel viel Geld ausgegeben werden muss, nicht ganz vergessen.
 

Das Prinzip der schwäbischen Hausfrau hat jedenfalls vorerst ausgedient.
Wir brauchen jetzt eine Truppe guter Handwerker, die das Schiff wieder fahrtüchtig machen. Und ich wünsche mir vom Bundesfinanzminister zuweilen den Hinweis, dass der Bundeshaushalt auch nach der Krise leistungsfähig bleiben muss. Die Ausgaben von heute sind eben die Steuern von morgen – und damit eine Belastung für die nächste Generation.

Kann das Corona-Maßnahmenpaket ohne Steuererhöhungen überhaupt gestemmt werden? Wir erleben jetzt zwar temporäre Mehrwertsteuersenkungen, aber auf Dauer muss das doch alles gegenfinanziert werden.
Wir haben nach der Finanzkrise 2008/2009 – die in ihrer Dimension allerdings viel kleiner war – gezeigt, dass man innerhalb eines recht kurzen Zeitraums wieder aus der Krise herauswachsen kann, und dass mit entsprechendem Wachstum die Steuereinnahmen wieder stark ansteigen. Steuererhöhungen wären jetzt auch psychologisch ein falsches Signal. Wir würden allein mit der Diskussion darüber denjenigen vors Knie treten, deren besondere Leistungskraft wir in den kommenden Wochen und Monaten dringend brauchen.

Das Konjunkturpaket, der „große Wumms“, wie der Finanzminister es genannt hat, enthält zwar Kaufprämien für Autos, aber nur für solche mit Hybrid- und Elektroantrieb. Ist das aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Förderung von Zukunftstechnologie, oder werden den Menschen lediglich Fahrzeuge schmackhaft gemacht, die sie unter normalen Umständen überhaupt nicht kaufen würden?
Aktuell sind gerade einmal 5 Prozent aller gekauften Autos mit Hybrid- oder Elektroantrieb ausgerüstet, alle anderen fahren noch mit konventioneller Technologie. Einer Technologie übrigens, die zu den modernsten der Welt gehört. Die deutsche Diesel-Technologie hat Zukunft und wird auch in 30 Jahren noch auf der Welt gebraucht – wahrscheinlich weniger in PKWs, wohl aber noch lange in LKWs und Schiffsmotoren. Beim Konjunkturpaket ging es darum, das Geld dort zu investieren, wo Innovationssprünge notwendig und auch möglich sind. Ich habe noch nie viel von Kaufprämien gehalten, denn sie lösen meistens Mitnahmeeffekte mit wenig nachhaltiger Wirkung aus. Ich habe mich stattdessen immer dafür eingesetzt, Forschung und Entwicklung steuerlich zu fördern, denn wir müssen die Krise unbedingt nutzen, um überall besser zu werden. Dabei sollten wir den Ingenieuren und Technikern die Definition überlassen, was zukunftsfähige Technologien sind. Der Staat darf sich kein Wissen anmaßen, das er im Hinblick auf neue Technologien einfach nicht haben kann.

Aber genau das tut er doch mit diesem Konjunkturpaket.
Sagen wir mal so: Es wurden einige Branchen, Industrien und Technologien identifiziert, von denen aber längst klar ist, dass sie zukunftsfähig sind. Denken Sie an künstliche Intelligenz, an digitale Infrastruktur – es besteht Konsens darüber, dass wir in diesen Bereichen mehr tun müssen.

Würden Sie selbst wegen der Prämie jetzt ein Elektroauto kaufen?
Ich würde es mir – unabhängig von der Prämie – dann kaufen, wenn ich nur in meiner engeren Umgebung unterwegs wäre. Aber aufgrund der zum Teil langen Strecken, die ich zurücklege, wäre ein Elektroauto für mich derzeit ungeeignet.

Womöglich würden Sie sich in diesem Fall ja einen Tesla zulegen. Warum soll eigentlich aus dem Bundeshaushalt der Kauf amerikanischer E-Autos subventioniert werden?
Diese Frage müssen wir uns nicht nur bei Automobiltechnologien stellen, sondern auch bei der digitalen Infrastruktur und bei der Tracing-App, die leider nicht länderübergreifend in Europa realisiert werden wird. Wir haben technologisch sehr hohe Abhängigkeiten, sowohl von Amerika als auch von China. Europa muss die Zeit der Krise nutzen, um auch technologisch aufzurüsten und dafür zu sorgen, dass wir ein Stück Unabhängigkeit zurückgewinnen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist genau auf diesen Punkt eingegangen. Sie hat ein Maßnahmenpaket im Umfang von 750 Milliarden Euro gefordert, um damit auch Zukunftstechnologien zu fördern. Gleichzeitig will sie aber erreichen, dass die Kommission eigene Schulden aufnehmen und auch eigene Steuern erheben darf. Dient da Corona als Vorwand, um aus der Europäischen Union einen Quasi-Bundesstaat zu machen, dem es an einer entsprechenden Legitimationsgrundlage mangelt?
Wenn das so wäre, hätten Sie mit Ihrer Frage recht. Aber genau das ist ja die Diskussion, die sich an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai entzündet hat. Die Frage ist: Besitzt die Europäische Union immer mehr Eigenstaatlichkeit? Meine Antwort als überzeugter Europäer darauf ist klar und deutlich: Nein, das ist nicht der Fall. Denn dies würde eine grundlegende Änderung der europäischen Verträge erfordern. Bei den gegebenen vertraglichen Grundlagen bleibt das Schuldenaufnahmeverbot für die Europäische Union als Ganzes bestehen – ebenso wie die No-Bailout-Klausel, die es verbietet, die Schulden anderer Mitgliedstaaten zu übernehmen. Wenn die Gemeinschaft der Mitgliedstaaten sich jetzt entscheidet, an den Kapitalmarkt zu gehen und der Europäischen Union insgesamt 750 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, dann ist das eine schmale Gratwanderung entlang der Rechtsgrundlagen der EU-Verträge, aber es könnte gehen.

Aber von irgendwoher muss das Geld schon kommen, wenn von der Leyens Pläne umgesetzt werden sollen.
Das stimmt. Deshalb sollten wir in der jetzigen Situation über das eine Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinausgehen, das die Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Finanzierungsmittel zur Verfügung stellen. Wir erwarten von Europa die Lösung großer Probleme, stellen der EU dafür aber nur ein relativ kleines Budget zur Verfügung. Da muss die Balance stimmen. Theo Waigel hat kürzlich darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten der EU beispielsweise die Einnahmen aus einer CO2-Steuer zuweisen könnten.
Das heißt aber nicht, dass die Europäische Union ein eigenes Steuererhebungsrecht erhält.

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-­Krise sind ja noch gar nicht überschaubar, insbesondere in Ländern wie Italien, Spanien oder Frankreich. Sind die Folgen der Pandemie überhaupt zu bewältigen ohne eine Vergemeinschaftung der Altschulden, wie sie inzwischen sogar von eher konservativen Ökonomen vorgeschlagen wird?
Ich habe da eine klare Meinung – wie auch bei den Altschulden der Kommunen in Deutschland. Die Übernahme von alten Schulden löst kein einziges Problem der Gegenwart und schafft keine Perspektive für die Zukunft. Wir müssen unterscheiden zwischen den Herausforderungen, die durch die Pandemie entstanden sind – in Deutschland im Verhältnis zu den Ländern und Kommunen, in Europa im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten. Wir müssen jetzt das tun, was wir schon vor der Krise hätten tun müssen: Europa zu einem dynamisch wachsenden, wissensbasierten Wirtschaftsraum machen, indem wir die verfügbaren Mittel für Innovationen und Zukunftsinvestitionen ausgeben.

Die Corona-Krise hat die strukturellen Schwächen des Wirtschaftsstandorts Deutschland schonungslos offengelegt, von der Automobilindustrie bis zur digitalen Infrastruktur. Ist uns im Laufe der Jahre das Bewusstsein dafür verloren gegangen, dass der Wohlstand immer neu erarbeitet werden muss?
In Teilen unserer Gesellschaft ist das wahrscheinlich so. Laut einer neueren Studie der Bertelsmann-Stiftung haben wir in den letzten zehn Jahren in erheblichem Ausmaß Kompetenzen in Schlüsseltechnologien verloren und Plätze unter den besten drei der Welt eingebüßt. Aber das sehe ich auch als die Chance für die Zeit nach der Krise: Jetzt geht es darum, die Ärmel hochzukrempeln und dafür zu sorgen, dass solche Probleme angepackt werden.

Es gibt ja durchaus Ökonomen, die da einen Zusammenhang zum Euro sehen. Im Sinne von: Wenn wir nicht eine unterbewertete Währung hätten, wäre der Innovationsdruck auf die deutsche Wirtschaft viel größer gewesen – und Deutschland damit als Industriestandort insgesamt moderner.
Da ist sicher etwas dran. Der unterbewertete Euro hat uns in eine gewisse Bequemlichkeitsfalle hineinlaufen lassen. Unser Export ist auch deshalb so stark, weil die Währungsrelationen für uns so günstig sind. Der jahrzehntelange Innovationsdruck durch permanente Abwertung anderer Währungen gegenüber der D-Mark ist mit der Einführung des Euro plötzlich weggefallen.

Und wie lässt sich dieses Problem lösen, ohne gleichzeitig den Euro abzuschaffen?
Durch notwendige wirtschaftspolitische Anstrengungen. Die Beistandsklausel des Vertrags, die jetzt als Rechtsgrundlage für die Hilfspakete herangezogen wird, steht in einem Abschnitt des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der mit „Die Wirtschaftspolitik“ überschrieben ist. Europa muss jetzt das zur Verfügung gestellte Geld dazu nutzen, europäische Wirtschaftspolitik zu machen. Strategisch geht es um die Frage, wo Europa im Jahr 2030 stehen will.

Im Zuge der Corona-Krise ist aber eher davon die Rede, dass die Globalisierung zurückgedreht werden müsse. Halten Sie Renationalisierung der internationalen Wertschöpfungsketten für plausibel – gerade für eine Exportnation wie Deutschland?
Zwei Grundannahmen sollten wir nicht infrage stellen. Erstens: Die Lösung der Probleme ist nur mit sozialer Marktwirtschaft möglich und nicht mit Staatswirtschaft. Zweitens: Das Interesse unseres Landes und unserer Volkswirtschaft ist und bleibt darauf ausgerichtet, offene Märkte in der Welt vorzufinden. Das gilt nicht nur für den europäischen Binnenmarkt, sondern auch für Märkte außerhalb Europas. Aber wir müssen tatsächlich von einer gewissen Relokalisierung der Wertschöpfungsketten ausgehen, und das ist in manchen Fällen auch richtig. Wenn wir noch nicht einmal in der Lage sind, ausreichend Atemschutzmasken vorzuhalten oder schnell zu produzieren, dann sind wir eben doch zu abhängig geworden von anderen Wirtschaftsräumen. Und das betrifft nicht nur sogenannte Billiglohnländer; wir sind auch von amerikanischen Hightech-Unternehmen und von chinesischen Zulieferern zu abhängig geworden. Wenn diese Entwicklung der Globalisierung überprüft wird mit dem Ziel, in Europa ein gewisses Maß an Autonomie im Hinblick auf unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zurückzugewinnen, dann ist diese Entwicklung aus meiner Sicht nur gut.

Gerade China ist offenbar gewillt, die Folgen der weltweiten Corona-Epidemie zum eigenen Vorteil zu nutzen, obwohl die Pandemie dort ihren Ausgang genommen hat. Braucht Deutschland, braucht Europa eine klare China-Strategie?
China hat eine Europa-Strategie, und China hat auch eine Afrika-Strategie. Europa hingegen bemüht sich seit vielen Jahren intensiv, bisher leider ohne Erfolg, seinerseits eine China-Strategie zu entwickeln. Dazu ein Beispiel: Die Seidenstraßen-Initiative ist zwar ein ökonomisch hochinteressantes Vorhaben, in Wahrheit aber ein politisch imperiales Projekt der Volksrepublik China und ihrer Staatsführung. An diesem Projekt und seiner Umsetzung arbeiten 16 europäische Länder und China, aber von  diesen europäischen Ländern sind nur zwölf Mitglied der EU. Das bedeutet: 15 EU-Staaten sind überhaupt nicht dabei. Offensichtlich gibt es in Europa völlig gegensätzliche Vorstellungen sowohl über die politische Qualität des Seidenstraßen-Projekts als auch über die Notwendigkeit einer eigenen Strategie. Deshalb bedauere ich die Absage des EU-China-Gipfels im September sehr, so verständlich dies angesichts der Lage auch ist. Die Corona-Krise darf trotzdem nicht dazu führen, dass wir die Entwicklung einer China-Strategie auf die lange Bank schieben. Im Gegenteil: Das ist durch Corona nur noch dringlicher geworden.

Sie streben ja bekanntlich den Vorsitz der CDU an, und viele Ihrer Unterstützer erhoffen sich von Ihnen ein stärkeres wirtschaftspolitisches Profil für die Partei. Hat die CDU eine marktwirtschaftliche Frischzellenkur nötig?
In einigen Bereichen gibt es Spielraum nach oben, um das Profil der Union wieder zu schärfen. Es ist ganz normal, dass in einer so langen Regierungszeit eher die Pragmatik des Regierens im Vordergrund steht und weniger die Stärkung des eigenen Profils. Wir gehen aber auf eine Bundestagswahl im nächsten Jahr zu, in der erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik der amtierende Kanzler nicht zur Wiederwahl ansteht. Daraus ergeben sich vielfältige neue Aufgaben. Für mich gehören zwei Themen dazu, die eng miteinander verbunden sind: Wir müssen die ökologische Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft anpacken und daraus einen Pakt für die junge Generation schmieden. Es braucht einen neuen Generationenvertrag, der regelt, wie wir mit den begrenzten Ressourcen der Umwelt, der Finanzen und der Wirtschaft so umgehen, dass nachfolgende Generationen auch eine Chance haben, weiterhin in Frieden, Freiheit, Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit zu leben. Und wir müssen den technologischen Wandel gestalten. Wir leben ja in einer Zeit sehr großer technologischer Möglichkeiten. Aber diese Möglichkeiten sind weitgehend definiert durch chinesische Hardware und amerikanische Software, um es etwas salopp zu sagen. Das kann nicht so bleiben, wir müssen die Chance zur Veränderung jetzt nutzen. Die CDU sollte dabei an der Spitze des technologischen Fortschritts stehen und gleichzeitig die Partei sein, die zeigt, dass Umwelt und Wirtschaft vereinbar sind.

Und das hat die CDU bisher versäumt? Es vergeht doch kein Tag, an dem etwa Ihr Parteifreund, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, nicht genau so redet wie Sie!
Natürlich. Aber ich denke, die Corona-­Krise war noch mal ein deutlicher Weckruf für uns alle. In den letzten drei Monaten haben sich die Stärken, aber auch die Schwächen unseres Landes, etwa bei der Digitalisierung, deutlich gezeigt. Auch in Europa wurden Defizite sichtbar, um die wir uns kümmern müssen. Und in der Ratspräsidentschaft ab Juli hat die Bundesregierung jetzt die Chance, einige dieser wichtigen Zukunftsthemen gemeinsam mit unseren europäischen Partnern ein gutes Stück voranzubringen.

Vor der Corona-Krise war Ihre Partei erkennbar gespalten – Stichwort Werte-­Union gegen Merkel-Anhänger. Werden die Grabenkämpfe wieder aufflammen, wenn die Pandemie überwunden ist?
Wir werden wohl mit der Krise noch eine ganze Weile leben müssen; sie wird uns über den Parteitag im Dezember und vermutlich sogar über die Bundestagswahl 2021 hinaus begleiten. Ich bin aber sicher, dass die Gräben in der Union gar nicht so tief sind, wenn wir uns gemeinsam um vernünftige Kompromisse bei Themen wie Innenpolitik, Rechtspolitik, Umweltpolitik, Einwanderungspolitik, Wirtschafts- und Sozialpolitik bemühen. Die CDU hat ihre Fähigkeit, die integrierende Volkspartei der Mitte zu sein, auch in schwierigen Zeiten immer wieder unter Beweis gestellt. Die derzeitigen Umfrageergebnisse nehme ich nicht als Garantie; sie zeigen aber, welches Potenzial in der Bevölkerung für uns vorhanden ist. Das schöpfen wir nur aus, wenn die Partei zusammenhält und – bei allen Unterschieden – doch einen gemeinsamen Nenner gegenüber den Wählerinnen und Wählern vertritt.

Hat die Corona-Krise Ihre Chancen auf den Parteivorsitz geschmälert?
Wenn ich mir aktuelle Umfragen ansehe, ist das offenkundig nicht der Fall. Ich habe immer noch höhere Zustimmungswerte als alle meine Mitbewerber zusammen. Aber mich hat die Krise auch Demut und Respekt gelehrt. Die materiellen Dinge und vor allem die ideellen Werte, die wir haben, sind eben nicht selbstverständlich. Wir haben in diesem Land in den letzten 70 Jahren viel aufgebaut, und wenn wir weiterhin Freiheit, Frieden, wirtschaftliche Prosperität und ein gutes Zusammenleben der Menschen wollen, dann müssen wir mehr dafür tun. Und das treibt mich wirklich an.

Wie heißt der nächste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland?
Der nächste Bundesvorsitzende der CDU Deutschlands heißt, wenn es nach mir geht: Friedrich Merz.

Und damit auch der nächste Bundeskanzler?
Alle weiteren Schritte ergeben sich dann in enger Abstimmung mit der CSU.

 

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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