
- Zerreißprobe für die letzte Volkspartei
Die CDU sucht weit mehr als nur einen neuen Vorsitzenden. Vor allem ist sie auf der Suche nach einer Perspektive, um Volkspartei zu bleiben. Doch die Zeichen dafür stehen schlecht.
Ein Donnerstagabend Ende Februar, der Berliner Bundestagsabgeordnete Klaus-Dieter Gröhler hat in sein Wahlkreisbüro geladen. Der 53 Jahre alte CDU-Mann vertritt den westlich-bürgerlichen Stadtteil Charlottenburg-Wilmersdorf im deutschen Parlament, das Publikum ist entsprechend: gut gekleidete Ehepaare in vorgerücktem Alter, einige gepflegte Herren jenseits der 60, kaum junge Leute. Die Stimmung ist locker, es werden Häppchen und Wein gereicht, viele Besucher kennen einander. Stargast des Abends ist der ehemalige Deutsche-Welle-Intendant Dieter Weirich, der vor Kurzem eine Biografie über Alfred Dregger veröffentlicht hat. Weirich diente während der siebziger Jahre als Dreggers Referent; sein Chef war damals als konservativer Hardliner der hessischen CDU bekannt. Viele ältere CDU-Mitglieder verehren ihn bis heute.
Weirich, inzwischen selbst Mitte 70, erzählt von alten Zeiten und davon, dass Alfred Dregger entgegen seinem Ruf als Vertreter des „Stahlhelmflügels“ der CDU in vielerlei Hinsicht tatsächlich ein weltoffener Reformer gewesen sei. Das Publikum hängt an seinen Lippen; später gesellt sich noch Burkard Dregger zu der Runde: Alfred Dreggers Sohn, 55, und seit knapp zwei Jahren Fraktionsvorsitzender der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus. Dieter Weirich erinnert daran, wie Dregger senior einst mit konservativer Verve die darniederliegende Hessen-CDU aus dem Tal der Tränen geholt habe; Dregger junior wiederum lobt die Führungsqualitäten seines Vaters: „Er war teamfähig, solange klar war, dass er der Chef ist.“ Alfred Dregger selbst ist zwar seit fast 20 Jahren tot, aber die vielen Gäste in Klaus-Dieter Gröhlers Wahlkreisbüro mit dem goldgerahmten Angela-Merkel-Bild an der Wand schwelgen immer noch von damals.