
- Gewalt ist geil
Mit drastischen Gewaltdarstellungen bricht die südkoreanische Netflix-Serie „Squid Game“ gerade sämtliche Abrufrekorde. Liegt der Hype um die Kapitalismus-Parabel in ihrer Sozialkritik begründet oder ist es stumpfer Voyeurismus, der mehr als 100 Millionen Zuschauer vor die Bildschirme lockt?
Zwei Fälle mit ein paar Parallelen reichen schon aus, damit ein neues Phänomen gewittert wird. So auch in diesem Fall zweier erfolgreicher Kapitalismuskritiken aus Südkorea. Fall eins: Vor zwei Jahren gelang dem südkoreanischen Regisseur Bong Joon-ho mit seiner Sozialsatire „Parasite“ ein Kritiker- und Publikumserfolg. Der Film gewann vier Oscars und spielte bis März mehr als 250 Millionen Dollar weltweit ein, davon rund 70 Millionen in den USA – was für einen fremdsprachigen Film in den Vereinigten Staaten bemerkenswert ist.
Der Film handelt von einem Jungen aus armer Familie, der einen Job als Privatlehrer bei einer reichen Familie bekommt. Mit einigen Tricks gelingt es ihm, seiner Familie ebenfalls Jobs in der Villa seiner neuen Arbeitgeber zu verschaffen. Konventionellere Filme moralisieren und individualisieren gerne soziale Schieflagen, indem sie „gierige Millionäre“ anprangern und daran appellieren, dass wir alle einfach bessere Menschen sein müssen. Bong Joon-hos Kapitalismuskritik ist systemisch. Die arme Familie ist roh und ungehobelt, die reiche freundlich. In einer Szene heißt es sinngemäß: „Wie kann jemand, der so reich ist, so freundlich sein?“ Die Antwortet lautet: „Diese Leute sind so freundlich, gerade weil sie reich sind.“ Ganz im Sinne Brechts: „Wir wären gut – anstatt so roh, doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.“