
- Rassenideologie aus Stein
Wie soll man mit den Überresten monumentaler Nazibauten umgehen - etwa dem Nürnberger Parteitagsgelände oder dem Münchner Haus der Kunst? Eine originalgetreue Rekonstruktion zeugt von Geschichtsvergessenheit. Aber ebenso der Versuch, die architektonischen Zeugen zu „entnazifizieren“.
Geschichtsvergessenheit ist eine Dauerseuche. Kommen Nostalgie und Vergangenheitsverklärung hinzu, ist es bis zur abenteuerlichen Einbildung nie gewesener Fantasiewelten von vermeintlich guten alten Zeiten nicht mehr weit.
Als das Institut für Zeitgeschichte 2016 Hitlers „Mein Kampf“ in einer wissenschaftlich kommentierten Edition veröffentlichte, sah jeder Interessierte: Hier liegt ein historischer Text aus den zwanziger Jahren vor, dessen jahrzehntealten Wurzeln und lang andauernden Wirkungen nun mit einer Fülle forschungsfester Informationen zugänglich sind. Niemand muss sich beim Lesen auf seine private Intuition verlassen, jeder kann zugleich selbst abrufen und prüfen, was Historiker über die Jahrzehnte an Wissen zusammengetragen haben.
Wer fordern würde, man solle doch bitte schlicht das Hitler-Original der Jahre 1925/1926 nachdrucken, damit Leser aus der unmittelbaren Lektüre ihre eigenen Gedanken entwickeln könnten, käme wohl mit etwas Nachdenken selbst zur Einsicht: Wie sollen einzelne Leser intuitiv Zigtausende Informationen eines hundert Jahre alten Textes aufbereiten und einordnen, für die selbst ein Forscherteam mehrere Jahre benötigt? Wissen, das kann eigentlich jeder verstehen, fällt nicht vom Himmel. Es ist das Ergebnis ausdauernder Recherchen und intensiver, oft kontroverser Diskussionen. Damit gewinnt man einen prüfbaren Fundus, und den gilt es ernst zu nehmen.