Literaturen im Dezember - Kunst, Klimakatastrophe, Klitschko

Florian Illies porträtiert Caspar David Friedrich, Michael Miersch erklärt seinen erwachsenen Kindern die Welt, Wladimir Klitschko dokumentiert das Leid zwangsadoptierter Kinder, und Jan Wagners Lyrik feiert das Diesseits.

Literaturen im Dezember / picture alliance
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Urknall der Romantik

Mit Caspar David Friedrich hat Florian Illies einen großen Unzeitgemäßen der Kunstgeschichte porträtiert – ein Künstler, der seiner damaligen Zeit um Längen voraus war.

Üblicherweise sind Künstler die Augenmenschen ihrer Epoche; durch ihre Werke schärfen sie ihren Zeitgenossen den Blick auf die vorliegende Welt, wie diese, zu eben ihrer je eigenen Zeit, der Fall zu sein scheint. Künstler, die erst lange nach dem Tod ihre Laufbahn antreten, gehören zu den Ausnahmen der Kunstgeschichte.

Zu jenen großen Unzeitgemäßen gehört Caspar David Friedrich, der Maler, der erst ein Menschenalter nach seinem Tod Anerkennung erfuhr. Diesem Sachverhalt hat Florian Illies sein Buch gewidmet. Um das kunstvolle Gedankenknäuel des Autors zu entwirren, sei das Buch vom Ende her aufgedröselt. Gleichsam als Schlusswort ist der glücklose Maler zitiert: Friedrich habe geahnt, dass er seiner Zeit voraus war: „Ich spinne mich in meine Puppe und überlasse es der Zeit, was aus dem Gespinst herauskommen wird, ob ein bunter Schmetterling oder eine Made.“ So ist denn auch der Untertitel des Buches zu verstehen: „Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten“. Akribisch beobachtet Illies die Lebensarbeit des verkannten Künstlers und beschreibt, wie dieser den Weg von der verkannten Puppe zum Schmetterling einschlägt, deren Flügelschlag einen „Zauber der Stille“ auslöst, so der Titel des Buches.

Künstlern ist die Deutungsmacht ihrer Werke entzogen. Sie werden überschrieben von den Blicken, Ansichten und Meinungen der Nachwelt, die feiernd, gnädig, aber auch unbarmherzig aburteilend oder gar achtlos ausfallen können. So setzt Illies Friedrichs Hauptwerke der Rezeptionsgeschichte aus. Der historisch beschlagene Kunstbeobachter stellt klar, dass Bilder kein stehendes Jetzt darstellen, die einen Augenblick festhalten, untrüglich, für immer; ihr Aufscheinen hängt von der Gnade der Blickenden ab, deren Gunst oder Missfallen setzt die Kunstwerke gleichsam kinematografisch in Bewegung.

Der kaleidoskopische Blick auf die Zeit ist Illies’ methodischer Kunstgriff, den er schon in seinem Buch „1913“ meisterhaft in Szene setzt: Anekdotische Begegnungen von Menschen, die Neuerscheinung eines Buches, Reisen rastloser Künstler werden vom Autor in zwölf Kapiteln abgefüllt, zwölf Weckgläsern, beschriftet mit den Monatsnamen jenes Jahres, von dem die Lesenden stets im Hinterkopf haben, dass all diese banalen Zufälle sich historisch am Vorabend zum Ersten Weltkrieg ereigneten.

Die weltgeschichtliche Fatalität der Zufälle schlägt auch im „Zauber der Stille“ ein. Von Friedrich gibt es zwei Versionen eines Gemäldes: „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ und „Moonwatchers“, das heute im Metropolitan Museum of Art zu finden ist. Hier war 2001 die spektakuläre Zusammenführung der beiden Werke geplant. Die Vernissage am Abend des 11. September musste verschoben werden, da sich an jenem Morgen um neun Uhr in Lower Manhattan Nine Eleven ereignet hatte.

Doch nicht alles Geschaffene von Friedrich wurde verkannt. Sein spätes Berühmtsein hatte sich von langer Hand angebahnt, gleichsam als Schwalbe am Himmel, die einem längst überfälligen Triumph vorausflog: So ist der „Mönch am Meer“ für Illies der „Urknall der Romantik“. Sie, die Sie diese Buchbesprechung lesen, kennen es bestimmt: Die dürre Mönchsfigur in schwarzer Kutte, sichtbar von ferne, halb von hinten, blickt von einer Düne auf den tintenschwarzen Meeressaum. Darüber ragt ein stahlgrauer Himmel. Nur wer ganz nahe ans Gemälde tritt, erkennt das rotblonde Barthaar der Gestalt – es muss der Maler selber sein, der Blondschopf, der sich da so verloren findet. „Gott hat ihn gelockt und dann allein gelassen – und nun verführt er uns, auf dass wir uns mit ihm in seinen abgründigen Strudel stürzen“, kommentiert der Autor. Um eine philosophische Beglaubigung seines Urteils zu erkunden, befragt Illies Peter Sloterdijk. Und der urteilt so: „Es ist das erste Bild der Auflösung des Subjekts in der Substanz.“

Zu den ersten berühmten Zeitgenossen, die den „Mönch am Meer“ kurz nach dessen Fertigstellung gesehen haben, zählt kein Geringerer als Goethe, der sich am 18. September 1810, auf dem Rückweg von seinem Kuraufenthalt in Teplitz, zu einem Besuch in Friedrichs Atelier überreden ließ. „Zu Friedrich“, schreibt er ins Tagebuch, „dessen wunderbare Landschaften. Ein Nebelkirchhof, ein offenes Meer.“ Geheuer war dem Dichterfürsten das nicht.

Der volksnahe König Friedrich Wilhelm III. kaufte den „Mönch am Meer“ auf Drängen seines schwärmerischen Sohnes, der als „Romantiker auf dem Thron“ 1848 die bürgerliche Märzrevolution von seinem Bruder niederschlagen ließ. So scheint eine konservative, reaktionäre Rezeption des Romantikers vorgezeichnet, die sich ins nächste Jahrhundert fortsetzt. Kurt Karl Eberlein, der kunsthistorische Lobredner des Nationalsozialismus, stellte 1939 zu C.D. Friedrich die rhetorische Frage: „Liebt sein Volk ihn denn schon genug?“ Natürlich verneinte Eberlein, deswegen schrieb er doch über diesen germanischstämmigen Landschaftsmaler „Ein Volksbuch deutscher Kunst“. Krönender Gedanke darin: „Alle Landschaftsbilder sind Rasseselbstbildnisse ihrer Maler.“ Und zum 100.Todestag wurde das kunsthistorische Seminar der Universität Greifswald zum „Caspar-David-Friedrich-Institut“ umgetauft. Die letzte Urenkelin des also Geehrten, die Geigerin Anneliese Friedrich, soll beleidigt gewesen sein, dass sie zum Festakt nicht eingeladen worden war.

30 Jahre nach der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht erscheint im Verlag Harper & Row eine Programmschrift im Geist des Abstrakten Expressionismus New Yorker Prägung: „Modern Painting and the Northern Romantic Tradition“. Darin zieht der jüdische Kunsthistoriker Robert Rosenblum eine Traditionslinie von Caspar David Friedrich zu Mark Rothko und Jackson Pollock. Den Buchumschlag ziert „Der Mönch am Meer“.

Kurz und gut: Illies’ Buch zur Rezeptionsgeschichte des Caspar David Friedrich führt den exemplarischen Nachweis, dass große Kunst über jegliche ideologisch fixierende Festschreibung erhaben bleibt.  Beat Wyss

Florian Illies: Zauber der Stille. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2023. 256 Seiten, 25 Euro

 

Hehle nimmer mit der Wahrheit

Michael Miersch spricht mit seinen Kindern über Kalten Krieg, Klimakatastrophe und Zukunftsangst.

Es gibt dieses Gedicht von Theodor Fontane für seine Söhne, in dem er ihnen was fürs Leben mitgibt. Er nennt die Regeln und zeigt zugleich, dass man sie brechen darf. Ein schönes Stück über Würde und innere Freiheit – und eine Verabschiedung in die Welt hinein, die sich irgendwann ohne ihn weiterdrehen wird. Seine Söhne waren damals, 1854, noch zu klein, um so was zu verstehen, doch Fontane konnte wohl davon ausgehen, dass sich die Welt mit ihren Bezügen in zehn, 20 Jahren nicht komplett verändern würde.

Das kann Michael Miersch, Jahrgang 1956, der sich in die Tradition dieser auf die Zukunft gerichteten väterlichen Liebe stellt, nicht mehr voraussetzen. Bevor er seinen erwachsenen Kindern Amelie und Moritz irgendwas für später mitgibt, muss er ihnen die Welt, seine Welt, erst mal erklären – denn die Veränderungen der zurückliegenden 50, 60 Jahre, das zeigt sein Buch, sind den Millennials kaum bewusst. Für einen, der zwischen Smartphones, Instagram und Bioläden aufwuchs, ist irgendwas Unsichtbares passiert, eine Lückenbildung zwischen jetzt und früher, das Entschwinden eines ganzen Begriffs: Vergangenheit.

Dass die sogenannte Generation Y die Geschichte offenbar nicht mehr so ganz auf der Reihe hat, wird aber hier nicht zum Vorwurf gemacht. „Einmal Freiheit und zurück. Mein schönes Leben zwischen Kaltem Krieg und Klimakatastrophe“ kommt ohne Belehrung aus, Miersch respektiert die Andersartigkeit einer neuen Generation und war offensichtlich selbst sehr gerne jung. Doch auch ein reifer Leser, und das ist einer der Gewinne des Buches, wird sich wundern, an wie wenig er sich bewusst und im Alltag noch erinnert – Waldsterben, Mauerfall, Balkankrieg, Afghanistankrieg, Flick, Krupp, Jane Fonda. Alles erst gestern und unfassbar lange her.

Aber ohne Rückschau, macht Miersch deutlich, ist der soziale Wandel kaum wahrnehmbar. Er vergleicht das mit einer Ehe, plötzlich ist sie zerrüttet, und man hat die schleichende Veränderung gar nicht wahrgenommen. Ist also unsere Gegenwart zerrüttet?

In 35 Briefen an seine Kinder führt Miersch durch verschiedene Themengebiete des Wandels – Familie, Sex, Sport, Status, Krieg et cetera –, blättert dabei faktenschnell die Geschichte der Bundesrepublik noch einmal auf und stellt fest: Wir leben in mancher Hinsicht in einer Hipster-Version der 1950er Jahre, in der Altlinke plötzlich ins nationalkonservative Lager wechseln und verbotsverliebte Woke die Rolle verkniffener alter Männer übernehmen.

Den vielgereisten Journalisten und Filmemacher hat „die identitäre, postkoloniale, grüne und queere Neujustierung linker Sichtweisen, Wertvorstellungen und Theorien nicht überzeugt“. Trotzdem eifert er nicht. Für alle, denen zwischen neu aufkeimendem Judenhass, Bulgur-Bowl und Klimaaktivismus langsam schwindlig wird, kann darum das Buch wie eine neue Erdung sein. Und macht am Ende Hoffnung auf Zukunft. Denn die war schon immer besser als ihr Ruf und kommt sowieso ganz anders. So gelingt Miersch am Ende ein tröstlicher Blick auf die Gegenwart, menschenfreundlich und erfrischend empörungsfrei.  Sophie Dannenberg

Michael Miersch: Einmal Freiheit und zurück. Edition Tiamat, Berlin 2023. 224 Seiten, 28 Euro

 

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Zurück zur Zukunft

Boxlegende Wladimir Klitschko schildert das Schicksal geraubter Kinder.

„Gestohlene Leben“ ist ein Buch, das man eigentlich nicht lesen sollte – und doch lesen muss. Ein Buch von brutaler Offenheit. So ziemlich das Gegenstück zu einer Afternoon-Tee-Lektüre. Man liest einen Abschnitt, ein Kapitel und verspürt den inneren Drang, es alsbald wieder beiseitezulegen, um all das, was in einem aufsteht, mit Abstand verarbeiten zu können.

Wladimir Klitschko, der einstige Boxchampion und Bruder des Kiewer Bürgermeisters, und die CEO von Klitschko Ventures, Tatjana Kiel, haben unter Mitwirkung zahlreicher ukrainischer Unterstützer nicht nur eine Hilfsorganisation mit Namen #WeAreAllUkrainians ins Leben gerufen; mit dem Buch haben sie zudem eine Aufstellung von Einzelschicksalen in Erzähl- und zum Teil in Interviewform zusammengetragen, die das Leid zwangsdeportierter und zwangsadoptierter ukrainischer Jugendlicher dokumentiert.

Diese Form der Kriegsführung gegen die Zivilgesellschaft, die rein rational zur Kompensation einer unter erheblichem Geburtendefizit leidenden russischen Gesellschaft dienen soll, gehört zum Perfidesten, was man sich vorstellen kann. Sie hat zum Ziel, eine Gesellschaft nicht nur ihres Territoriums, sondern auch ihrer Zukunft zu berauben, und addiert unendliches Leid und Schuld auf das ohnehin weit überzogene Konto der russischen Aggressoren.

Die Basis für den Kinderraub liefert ein Präsidentenerlass Wladimir Putins vom 30. Mai 2022, der das Adoptionsverfahren für ukrainische Kinder auf 24 Stunden verkürzt und zudem erlaubt, nicht nur das Geburtsdatum, sondern auch den Geburtsort und den Namen des jeweiligen Kindes zu ändern. Ein zukünftiges Wiederauffinden der Kinder wird damit unmöglich gemacht. Die Heranwachsenden werden zunächst unter falschem Vorwand, zum Teil mit Unterstützung kollaborierender Lehrer und Rektoren, in den von Russland besetzten Gebieten in Feriencamps gebracht, die sich schnell als Internierungslager entpuppen. Mit gezielter Umerziehungspropaganda und psychischer Entfremdung von ihren Familien werden die Kinder ihres bisherigen Lebens beraubt.

Klitschko und seine Organisation kümmern sich darum, genau diese Kinder aus russischen Fängen zu befreien und zu ihren Familien in sichere Gebiete der Ukraine zurückzubringen. Dennoch beginnt die eigentliche Arbeit mit den traumatisierten Jugendlichen erst dann, wie an einigen im Buch referierten Einzelschicksalen deutlich wird. Bei diesen oft tief verstörten Kindern grundsätzliches Vertrauen wieder aufzubauen und ihnen künftig ein positives Menschsein zu ermöglichen, ist die eigentliche Herausforderung auf diese Akte der Unmenschlichkeit.

Die im Buch beschriebenen Geschichten, etwa des 16 Jahre alten Serhii oder des zwölfjährigen Oleksandr, lassen ansatzweise erahnen, was diesen kaum zur Artikulation fähigen Kindern widerfahren ist, und führen uns einmal mehr vor Augen, dass es sich beim russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zweifelsfrei auch um einen Krieg gegen die Zivilgesellschaft und die Humanität handelt. „Homo homini lupus“: Ein Wolf ist der Mensch dem Menschen, kein Mensch, solange er nicht weiß und respektiert, welcher Art der andere ist.  Dirk Notheis

Wladimir Klitschko / Tatjana Kiel: Gestohlene Leben. Heyne München 2023. 224 Seiten, 22 Euro

 

Hach, schaut, so schön die Welt!

Jan Wagners beschauliche Lyrik verfehlt den entzündeten Nerv der Zeit.

Erlesen und schön – so sind die Gedichte des Büchnerpreisträgers Jan Wagner. Sie zeugen von einem feinen Geist und detailverliebter Wahrnehmung. Auch der neue Band dieses Edelstilisten „Steine & Erden“ nimmt die Welt, insbesondere jene der Flora und Fauna, wieder genau in den Blick. Wir erforschen „unterirdische[n] raketen“ ähnelnde Karotten, „wie von einem corbusier/ entworfen, ohne grobheit, niemals plump / und prahlerisch“, und bestaunen Flamingos. Sie beherrschen das Defilee und die perfekte Show, in der „jeder singular zur kolonie erblüht, bis alles schläft/ auf einem bein, als hielte ein jongleur/ gleich hunderte von tellern in der luft“.

Selbst das Mythologische hat Eingang in das Reich der Natur gefunden, entpuppt sich doch beispielsweise der Biber als „charon / im mantelpelz“. Ob er uns also den Toten jenseits des Styx wird näherbringen können?

Nun, auch wenn hier und da in der Lyrik des 1971 in Hamburg geborenen Autors einmal die Verstorbenen zu Wort kommen, entspringt seine Dichtung ganz einer bis ins Rauschhafte gesteigerten Feier des Diesseits. Die Idee: Was wir oft als bekannt oder gewöhnlich abspeichern, gilt es nun in seiner Fremdheit zu erfassen. Warum? Vielleicht weil gerade die Betonung der Einzigartigkeit häufig bedrohter Pflanzen und Tiere ein Sensorium für Umwelt- und Klimaschutz wecken soll. Aber diese existenzielle Dimension muss man aus Wagners Texten schon gezielt herausarbeiten.

Abgesehen von einem Poem, in dem sich Malven, Brombeeren und Schwertlilien zu einem militärischen Manöver gegen die städtischen Topografien vereinen und damit gezielt die Vorherrschaft des Menschen infrage stellen, lesen sich die meisten Gedichte harmlos. Sie gleichen ästhetizistischen Fingerübungen, erlaben sich an der eigenen Wortgewandtheit.

Während andere Kollegen seines Faches – oft zulasten einer künstlerischen Gestaltungskraft – eine strenge Politisierung der Lyrik betreiben, schlagen Wagners Miniaturen ins andere Extrem um. Poesie folgt bei ihm allein dem Anspruch, l’art pour l’art sein zu dürfen. Und zwar in derart radikaler Ausblendung aller Krisen in der Wirklichkeit, dass sich ganze Texte ausschließlich mit Tischen oder mit Löffeln beschäftigen. „Wie er dich steif mit seinem kalten / visier betrachtet“, erfahren wir über Letzteren, ferner, „wie er ganz glatt bleibt, ohne falten,/ ein silberschein, dein ständiger begleiter,/ dein mond.“ Hach, man ist, um es mit den Worten alter Schule zu sagen, wahrlich entzückt ob all der sinneserweiternden Sehbewegungen und -vertiefungen jener literarischen Ergüsse.

Aber mal ehrlich: Wüsste man nicht, wann und wo diese Gedichte publiziert worden sind, man könnte meinen, sie seien in einem zuckersüßen, friedlichen Paradies erschienen. Fernab all der Schrecken dieser Tage. Zwar lässt sich handwerklich nichts über sie beanstanden, geschweige denn ihr erstaunlicher Metaphernreichtum bestreiten. Allerdings täuscht nichts über ihre fehlende Dringlichkeit hinweg. Jenseits poetischer Akrobatik auf höchstem Niveau findet sich keine Stelle, die inwendig berührt. Was für eine Tragik, wenn meisterliches Gelingen zur reinen Oberfläche verkommt!  Björn Hayer

Jan Wagner: Steine & Erden. Hanser Berlin, München 2023. 112 Seiten, 22 Euro

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