Jan Böhmermann - Große Klappe, aber brav auf Linie

Mit seinem „ZDF Magazin Royale“ will Jan Böhmermann „Unterhaltung und Relevanz in einer neuen Dimension“ liefern. Stattdessen biedert er sich dem linksgrünen Zeitgeist an und verdummt sein Publikum. Seine jüngste Sendung über das geplante Selbstbestimmungsgesetz ist das beste Beispiel dafür.

Heiße Luft im Anzug: ZDF-Satiriker Jan Böhmermann / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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„Danke für die interessanten und vor allen Dingen kompetent präsentierten Texte an die gesamte Redaktion!“, schrieb jüngst ein Leser aus Fulda. Wenn Lob aus der eigenen Leserschaft kommt, ist das eine schöne Sache für jeden Journalisten. Denn bekanntermaßen hat unser Milieu hierzulande nicht unbedingt den besten Ruf, was angesichts der anfänglichen Berichterstattung über die Flüchtlingskrise oder jener über die Corona-Pandemie wirklich nicht verwundern kann. Wenn veröffentlichte Informationen und Lebensrealitäten auseinanderklaffen, merken das früher oder später eben sehr viele Leute im Land und reagieren entsprechend angefressen auf irgendwelche Narrative, die von Redaktionen in pädagogischer, nicht aufklärender Mission gestreut werden. 

Es gibt aber auch eine Form der Anerkennung durch Dritte, die eher suboptimal ist für im weitesten Sinne Politikjournalisten, weil sie genau genommen ein Alarmsignal ist. Wenn zum Beispiel Mitglieder der Bundesregierung anfangen würden, mich in den sozialen Netzwerken zu loben, würde ich mir ernsthaft Gedanken machen, ob ich nicht irgendwo falsch abgebogen bin in den vergangenen Jahren und Heilpädagoge nicht doch die bessere Berufswahl gewesen wäre. Womit wir bei Jan Böhmermann wären. 

Stimmt schon, Jan Böhmermann ist im klassischen Sinne kein Journalist, sondern „Satiriker“. Jedenfalls behauptet er das. Gleichwohl liegen die beiden Berufe gar nicht so weit auseinander, weil sie sich ähnlicher Instrumente bedienen, darunter die Recherche, und, etwas allgemeiner formuliert, eben den Auftrag haben, kritisch zu hinterfragen. Teil beider Berufsprofile wäre es, den Mächtigen auf die Finger zu schauen und ihnen im Zweifelsfall lieber einmal zu oft, als einmal zu wenig auf selbige zu klopfen. Genau genommen sollten sich Journalisten und Satiriker gegenüber Politikern in einer permanenten Trotzphase befinden. Das ist selbstredend etwas einfach ausgedrückt. Aber ungefähr so sieht mein Berufsverständnis aus.

An den Machthebeln des Landes

Doch irgendwas hat sich in den Redaktionsstuben und auf den Kulturbühnen des Landes unschön verschoben in den vergangenen Jahren. Journalisten und Satiriker haben, weshalb auch immer, angefangen, sich zum Sprachrohr der politisch Verantwortlichen degradieren zu lassen und treten mit ihren Kommentaren und Pointen zunehmend nach unten statt nach oben, während sie sich anbiedern an den Berliner Politikbetrieb und auf Schmusekurs insbesondere mit der derzeitigen Bundesregierung gehen. Nicht mit der FDP, versteht sich, aber mit der SPD und den Grünen. 

Auf diesen Schmusekurs im Journalismus bin ich bereits mehrfach eingegangen, unter anderem hier. Aber auch im Humorgeschäft gehört linksgrüne Folklore mittlerweile zum guten Ton. Und für diese steht kein Zweiter so deutlich wie ZDF-Satiriker Jan Böhmermann, der es sich mit seiner Truppe des „ZDF Magazin Royale“ zur Aufgabe gemacht hat, sich nicht nur dem linksgrünen Zeitgeist anzubiedern, indem er brav darauf verzichtet, das eigene Milieu zu provozieren, sondern mehr noch jeden halbwegs Prominenten ins Fadenkreuz zu nehmen, der aufs Gendern und anderen linksgrünen Kram keine Lust hat. 
 

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Vor einer Woche sorgte Böhmermann für Aufsehen, nachdem er Politiker und Publizisten in ein RAF-Fahndungsplakat montieren ließ, weil die sich entweder tatsächlich oder vermeintlich abfällig über die Aktionen der Klima-Kleber der „Letzten Generation“ geäußert haben. Eine Anspielung auf den Begriff „Klima-RAF“, der gerade die Runde macht. Das kann man lustig oder unlustig finden. Ich fand diese Aktion arg konstruiert, aber exemplarisch für einen Satiriker, dessen humoristisches Repertoire zuvorderst aus Pipi-Kacka-Witzen und Nazi-Vorwürfen besteht. Und ich fand diese Aktion arg durchschaubar, weil Böhmermann unter dem Deckmantel der Satire sehr gerne „Feindeslisten“ veröffentlicht, die wohl deshalb so künstlich überdreht präsentiert werden müssen, damit auch die größte Klatschpappe unter den „Böhmi“-Fans noch intellektuell Schritt halten kann. 

Verdummung des Publikums

Beim „ZDF Magazin Royale“ ist man jedenfalls überzeugt, „Unterhaltung und Relevanz in einer neuen Dimension“ zu liefern. So die Eigenwerbung auf der entsprechenden ZDF-Unterseite. Es gibt Leute, die dort für investigative Recherche zuständig sind, oder halt für das, was man darunter versteht. Meistens geht es darum, so lange zu Googeln bis man alle Elemente beisammen hat, die ins bevorzugte Narrativ passen. Der Rest, alle Informationen also, die nicht ins Narrativ passen, werden dagegen konsequent weggelassen. Das mag je nach Perspektive unterhaltend sein, relevant ist es aber sicherlich nicht, sondern eher bewusste Verdummung des eigenen Publikums. Verschwörungserzählungen funktionieren übrigens genau so. Aber wie dem auch sei. 

Am Freitag hat sich Böhmermann nun einem Thema gewidmet, von dem man schon vorher wusste, wohin die Reise gehen wird, wenn das „ZDF Magazin Royale“ mal wieder „Unterhaltung und Relevanz in einer neuen Dimension“ liefern will. Nämlich der Debatte um Transsexualität, das binäre Geschlechtersystem und das geplante Selbstbestimmungsgesetz der Ampelregierung. Die Kurzzusammenfassung der jüngsten Böhmermann-Sendung liest sich so: 

„Es gibt Hetze gegen trans Menschen. Journalist*innen, Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen und sogar Alt-Feminist*innen gehen gegen Selbstbestimmung auf die Straße oder schreiben ,meinungsstarke' Artikel in ,liberalen' Tageszeitungen.“ 

Russische Geldgeber für transfeindliche Aktionen

Die ganze Sendung war eine einzige Farce und zielte nur darauf ab, Menschen, die sich kritisch mit den linksgrünen Positionen zu genannten Themen auseinandersetzen (oder einfach nur biologische Tatsachen benennen) zu diskreditieren. Die Biologin Marie-Luise Vollbrecht – seit geraumer Zeit Lieblingsziel queerer Aktivisten, weil sie es gewagt hat, einen Vortrag über das binäre Geschlechtersystem zu halten – wurde ebenso als transfeindlich präsentiert wie die konservative Publizistin Birgit Kelle und die Feministin Alice Schwarzer. Außerdem ging es um irgendein angebliches Netzwerk aus Beatrix von Storch von der AfD, den Organisatoren der „Demo für alle“ und russischen Geldgebern, die Millionen in transfeindliche Aktionen in Deutschland pumpen sollen.

Vieles wurde vermengt, das wenig bis gar nichts miteinander zu tun hat, und noch viel mehr wurde weggelassen, das nicht in den Narrativ der Sendung passte, wonach alles, was kritische Betrachtung ist, auch gleich transfeindlich sein muss. Angriffe auf Transpersonen wurden erwähnt, aber weder die Herkunft der Täter noch die Angriffe auf Schwule und Lesben durch Queer- und Transaktivisten. Stattdessen wurde behauptet, die Emma sei mitverantwortlich für derlei Taten, freilich ohne das belegen zu können, und suggeriert, Alice Schwarzer sei keine echte Feministin (mehr), weil sie sich nicht für biologische Männer wegen eines Gefühls engagieren wolle. 

Befürworter des Gesetzesvorhabens als Kronzeugen

Das Selbstbestimmungsgesetz wurde derweil als Gesetz für die Freiheit von Transsexuellen präsentiert, ohne berechtigte Kritik an dem Gesetzesvorhaben auch nur zu erwähnen. Geschweige denn, was da eigentlich konkret drinsteht, nämlich, den Wechsel des Geschlechtseintrags via reiner Sprechakt zu erlauben. Während Befürworter des Gesetzesvorhabens und sogar irgendein Tagesspiegel-Artikel als Kronzeugen hervorgekramt wurden, ließ Böhmermann auch komplett unter den Tisch fallen, dass es in der Psychologie ein breites Meinungsspektrum bei den Themen Geschlechtsinkongruenz – dem Gefühl, im falschen Körper geboren zu sein – und Geschlechtsdysphorie – dem Leiden unter diesem Gefühl – gibt, und daher auch verschiedene Einschätzungen, inwiefern das Selbstbestimmungsgesetz eine gute oder schlechte Idee ist.

Kein Wort zum Beispiel über die möglichen Risiken des Gesetzesvorhabens für Kinder und Jugendliche. Dafür gab's von Böhmermann ganz viel Sexistisches gegen Frauen, die es keine gute Idee finden, dass biologische Männer künftig via reiner Sprechakt in ihre Schutzräume vordringen könnten oder heute schon Frauen aus dem Frauensport drängen und ihre Plätze auf Frauenlisten einnehmen. Den Hashtag „#turds“ zum Beispiel, der auf den Begriff „Terfs“ anspielt. Als „Terfs“ – „Trans-Exclusionary Radical Feminists“ – werden Frauen beschimpft, die sich dem linksgrünen Dogma „Transfrauen sind Frauen“ verweigern. Und ein „Turd“ ist ein Kothaufen. Böhmermann vergleicht also Frauen, die nicht seiner Meinung sind, mit Exkrementen. 

Und weil Böhmermann mit alldem eins zu eins nur die einseitige Sichtweise der Queer- und Transaktivisten sowie der Ampelregierung präsentiert hat, gab es anschließend noch großes Lob. Nämlich vom Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne): „Grandioser Beitrag“ schrieb der auf Twitter. Lehmann hätte auch einfach „fein gemacht“ schreiben können. Denn so funktioniert die Satire des Jan Böhmermann: große Klappe, aber immer brav auf Linie. 

 

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