Gute Vorsätze für 2024 - Kampf mit dem inneren Schweinehund

Die ersten Tage eines neuen Jahres stehen auch für unseren Genusskolumnisten im Zeichen guter Vorsätze. Noch ist er zuversichtlich, dass sich seine bescheidenen Vorhaben in die Tat umsetzen lassen. Manch andere sind da wesentlich ambitionierter.

Beliebte Vorsätze: abnehmen und weniger rauchen. „Frau mit Zigarette“ (1987) von Fernando Botero / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Na, dann wollen wir mal durchstarten ins neue Jahr. Diesmal hat man sogar 366 statt 365 Tage zur Verfügung, um seine guten Vorsätze in die Tat umzusetzen. In meinem Fall sind einige Vorhaben relativ einfach: mehr Konzerte besuchen, mehr Fahrradtouren machen, wieder regelmäßig Klavier und Gitarre spielen und den Garten mal wieder richtig auf Vordermann bringen. Der berüchtigte „innere Schweinehund“ sollte bei diesen Plänen kein schwer zu überwindender Gegner sein. Denn es geht um einen eindeutigen Gewinn an Lebensqualität, der ohne jeglichen Verzicht zu realisieren ist.  

Es gibt allerdings etliche Wünsche und Vorsätze, die nicht so unkompliziert realisiert werden können. Das Portal Statista veröffentlichte am 2. Januar die Ergebnisse einer Umfrage zum Thema gute Vorsätze für 2024 in Form eines Rankings. An der Spitze steht demnach mit 51% der Plan, mehr Geld zu sparen. Das allerdings hat man nicht unbedingt in der eigenen Hand. Denn wer wenig Einnahmen hat, wird angesichts absehbar exorbitant steigender Kosten in vielen elementaren Lebensbereichen kaum zusätzliches Geld auf die Kante legen können. Und so sagen auch 26% der Befragten, dass sie ihre Lebenshaltungskosten, etwa für Lebensmittel und Energie, senken wollen.

Manches ist dann doch recht mühselig

Auf das Sparen folgen im Ranking mit 48 bzw. 46% mehr sportliche Betätigung und gesündere Ernährung. 37% verbinden das unmittelbar mit dem Vorsatz, ihr Gewicht zu reduzieren. Angesichts dramatischer Zahlen über zunehmende starke Fettleibigkeit, die oftmals auch in unmittelbarem Zusammenhang mit Bewegungsarmut und Fehlernährung steht, scheint dies auch ausgesprochen vernünftig zu sein.

In der Tat verbuchen Fitness-Studios am Jahresanfang stets einen Anmeldeboom, doch offensichtlich erlahmt der Elan in vielen Fällen recht bald. Und man kann es drehen und wenden wie man will, aber die Abkehr von ungesunden Ernährungsgewohnheiten bedeutet für viele Menschen in ihrer subjektiven Empfindung zumindest in der Startphase einen Verlust an Lebensqualität. Da ist der innere Schweinehund mitunter ein ziemlich mächtiger Gegner. Das gilt auch für einige Vorsätze, die in dem Ranking der guten Vorsätze mit 17 bis 18% durchaus noch Relevanz haben: mit den Rauchen aufhören, weniger Alkohol trinken, weniger Zeit in den sozialen Medien verbringen.

Ernährungssoziologe besinnt sich auf Karl Marx

Auch der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl hat im Prinzip nichts gegen gute Vorsätze für das neue Jahr einzuwenden, nicht nur seine Person betreffend. So würde er es „fraglos begrüßen, wenn sich manch einer mal vornimmt, von nun an nicht mehr im Zugabteil Musik oder Videos ohne Kopfhörer zu konsumieren“. Auch begrüßt er den offenbar weitverbreiteten Vorsatz, „sich nicht mehr so viel Junk Food reinzustopfen, sondern lieber anzustreben, aus frischen, guten Zutaten Selbstgekochtes zu verzehren“. Es bleibe allein die Frage, „was aus all den guten Vorsätzen wird“. Und bei deren Beantwortung halte er es dann doch mit dem guten, alten Marxismus: „Nicht das Bewusstsein bestimmt das Sein, sondern das Sein bestimmt das Bewusstsein.“

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Und dann kommt Kofahl wieder richtig in Fahrt: „Wenn Rücksichtslosigkeit in der Öffentlichkeit sich immer weiter durchsetzt, wenn politischer Irrsinn letztlich doch folgenlos bleibt, oder wenn die Arbeitstage einfach so kräftezehrend sind, dass man keine Kraft mehr hat, um zu kochen, und der Geldbeutel immer schmaler wird und gute Zutaten unerschwinglich werden, ja, dann ist es halt heiße Luft mit den guten Vorsätzen.“ Das heiße nicht, „dem Einzelnen einen Freifahrtschein dafür auszustellen, sich völlig gehen zu lassen“, ein wenig Selbstdisziplin dürfe man von Menschen mit zunehmendem Eintritt ins Erwachsenwerden schon erwarten.

Individuelle Überforderung bringt gar nichts

Letztlich sei es aber auch kein Gewinn, „sich und andere mit Ideen der Selbsttransformation zu überfordern, für die es gemeinschaftliche Veränderung in der gesamten Gesellschaft geben muss. Das wird allerdings schwieriger, je zerfaserter die Kultur wird, je weniger Übereinstimmungen es in Fragen des Grundkonsens gibt. Also, ein bisschen zielgerichtet an sich arbeiten, das kann man sich ruhig vornehmen.“ Und wenn es dann doch nicht so einfach klappt, „muss man auch mal fünfe gerade sein lassen, und letztlich müssen wir uns überlegen, in welcher Welt wir alle gemeinsam leben möchten, denn die ist uns und all unseren Vorsätzen erst einmal vorgesetzt“.

Klare Worte. Aber eigentlich hat bereits der große deutsche Schriftsteller und Publizist Erich Kästner, dessen Todestag sich am 29. Juli zum 50. Mal jährt, zum Thema gute Vorsätze alles Wesentliche gesagt.

Man soll das Jahr nicht mit Programmen
beladen wie ein krankes Pferd.
Wenn man es allzu sehr beschwert,
bricht es zu guter Letzt zusammen.

Je üppiger die Pläne blühen,
umso verzwickter wird die Tat.
Man nimmt sich vor, sich zu bemühen,
und schließlich hat man den Salat!

Es nützt nicht viel, sich rotzuschämen.
Es nützt nichts, und es schadet bloß,
sich tausend Dinge vorzunehmen.
Lasst das Programm! Und bessert euch drauflos!

Na wenn das so ist, dann wollen wir einfach mal loslegen. In diesem Sinne ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr!

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