Grüner-Gewölbe-Prozess - Nachweihnachtsjammer statt Weihnachtswunder?

Am Dienstag wird der Prozess über den Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden vor mehr als drei Jahren fortgesetzt. Viele Fragen stehen im Raum. Doch den angeklagten Mitgliedern des Remmo-Clans eilt der Ruf voraus, ein eher taktisches Verhältnis zur Wahrheit zu haben.

Besucher im Grünen Gewölbe in Dresden / dpa
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Dr. Butz Peters ist Publizist und Rechtsanwalt in Dresden. Er ist einer der führenden deutschen Experten zur Geschichte der RAF und hat mehrere Bestseller zum Thema Innere Sicherheit geschrieben.

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In dieser Woche wird es wieder spannend im Grüne-Gewölbe-Prozess im Dresdner Hochsicherheitstrakt – nachdem monatelang die Beweisaufnahme vor sich dahingedümpelt ist. Wenn am Dienstag gegen zehn Uhr die sechs Angeklagten, ein jeder mit dem Nachnamen Remmo, ein jeder mit zwei Paar Handschellen gefesselt, von vierzehn Justizwachtmeistern in den Saal geführt werden, hängt der voller Fragen: Es geht um einen mittlerweile sagenumwobenen „Deal“, um Umfang und Zustand der wieder aufgetauchten Beute des größten Kunstdiebstahls der deutschen Nachkriegsgeschichte, um das, was noch fehlt. Gericht, Staatsanwaltschaft, Verteidigung – sie alle haben sich bislang weitgehend in Schweigen gehüllt. 

Das größte Fragezeichen: Was hat es mit dem „Deal“ auf sich? Auch wenn in den vergangenen Tagen vielerorts das Gegenteil zu hören und zu lesen war: Bislang hat es ihn nicht gegeben. „Deal“ ist die umgangssprachliche Formulierung für das, was die Strafprozessordnung (§ 257c) „Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten“ nennt. Derartige „Deals“ gibt es so lange wie es Strafverfahren gibt. „Klassiker“ ist das Geständnis gegen Strafrabatt oder Zusage einer Bewährungsstrafe. Dadurch erspart sich das Gericht regelmäßig Arbeit, weil es im Urteil keine umfassende Beweiswürdigung vorzunehmen hat, sondern sich im Wesentlichen auf das Geständnis des Angeklagten stützen kann. Und für den wird überschaubar, was auf ihn zukommt. 

„Beute gegen Strafrabatt“

Um in Hinterzimmern der Justiz verfahrensentscheidende Absprachen – an der Öffentlichkeit vorbei – zu verhindern, bestimmt die Strafprozessordnung seit 2009, dass das Gericht in öffentlicher Verhandlung bekannt zu geben hat, „welchen Inhalt die Verständigung haben könnte.“ Dabei kann es „eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben.“ Zustande kommt die Verständigung, wenn Angeklagter und Staatsanwalt dem Vorschlag des Gerichts in öffentlicher Sitzung zustimmen.

Das ist im Grüne-Gewölbe-Prozess bislang nicht geschehen. Was es gab, waren – O-Ton Staatsanwaltschaft – „Sondierungsgespräche zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft unter Einbeziehung des Gerichts über eine mögliche Verfahrensverständigung und Rückführung noch vorhandener Beutestücke“. Folge war die „Bescherung“ eine Woche vor Heiligabend in einer Westberliner Anwaltskanzlei.

So wird nun mit Spannung erwartet, was Andreas Ziegel, der Vorsitzende der zweiten Strafkammer des Landgerichts Dresden, zu den Sondierungen und dem Thema „Beute gegen Strafrabatt“ sagt. Schon haben sich Kritiker zu Wort gemeldet, die einen derartigen Rabatt für grundverkehrt halten: Sie sprechen vom „Einknicken des Rechtsstaates“ und davon, dass sich Schwerverbrecher „von ihrer verdienten Strafe freikaufen.“ 

Konsequenz aus dem Schuldstrafrecht

Doch sieht das Strafgesetzbuch ausdrücklich eine solche Strafmilderungsmöglichkeit vor: Grundlage für die Zumessung der Strafe ist „die Schuld des Täters“. Dabei zu berücksichtigen ist auch sein Verhalten nach der Tat, „besonders sein Bemühen, den Schaden wieder gutzumachen“ (§ 46 Strafgesetzbuch). Eine Konsequenz aus dem Schuldstrafrecht, das wir haben.

Wie zu hören ist, sollen nicht die Anwälte aller Angeklagten in die „Sondierungsgespräche“ eingebunden gewesen sein – gibt es eine Fraktionierung unter den Angeklagten? Bislang gaben sich die sechs Remmos weitgehend als eine Front Unschuldiger. Die zweite zentrale Frage: Wie steht es um die Beute? „Ramponiert, zerlegt, geplündert,“ meldete Bild und fragte: „Sind die Juwelen nur noch Schrott?“
 

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Ebenso unklar ist derzeit, was noch alles von der Beute fehlt: Die Staatsanwaltschaft meldet zwei der insgesamt einundzwanzig entwendeten Schmuckstücke ausdrücklich als fehlend. Was sonst noch fehlt: derzeit offen. Auskunft über Zustand und Renovierungsbedarf der zurückgegebenen Schmuckstücke soll am Dienstag als Zeugin vor Gericht eine Restauratorin der Staatlichen Kunstsammlungen geben, die die Remmo-Gabe unter die Lupe genommen hat.

Auf nichts Gutes hoffen jedenfalls lässt der Umstand, dass zwanzig Polizeitaucher am ersten und zweiten Weihnachtstag in Berlin-Neukölln auf dem Grund des Schifffahrtskanals nach „Beweisstücken“ in Sachen Grünes Gewölbe suchten. Und passé ist nun auch der holde Wunsch, komplett könnte die Beute, ordentlich und wetterfest verpackt, irgendwo aus einem Versteck geborgen werden. Etwa einem Neuköllner Keller oder Hinterhaus.

Technisch zu schlecht

Dritte zentrale Frage: Wird es Geständnisse geben? Die Verständigungsvorschrift in der Strafprozessordnung besagt, dass „Bestandteil jeder Verständigung“ ein „Geständnis“ sein soll. Im Strafprozess wirkt ein glaubhaftes Geständnis regelmäßig strafmildernd. Der MDR berichtete, nach seinen Informationen würden „vier Angeklagte Geständnisse ablegen“. Sollte es dazu kommen, wäre das aufschlussreich für das Tatgeschehen – denn bislang, fast ein Jahr nach Prozessauftakt, ist noch völlig offen, wer von den Tätern was im Einzelnen getan hat.

Die Videoaufzeichnungen der Staatlichen Kunstsammlungen von den Ausspähungen und dem Einbruch geben dafür nichts her. Technisch zu schlecht. Andere Belege für die Rollenverteilung der mindestens sechs Täter gibt es nicht. Und alles deutet darauf hin, dass an dem Jahrhundertdiebstahl auch Personen beteiligt waren, die jetzt nicht auf den Polsterstühlen der Angeklagten im Hochsicherheitstrakt sitzen. 

Taktisches Verhältnis zur Wahrheit

Dass die an einem Deal beteiligten Angeklagten, sollte er zustande kommen, ein „Geständnis“ ablegen, wäre – nachdem ein Teil der Beute zurückgekommen ist – verfahrensstrategisch nur folgerichtig, um in den Genuss eines möglichst hohen Strafnachlasses zu kommen. Allerdings sind keine Lebensbeichten zu erwarten. Denn allgemein stehen die Remmos im Ruf, ein ausgesprochen taktisches Verhältnis zur Wahrheit zu haben.

Bemerkenswert: In Berlin, wo bei den Behörden vieles schon seit längerem nicht mehr so richtig klappt, ist es Mitgliedern des Remmo-Clans gelungen, einen erheblichen Teil der Beute des Jahrhundertdiebstahls aus dem Versteck zu holen und der Polizei zukommen zu lassen. Mutmaßlich keine einfache logistische Operation. Sie hat geklappt. So ist das Wichtigste nun die Hoffnung, dass die überraschende Rückgabe eines Teils der Beute, die Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen, ein „echtes Weihnachtswunder“ genannt hat, nicht bei näherer Betrachtung zu einem Nachweihnachtsjammer führt. 

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