Den Dezember unbeschwert genießen - Her mit dem Winterspeck!

Auch unser Genusskolumnist pflegt im Winter ein paar Pfunde zuzulegen, besonders in der Weihnachtszeit. Doch Sorgen bereitet ihm das nicht, denn normalerweise sollte sich das (fast) von alleine wieder einpegeln.

Hinein mit der fetten Gans, und danach noch ein Tiramisu. Schmeißt die Waagen weg und vertraut eurem Empfinden! / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Puh, da haben wir ja nach mal Glück gehabt. Um ein Haar hätte Heinrich XIII. Prinz Reuß in Deutschland zusammen mit einer komplett verstrahlten Berliner Richterin und einem hauptsächlich aus unternehmungslustigen Ex-Bundeswehrsoldaten bestehenden „bewaffneten Arm“ die Macht in Deutschland übernommen. Und es stand wohl auch auf Messers Schneide, ob ihn Russland dabei unterstützt. Doch unsere bekanntermaßen unglaublich effektiven Sicherheitsorgane haben dies mit einem heldenhaften Großeinsatz in letzter Minute verhindert.

Es ist wohl kein Zufall, dass sich diese Geschichte in der Vorweihnachtszeit zugetragen hat, denn das ist ja traditionell die Zeit für große Erzählungen. Wie etwa die Weihnachtsgeschichte, denn auch die weist bei genauerer Betrachtung einige gravierende Ungereimtheiten auf.

Viele nehmen im Dezember zu

Aber eigentlich haben wir im Dezember ganz andere Probleme. Nicht nur, dass die Inflation und besonders die explodierenden Heizkosten in dieser festlichen Zeit diesmal eine echte Spaßbremse bei Feiern sind. Es gibt – unabhängig von den jeweiligen aktuellen Krisen – ein strukturelles Problem. Denn wir – jedenfalls die meisten von uns – werden im Dezember schlicht dicker, was angesichts der unzähligen süßen und fetten Verlockungen vom Dominostein über den Glühwein bis hin zur fetten Gans nebst „gehaltvollem“ Grünkohl auch kein Wunder ist. Von den Überdosen Pfannkuchen und Alkohol, mit denen der Monat und das ganze Jahr dann schließlich traditionell verabschiedet werden, ganz zu schweigen.
 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

Auch wenn das alles sehr genussvoll war und uns im Großen und Ganzen Freude bereitet hat, folgt anschließend das Erschrecken, wenn das Anlegen der Kleidung nur noch mit einigen Mühen zu bewältigen ist. Oft gepaart mit einem schlechten Gewissen und unumstößlichen Vorsätzen für das neue Jahr: 1.) Die zusätzlichen Pfunde so schnell wie möglich wieder abspecken und 2.) es nie wieder dazu kommen lassen. Mehr oder weniger obskure Diäten oder ähnlich zweifelhafte „Fat Burner“ haben dann Hochkonjunktur.

Pillen und Diäten helfen kaum

Allerdings sollte sich inzwischen auch herumgesprochen haben, dass das größtenteils ziemlicher Unfug ist. Zwar kann man auf diese Weise sicherlich kurzfristige „Erfolge“ erzielen, doch der herbe Rückschlag lässt in der Regel nicht lange auf sich warten. Die Rede ist dann vom „JoJo-Effekt“. Statt uns mit Crash-Diäten zu kasteien oder dubiose Pillen zu futtern – beides hat mitunter erhebliche negative Auswirkungen auf die Darmflora – sollten wir uns lieber ein bisschen damit beschäftigen, wie unser Körper überhaupt funktioniert und wie er sich während des Alterungsprozesses – der trotz aller Träume von der „ewigen Jugend“ unweigerlich schon recht früh einsetzt – verändert. Mit zunehmendem Alter nimmt der der Fettanteil des Körpers zu, während die Muskelmasse abnimmt. Dieser Vorgang lässt sich durch Gewichtsabnahme nicht beeinflussen, wohl aber durch regelmäßige Bewegung. Da der Energiebedarf ebenfalls zurückgeht, steigt das Gewicht an, wenn nicht gleichzeitig weniger oder kalorienärmer gegessen wird.

Der Blick auf die „innere Waage“

Darauf aufbauend kann man dann mal einen Blick auf seine Lebens- und Ernährungsgewohnheiten werfen – nicht ohne allen Askesepropheten und Verzichtsideologen sofort und energisch die Rote Karte zu zeigen. Dann wird es eigentlich relativ einfach. Denn im Prinzip verfügt jeder Mensch über eine „innere Waage“, die ihm sein individuellen Normal- und Wohlfühlgewicht ziemlich präzise anzeigt. Das gilt natürlich nicht für jene Menschen – und das sind leider ziemlich viele, und das mit steigender Tendenz –, die unter behandlungsbedürftigen physischen und psychischen Essstörungen leiden.

Eine Phase deutlich erhöhter Kalorienzufuhr verändert die Körperformen also nicht dauerhaft, die Signale der „inneren Waage“ sorgen dafür, dass sich das allmählich wieder einpegelt. Wer sich allerdings dauerhaft überernährt, gefährdet nicht nur seine Gesundheit, sondern ruiniert auch die „innere Waage“, die sich dann auf ein möglicherweise viel zu hohes Gewicht einnordet.

Schokolade oder Bio-Möhren – egal

Äußerst wichtig auch Folgendes. Für den „Winter“ - oder „Weihnachtsspeck“ sowie alle anderen Formen von Gewichtszunahme ist es vollkommen unerheblich, was man zu sich nimmt. Das Gewicht steigt an, wenn mehr Energie zugeführt wird, als der Körper verbraucht. Und auf diesen Verbrauch hat man Einfluss, nämlich durch Bewegung. Das soll natürlich nicht heißen, dass die Zusammensetzung der Nahrung nicht auch einen gewichtigen Einfluss auf unser Wohlbefinden hat, aber es ist das Grundprinzip. Wer 400 Gramm gedünstete Karotten (ohne Fettzugabe) verspeist, nimmt genauso viele Kalorien auf, wie beim Verzehr einer Tafel Schokolade. Und ob man ein Glas naturtrüben Bio-Apfelsaft oder ein Pils (jeweils 0,2 Liter) zu sich nimmt, macht in dieser Hinsicht auch keinen Unterschied.

In diesem Sinne: Her mit dem Winter- und Weihnachtsspeck. Willkommen, Lebkuchen und Butterstollen. Hinein mit der fetten Gans, und danach noch ein Tiramisu. Schmeißt die Waagen weg und vertraut eurem Empfinden. Denn alles wird (normalerweise) wieder gut und Genuss ist schließlich Notwehr.

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