Aligot: eine französische Spezialität
Kartfoffelbrei nach französischer Art / dpa

„Klimaretter“ als kulinarische Banausen - Aligot – der etwas andere Kartoffelbrei

Unser Genusskolumnist fand es verstörend, dass Aktivisten der „Letzten Generation“ ein Gemälde von Claude Monet mit Kartoffelbrei beworfen haben. Und dann noch mit einem so miserablen. Für ihn ein Anlass, an eine französische Spezialität aus dem Aubrac zu erinnern.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Mit der Wahl von Kartoffelbrei als Mittel für die Attacke auf ein Bild des französischen Impressionisten Claude Monet im Potsdamer Museum Barberini scheinen die Aktivisten der „Letzten Generation“ (LG) auf den ersten Blick ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt zu haben, große kulturhistorische Linien bei der Planung ihrer Aktionen einzubeziehen. Schließlich erblickte 1926 im Todesjahr von Claude Monet ein anderer großer französischer Meister das Licht der Welt. Paul Bocuse prägte mehrere Generationen von Köchen und stellte die klassische französische „Haute Cuisine“ mit seiner Orientierung auf Saisonalität und Regionalität vom Kopf auf die Füße.

Fälschlicherweise wird er oft als Wegbereiter der „Nouvelle Cuisine“ bezeichnet, obwohl er für die absurden Auswüchse dieser Kochschule oftmals nur Hohn und Spott übrig hatte, frei nach dem Motto: „Nichts auf dem Teller – alles auf der Rechnung.“ Jedenfalls gehörte Bocuse neben Joël Robuchon zu jenen Sterneköchen, die dem Kartoffelbrei eine hohe Wertschätzung und Sorgfalt bei der Zubereitung entgegenbrachten und ihn keinesfalls zur schnöden Sättigungsbeilage degradierten oder gar – wie die „Haute Cuisine“ – verpönten.

Mit Dosen und Tüten das Klima retten?

Allerdings sind Zweifel erlaubt, ob es unseren Klimarettern bei der Aktion wirklich um eine Hommage an die französische Kunst und Kulinarkultur ging. Oder um ein Plädoyer für klimaschonende, vegetarische Lebensmittel, denn schließlich zeigt das attackierte Bild einen Getreideschober. Misstrauisch machen zunächst einmal Bilder von der Aktion, auf denen deutlich zu sehen ist, dass besagter Kartoffelbrei eine eher flüssige Konsistenz hatte. Da dreht sich Bocuse im Grabe um. Ferner liegt die Vermutung nahe, dass der Kartoffelbrei vegan war, was ebenfalls in krassem Gegensatz zur französischen Kochkultur stünde. Vielleicht wurde er auch aus denaturiertem Tütenpulver hergestellt, mit zu viel Wasser. Außerdem erscheinen Klimaschutz und die Verschwendung von Lebensmitteln kaum vereinbar.

Eine an der Aktion beteiligte Aktivistin der „Letzten Generation“ raubte einem dann in einem YouTube-Video, dass bis zum 2. November über 19 Millionen Mal angeklickt wurde, die letzten Illusionen. Inspiriert habe die Gruppe ausschließlich eine Aktion der britischen  Schwesterorganisation „Just Stop Oil“, die zuvor das berühmte Van-Gogh-Gemälde „Sonnenblumen“ in der National Gallery in London mit Tomatensuppe (aus der Dose, Marke „Heinz“!) beworfen hatte. Das mit dem Kartoffelbrei sei eine „selbstironische Komponente“ gewesen, die man „so als Deutsche sehr witzig“ fand. Und „irgendwie war es auch ein kleines bisschen cool“ mit der Aktion sogar in der New York Times zu erscheinen.

Auf den Käse kommt es an

Also doch nur durchgeknallter Vandalismus einiger selbsternannter „Klimaretter“. Dann bleibt es eben an dieser Kolumne hängen, die französische Kartoffelbrei-Kultur angemessen zu würdigen. Wie Joël Robuchon mit diesem Gemüse umgegangen ist, wurde bereits in einer früheren Ausgabe erwähnt. Widmen wir uns jetzt also dem Aligot, einer regionalen Spezialität aus dem Aubrac, wo diese Kartoffelspeise früher angeblich von am Jakobsweg gelegenen Klostern an durchreisende Pilger als nahrhafte Mahlzeit ausgegeben wurde, bevor es zum allgemein beliebten bäuerlichen Gericht in den Regionen Auvergne-Rhone-Alpes und Okzitanien avancierte.
 

 Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Wie bei bäuerlich-deftigen Gerichten üblich, ist die Zutatenliste äußerst überschaubar und die Zubereitung denkbar einfach. Im Mittelpunkt stehen mehligkochende Kartoffeln und Käse. Natürlich nicht irgendein Käse. Der Klassiker ist Tomme fraîche, ein hartgepresster, leicht fermentierter und ungesalzener Kuhmilch-Quark, der traditionell in der Herkunftsregion des Aligot hergestellt wird. Nach diesem Käse können sie sich in Deutschland allerdings die Füße wund laufen. Daher lässt die Geschmackspolizei auch einen „normalen“ Tomme oder einen jungen Cantal zu. Alles andere ist allerdings verboten!

Los geht’s. Die Kartoffeln schälen, in Stücke schneiden, in kaltem, ungesalzenen Wasser aufsetzen und nach Erreichen des Siedepunkts ca. 20 Minuten kochen lassen. Dann das Wasser abschütten und die Kartoffeln im Topf gründlich zerdrücken. Butter, Creme Fraîche und frisch gepressten Knoblauch hinzufügen und gut vermischen

Immer frisch servieren

Jetzt kommt der Topf wieder auf den Herd, und dann kommt der Käse. Den rührt man –  je nach Konsistenz gerieben oder in kleinen Stücken – auf kleiner Flamme kräftig ein, bis er Fäden zieht und eine homogene, luftige Masse entstanden ist. Gewürzt wird nur mit schwarzem Pfeffer aus der Mühle und eventuell etwas Salz, doch meistens ist der Käse salzig genug. Die beim „deutschen“ Kartoffelbrei übliche Zugabe von Muskatnuss ist beim Aligot streng untersagt!

Immer sofort servieren, denn mit der luftigen Konsistenz ist es schnell vorbei. Dazu einen grünen Salat und Baguette, sonst nichts. Denn es schmeckt nicht nur großartig, sondern macht auch unglaublich satt.

Hätten die LG-Aktivisten Stil und Kulturbewusstsein, dann hätten sie bei der Attacke auf das Monet-Gemälde wenigstens Aligot eingesetzt. Haben sie aber nicht. Und ohnehin wäre dieses köstliche Gericht viel zu schade für so eine Aktion.

 

Aligot

Zutaten für 4 Personen
 

1 kg mehligkochende Kartoffeln

400 g Tomme fraîche (ersatzweise anderer Tomme oder junger Cantal)

200 g  Creme Fraîche

80 g Butter

3 gepresste Knoblauchzehen

Pfeffer, Salz

 

 

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Ingo frank | Sa., 19. November 2022 - 14:20

Wer nichts von Kunst versteht, versteht auch nichts vom Essen!
Wer mit dem Leihwagen zu ankleben fährt, zeigt sein wahres Gesicht oder besser gesagt seine ideologische Fratze und was noch schlimmer ist, seine „Intelligenz“ zur absoluten Scheinheiligkeit!
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Gabriele Bondzio | So., 20. November 2022 - 09:23

Ihnen, werter Herr Balcerowiak, scheint der Humor noch nicht abhanden gekommen sein.

Das war einen Lacher bei mir wert.
Wenn der verwendete Kartoffelbrei lecker gewesen wäre, hätten die Kleber (bzw. durchgeknallten Vandalisten) ihn wohl selbst verzehrt.

Tomme fraîche und Creme Fraîche zu verwenden, ist doch mal eine neue Idee, die ich demnächst ausprobieren werde.

Auch die Knoblauchzehen habe ich noch nicht verwendet.
Kommen aber nur in Frage wenn ich für die eigene Familie koche. Wo ich weis, dass sie selbigen essen.

"Mit dem Geist ist es wie mit dem Magen: Man kann ihm nur Dinge zumuten, die er verdauen kann."
Winston Churchill

Ernst-Günther Konrad | So., 20. November 2022 - 12:09

Wer so mit Essen umgeht, egal ob kulinarisch zubereitet oder sonst wie gekocht ist ein Menschenfeind. Millionen Menschen verhungern und hier wird Essen als "Waffe" einer klimahysterischen und ideologisch verbrämten Kleinstminderheit eingesetzt. Es zeigt eindeutig, diese Ignoranten gehören aufs Feld, aussäen bzw. setzen, pflegen und mit den Händen den Kartoffelkäfer abpflücken, ernten und selber zubereiten, damit die mal sehen, wo unsere Nahrung tatsächlich herkommt, eben nicht aus dem Regal beim Discounter und mit welchen Mühen, auch wenn maschinell unterstützt und Zeitaufwand der Hunger der Welt gestillt werden muss.
@ Ingo Frank - Volltreffer - Bravo.