Bundesbildungsministerin fordert Leistungsprämien für Lehrer - It’s the honor, stupid!

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) wirbt für Leistungszulagen für besonders engagierte Lehrer, um etwas gegen den Lehrermangel zu tun. Dabei gehören Lehrer schon zu den Spitzenverdienern in Deutschland. Das Problem ist nicht zu wenig Geld, sondern zu wenig Anerkennung: Lehrer haben es immer häufiger mit unerzogenen Kindern und anmaßenden Eltern zu tun – und werden dabei zum Buhmann der Nation erklärt.

Eine Schülerin zeigt ihrer Lehrerin den Mittelfinger / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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In der Bild hat Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) dieser Woche für Leistungszulagen für besonders engagierte Lehrer geworben. Das sei einerseits eine Frage der „Anerkennung“. Und es könne andererseits helfen, etwas gegen den grassierenden Lehrermangel zu tun, weil so die Attraktivität des Berufsfeldes gesteigert würde.

Wenn ein Gut zu knapp ist, müssen einfach die Preise steigen – dann werden auch mehr Güter produziert. Mit dieser einfachen Logik will Stark-Watzinger dem Problem also beikommen. Was ganz marktwirtschaftlich gedacht ist, zeigt aber vor allem eines: dass die ehemalige Haushaltspolitikerin nicht wirklich weiß, wovon sie redet.

Dass beginnt schon mit der Tatsache, dass ihr Einfluss in dieser Sache nullkommanull ist. Über die Vergütung der Lehrer entscheiden nämlich, wenn sie Angestellte sind, die Finanzminister der Länder gemeinsam mit den Gewerkschaften in Tarifverhandlungen. Und wenn sie, was überwiegend der Fall ist, Landesbeamte sind, wird über die Höhe der Besoldung von den Landtagen im Rahmen der Beamtenbesoldung befunden. Die Bundesbildungsministerin kommt im Verfahren also an keiner einzigen Stelle vor.

Lehrer sind Spitzenverdiener

Aber eine Bundesministerin kann ja auch einfach mal Debatten anstoßen und anderen gute Ratschläge erteilen. Dagegen wäre dann nichts zu sagen, wenn sie praxistauglich und durchdacht wären. Aber das sind sie einfach nicht. Die Wahrheit ist nämlich: Es liegt nicht am Geld.

Schon heute gehören Deutschlands Lehrer zu den Spitzenverdienern – und damit keine Missverständnisse entstehen: das mit Recht. In Deutschland ist die überwiegende Mehrheit von ihnen auf einer so genannten A13-Stelle verbeamtet. Lediglich an Grundschulen gibt es in einigen Ländern noch die A12. Aber das wird sich zeitnah ändern, dafür ist die Konkurrenz zwischen den Ländern einfach zu groß. Das gilt spätestens seit dem Tage, an dem sich auch NRW als big player unter den Ländern dazu entschlossen hat, seine Grundschullehrer künftig nach A13 zu besolden.

Da das Besoldungsrecht Ländersache ist, unterscheidet sich das Einkommen der Lehrer deutschlandweit. Aber gemessen an der Besoldungshöhe ist das nicht allzu viel. Es mag daher genügen, sich exemplarisch jenes Land anzuschauen, das regelmäßig Deutschlands beste Schulleistungen aufweist: Bayern.

Nehmen wir dazu den einfachsten Fall: 25-jähriger Berufsanfänger, unverheiratet, keine Kinder. Ab dem ersten Tag erhält dieser einen jahresdurchschnittlichen Bruttolohn von 5.139 Euro pro Monat. Da Beamte geringere Sozialabgaben als Angestellte leisten müssen, ergibt das selbst bei Steuerklasse 1 stattliche 3.869 Euro Netto-Anfangsgehalt pro Monat. Ist der Beamte verheiratet oder hat er Kinder, kommen noch Familienzuschläge hinzu. Wenn dieser Beamte bis zu seiner Pension einfach unauffällig arbeitet, steigt der Bruttolohn automatisch auch ohne Beförderung auf 6.059 Euro an, das macht netto 4.373 Euro pro Monat. Freilich in heutigen Werten gerechnet. Künftige Lohnsteigerungen kommen noch hinzu.

Gehälter weit über dem Durchschnitt

Allerdings müssen die Beamten hiervon auch noch einen Teil ihrer Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung bestreiten. Den Rest gibt es vom Dienstherrn als Beihilfe oben drauf. Und das können bis zu 70 Prozent der Kosten sein.
 

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Zum Vergleich: Im Jahr 2021 lag das durchschnittliche Brutto-Monatsgehalt in ganz Deutschland bei 4.100 Euro. Bei einem Tarifbeschäftigten in der Steuerklasse 1 macht das abzüglich aller Beiträge an die Sozialversicherungen monatlich ungefähr 2.585 Euro netto. Fazit: Lehrer verdienen selbst als Berufsanfänger netto etwa 35 Prozent mehr als der Durchschnitt, zum Ende ihre Karriere sind es etwa 50 Prozent mehr.

Aber das ist nur der „einfache“ Lehrer. Dann gibt es noch Beförderungsstellen, sonstige Funktionsstellen und Schulleitungsstellen – also A14, A15 und A16. Sie machen deutschlandweit ungefähr 30 Prozent aller Lehrerstellen aus.

Lehrergehälter sind Weltklasse

Der verbeamtete Schulleiter eines Gymnasiums erhält in den letzten Jahren seines Erwerbslebens in Bayern zum Beispiel eine monatliche Bruttobesoldung von 8.288 Euro oder netto von etwa 5.556 Euro (abzüglich anteiliger Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung). Und genau dieser Verdienst bestimmt dann anschließend über die Höhe der Pension. In Bayern wird noch immer ein Höchstruhegehaltssatz von 71,75 Prozent der letzten Besoldung gezahlt, wenn man denn mindestens 40 Dienstjahre vorweisen kann.

Und auch im internationalen Vergleich müssen sich Deutschlands Lehrer nicht verstecken. Das kann man zum Beispiel dem gerade erst von Bundesministerin Stark-Watzinger persönlich vorgestellten Bericht „Education at a Glance“ der OECD entnehmen. Eigentlich müsste sie daher wissen, dass die deutschen Lehrergehälter absolute Weltklasse sind. So steht es schwarz auf weiß in dem Bericht.

Wenn also die Lehrergehälter der Schlüssel für die Lösung des tatsächlichen Problems wären, müsste Deutschland in Lehrern ertrinken und seine Schulen international die besten Schulleistungen hervorbringen. Beides ist nicht der Fall. Und das ist auch kein Wunder, denn es geht gar nicht in erster Linie ums Geld. Ganz andere Faktoren verursachen Lehrermangel und schlechte Stimmung in den Kollegien.

Schmerzensgeld für anmaßende Eltern

Da wäre als erstes die Tatsache, dass es die Kultusministerkonferenz (KMK) bis heute nicht hinbekommt, eine valide Lehrerbedarfsprognose zu erstellen. Außerdem werden die Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen durch die Länder nur selten konsequent anhand der tatsächlichen Bedarfe gesteuert. Und dort, wo es geschieht, fehlen meist trotzdem die Studenten – jedenfalls in den Mangelfächern.

Das wiederum hat vor allem mit der Tatsache zu tun, dass die hohen Lehrergehälter zu einem erheblichen Teil einfach als das betrachtet werden müssen, was sie sind: Schmerzensgelder für unausgegorene und sich ständig abwechselnde Schulreformen in den Ländern, für schlecht auf die Schule vorbereitete und nicht selten unerzogene Kinder und für anmaßende Eltern, die die Verhaltensauffälligkeit ihrer Sprösslinge auch noch für eine Form der Hochbegabung halten.

War der Lehrer früher einmal neben Pastor und Bürgermeister die Respektsperson schlechthin in jedem Dorf, wurde der Schule über Jahrzehnte hinweg immer mehr eine zivilisatorische Mülleimerfunktion zugewiesen: Lehrer sollen heute alles das an den Kindern reparieren, wozu die Eltern selbst nicht mehr Willens oder in der Lage sind. Und wenn das nicht klappt, sind natürlich die Lehrer schuld.

Der Buhmann der Nation

Neben Planungsfehlern der Politik und demografischen Engpässen ist es daher der atemberaubende Ansehensverlust, den Lehrer vor allem bei Schülern, Eltern und der gesamten Gesellschaft erlitten haben, der den Beruf trotz hoher Gehälter so wenig attraktiv macht. Wer will schon auf Jahrzehnte hin der Buhmann der Nation sein? Der wahre Lohn des Lehrers besteht nicht aus Geld, sondern aus Respekt, Ehre und Dankbarkeit – und zwar der ganzen Gesellschaft.

Wissenschaftliche Studien zur Motivation für die Wahl des Lehrerberufes zeigen denn auch, dass vor allem der Wunsch, „mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten“, „Menschen etwas beibringen“ zu können oder das Interesse an den eigenen Fächern im Vordergrund stehen. Pekuniäre Motive hingegen spielen unter Lehramtsstudenten und Berufsanfängern so gut wie keine Rolle. Zum Glück kann man da nur sagen, denn ein guter Schuss an Idealismus ist das beste Schmiermittel gelingender Bildungsprozesse.

Stark-Watzingers Vorschlag geht daher sowohl an den strukturellen Problemen des Schulsystems als auch an den subjektiven Motivlagen der Lehrerschaft vorbei. Und er verkennt die Erfahrungen, die in der Vergangenheit bereits gemacht wurden und wie Schule wirklich funktioniert. Denn es gab sie schon einmal, die Leistungszulage im öffentlichen und damit auch im Schuldienst.

Bildungsministerium ist mit Schulsystem nicht vertraut

Das Ergebnis war überall dasselbe, und deshalb wurde das Experiment auch wieder eingestellt: Was Motivation schaffen sollte, erzeugte Frust und Neid in den Kollegien. Die Schule funktioniert nämlich nicht wie die Wissenschaft. Es ist kein Wettbewerb von Individualisten um den ersten Platz an der Sonne. Jede gute Schule lebt nicht von einzelnen Spitzenlehrern, sondern vom Funktionieren des Gesamtkollegiums. Ein Rad muss ins andere greifen. Und das setzt vor allem Kooperation und Kollegialität voraus – und nicht Wettbewerb.

Daher kann man Stark-Watzingers Vorschlag im Interesse guter Schulen nur wünschen, dass er so schnell wieder aus der Öffentlichkeit verschwindet, wie er in sie hinein geraten ist. Denn er dokumentiert nur eines: Wie wenig vertraut das Bundesbildungsministerium tatsächlich mit dem System Schule ist. Und das ist ja auch kein Wunder, sondern Folge mangelnder eigener Erfahrung wegen vollständiger Unzuständigkeit. Denn Schule ist in Deutschland noch immer Ländersache.

Lesen Sie passend dazu die Cicero-Titelstory im Dezember: Im großen Schulranking aller Bundesländer zeigen Mathias Brodkorb und Katja Koch, wer vorn und wer hinten liegt und wie weit der bundesweite Bildungsnotstand fortgeschritten ist.

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