Personalpolitik von Friedrich Merz - Eine Konstante: ständige Korrekturen

Nach gerade einmal eineinhalb Jahren hat der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz seinen Generalsekretär Mario Czaja entlassen - nicht die erste Personalie, die Merz korrigieren musste. Man fragt sich, wie der Mann das Land regieren will, wenn er das Konrad-Adenauer-Haus nicht in den Griff bekommt.

Wie viele Fehlgriffe kann er sich noch leisten? Friedrich Merz zwischen dem alten und dem neuen Generalsekretär / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Friedrich Merz war während seiner politischen Auszeit zwischen 2009 und 2021 ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt, Aufsichtsrat und Berater. Selbst seine Gegner in der CDU trauten ihm zu, dass er – unabhängig vom Inhaltlichen – die Partei führen kann. Doch 18 Monate nach Amtsantritt zeigt die Personalie Czaja, dass der Chef die Parteizentrale nicht im Griff hat, dass seine Personalpolitik keine gute Note verdient.

Mit dem Ostberliner Czaja als Generalsekretär wollte Merz gleich zwei Strömungen in der Partei bedienen – die ostdeutschen Landesverbände und die CDU-Sozialausschüsse. Denn Czaja war einst Sozial- und Gesundheitssenator in Berlin. Er sollte sozusagen als soziales Korrektiv zum Marktwirtschaftler Merz wirken.

Zusätzlich sprach für Czaja, dass er ein erfolgreicher Wahlkämpfer war. Er nahm 2021 der Lokalmatadorin von der Linkspartei, Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, den Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf ab. Obendrein erreichte er als einziger aller 299 Direktkandidaten von CDU und CSU einen Zuwachs bei den Erststimmen.

Dennoch war Czaja genaugenommen nur zweite Wahl, weil Merz eigentlich eine Frau als Parteimanagerin haben wollte. Die von ihm auserkorene Christina Stumpp, bis zum Einzug in den Bundestag 2021 eine unbekannte schwäbische Kommunalpolitikerin, sagte jedoch mit Rücksicht auf ihr kleines Kind ab. Um dem Frauenfaktor Genüge zu tun, schuf Merz für sie das neue Amt der stellvertretenden Generalsekretärin. Das hat außerhalb der Partei aber bis heute kaum jemand bemerkt, wenn man von den Berliner Insidern einmal absieht.

Es stellte sich bald heraus, dass Czaja mit der neuen Aufgabe überfordert war. Als Bundestagsneuling musste er sich zuerst einmal im Parlamentsbetrieb zurechtfinden. Als bisher ausschließlich in der Hauptstadt aktiver Politiker fehlten ihm obendrein die für einen Generalsekretär so wichtigen Verbindungen in die Landes- und Kreisverbände.

Czaja war nicht der einzige personalpolitische Fehlgriff von Merz

Ironie des Schicksals: Merz hat ebenso wie einst Angela Merkel auf den falschen Mann gesetzt. Deren erster Generalsekretär Ruprecht Polenz gab im Jahr 2000 nach nur sieben Monaten auf, weil die Kritik an seinem viel zu bedächtigen Stil in der Partei immer lauter anschwoll. Es ist zu vermuten, dass Merz auf diese Parallele zu der Frau, die ihm vor 23 Jahren den Fraktionsvorsitz abnahm, gerne verzichtet hätte.

Czaja war aber nicht der einzige personalpolitische Fehlgriff von Merz. In seiner kurzen Amtszeit hat er bereits zwei Büroleiter verschlissen. Nach nur neun Wochen verließ ihn die frühere nordrhein-westfälische CDU-Politikerin Andrea Verpoorten. „Die Erwartungshaltungen passten nicht“, begründete die damals 48-Jährige das schnelle Ende der Beziehung. Angeblich agierte Verpoorten als Büroleiterin und Chefin des Leitungsstabs aus Sicht des Vorsitzenden zu selbstbewusst und selbständig.

 

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Verpoortens Nachfolger Marian Bracht amtierte ebenfalls nur kurz, von April bis August 2022. Merz feuerte ihn, weil Bracht die Absage von Merz, an einer Veranstaltung der konservativen Denkfabrik „The Republic“ teilzunehmen, schlecht kommuniziert haben soll. Ohnehin passte bracht Bracht eigentlich nicht zu Merz. Schließlich hatte er zuvor zwei ausgesprochenen „Merkelianern“ in der CDU zugearbeitet.

Bei der Auswahl des Bundesgeschäftsführers, dem Verwaltungschef der Parteizentrale, hatte Merz ebenfalls keine glückliche Hand. Zunächst hatte er Stefan Hennewig im Amt gelassen, obwohl dieser schon unter den Vorgängern von Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet, dieselbe Funktion innegehabt hatte. Auch hier war vorhersehbar, dass das nicht gut gehen kann. Schließlich war Hennewig seit 2000 in der Parteizentrale beschäftigt. Dass die Kandidaturen von Merz für den Vorsitz von dort aus nicht gerade neutral begleitet wurden, ist kein Geheimnis.

Der Aufsichtsrat Merz würde wohl von eklatanten Managementfehlern sprechen

Hennewig musste nach einem dreiviertel Jahr gehen, und zwar einen Tag nach der für die CDU schlecht ausgegangenen niedersächsischen Landtagswahl im Oktober 2022. Ersetzt wurde er durch den früheren Thales-Vorstandsvorsitzenden Christoph Hoppe. Zusammen mit Hoppe berief Merz die frühere Journalistin Kathrin Degmair zur neuen Leiterin der Stabsstelle Strategische Planung und Kommunikation.

Auch hier ging die Merzsche Personalpolitik schief. Nach zweieinhalb Monaten schied Degmair wieder aus. Dieser Abgang wurde von der CDU so verbrämt verkündet: „Frau Dr. Degmair bleibt dem Parteivorsitzenden der CDU Deutschlands, Friedrich Merz MdB, auch künftig als Beraterin verbunden.“

Im selben Stil verbreitete die CDU-Pressestelle im Juni dieses Jahres einen weiteren Abgang: den des von Merz zum Chefstrategen berufenen Markus Kerber. Der ausgewiesene Wissenschaftler, ehemalige BDI-Hauptgeschäftsführer, Manager und Ex-Staatssekretär von Innenminister Horst Seehofer (CSU) fühlt sich im Adenauer-Haus fehl am Platz. Natürlich bleibe er nach diesem Kurzintermezzo dem Parteichef verbunden, teilte die CDU wenig glaubwürdig mit.

Eine recht seltsame Konstruktion hat Merz auch für die sehr wichtige Pressearbeit gewählt. Es gibt in der CDU-Zentrale eine Pressesprecherin, Isabelle Fischer. Die spricht für die Partei, aber nicht für den Parteivorsitzenden. Das macht ihr Stellvertreter Armin Peter. Den hat Merz vom Wirtschaftsrat der CDU ins Konrad-Adenauer-Haus mitgenommen. Eine im politischen Berlin wohl einmalige Konstellation.

Ungeachtet anderer personeller Fehlgriffe spricht viel dafür, dass Merz mit Carsten Linnemann genau den richtigen Generalsekretär berufen hat: eloquent, angriffslustig und wirtschaftspolitisch kompetent. Die personalpolitische Bilanz des CDU-Chefs bleibt dennoch desaströs: den falschen Mann zum Generalsekretär gemacht, eine weithin unbekannte und unsichtbare stellvertretende Generalsekretärin installiert, zwei Büroleiter verschlissen, auf den falschen Bundesgeschäftsführer gesetzt, den Chefstrategen verloren. Der Aufsichtsrat Merz würde da wohl von eklatanten Managementfehlern sprechen.

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