() Ärger liegt in der Luft.
Merkels Mädchen -zwei Frauen, zwei Wege in der Politik
Familienministerin Kristina Schröder und Sozialministerin Ursula von der Leyen beharken sich regelmäßig auf der politischen Bühne. Ihre Konflikte legen die Unterschiede der beiden Ministerinnen in politischer Herkunft, ihren Zielen und ihren Werten schonungslos offen.
Es gab da vor ein paar Monaten diese Szene im Kabinett, die die Kameras eingefangen haben. Ursula von der Leyen steht eingerahmt von Angela Merkel und Kristina Schröder. Sie ballt die Hände zu Fäusten, während sie sich über irgendetwas empört. Kurz darauf ist es die Kanzlerin, die die junge Familienministerin Schröder offensichtlich mit Nachdruck in ihre Schranken weist. Schröders Wangen sind gerötet, der Mund verkniffen, sie ist sichtlich wütend. Ursula von der Leyen schaut bekümmert drein, während sie sich Mühe gibt, ihre Befriedigung zu verstecken - erfolglos. Sie wirkt wie die Mitschülerin, die gerade gepetzt hat und nun froh darüber ist, dass sich die Lehrerin auf ihre Seite geschlagen hat. Als von der Leyen ihrer jungen Mitministerin dann noch den Rücken tätschelt, wendet sich diese genervt ab. Auch wenn dem Fernsehzuschauer bei dieser Szene der Ton fehlt, ist doch klar: Zwischen den Frauen im Kabinett läuft nicht alles rund.
Die Szene vor der Kabinettsitzung ist mittlerweile einige Monate her, aber symptomatisch für das Verhältnis zwischen den beiden Ministerinnen, die in diesen Tagen in Sachen Frauenquote schon wieder im politischen Clinch liegen.
Kristina Schröder hat mit ihrem Job im Familienressort ein schweres Erbe angetreten. Ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen kann sich den großen Verdienst, als moderne Konservative die Familienpolitik der CDU reformiert zu haben, auf die Fahnen schreiben. Mit ihrem Kampf für einen massiven Ausbau der Krippenplätze hat sie sich den Platz der zweiten einflussreichen Frau in der Union neben Angela Merkel erarbeitet. Nach der letzten Bundestagswahl ist sie dann ins Sozialressort gewechselt. Der immer frohgemuten Frau schien irgendwie alles zu gelingen. Während ihres erfolgreichen Medizinstudiums, der Arbeit als Assistenzärztin in einer Frauenklinik und ihrer Promotion, setzte die Übermutter zwischen 1987 und 1999 sieben Kinder in die Welt. Schließlich schaffte sie so ganz nebenbei noch den Einstieg in die Politik, erst in Niedersachsen und seit 2005 in Berlin.
Kristina Schröder versucht, seit die 33jährige im Herbst 2009 jüngstes Mitglied der Bundesregierung und Familienministerin wurde, sich nicht in den Fußstapfen ihrer Vorgängerin zu verlaufen. Diese machte ihrer Nachfolgerin nicht nur durch die geleistete Vorarbeit den Einstieg ins neue Ressort schwer. Beim Weggang aus dem Ministerium nahm von der Leyen zudem ihre fähigsten Mitarbeiter mit.
Wenig später hatten die beiden schon ihren ersten handfesten Streit. Die von der neuen Sozialministerin entworfenen Pläne für die Förderung der Kinder von Hartz-IV-Empfängern wurden zunächst an der Familienministerin vorbei diskutiert und gipfelten in der Diskussion um die Bildungscard. In der Bild am Sonntag hatte Schröder daraufhin ihre Zweifel am Datenschutz bei der geplanten Chipkarte für bedürftige Kinder angemeldet. Ursula von der Leyen reagierte noch vor der Veröffentlichung und hatte ihre Verteidigungslinie schon parat: „Abwegig“ sei die Warnung, dass von den armen Kindern mit der Karte Bewegungsprofile erstellt werden könnten. Kristina Schröders Einwände standen in der Öffentlichkeit plötzlich als kleinkariert und überflüssig da.
Das war der Einstand der Neuen, die der Sozialministerin in Sachen Ehrgeiz sicher in nichts nachsteht. Im Sommer erwartet Kristina Schröder nun ihr erstes Kind. Was viele Frauen in ihrem Amt nicht wagen würde, sie traut es sich zu. Schon zu Schulzeiten trat die Konservative der Jungen Union bei und lernte in ihrer Freizeit die Namen der Kabinettsmitglieder von Helmut Kohl auswendig. Während ihres Soziologiestudiums arbeitete sie sich durch Kreis-, Bezirks- und Landesverbände hoch und konnte mit Abschluss ihres Studiums einen Sitz im Deutschen Bundestag vorweisen. Alles war ausgelegt auf eine Karriere in der deutschen Politik. Und die ist ihr bisher gelungen – auch ohne Frauenquote.
Diese war nun Anlass der jüngsten Auseinandersetzungen zwischen den Ministerinnen. Denn die als sozialdemokratische CDUlerin bekannte von der Leyen lancierte einen weiteren Angriff auf die Kompetenzen der Kollegin, indem sie vollmundig erklärte, die Bundesregierung werde noch in diesem Jahr ein Gesetz für eine verpflichtende 30-Prozent-Quote vorlegen. Kristina Schröder musste schnell kontern und plädierte für eine selbstverpflichtende Frauenquote. Bis 2013 solle sich der Anteil der Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten verdreifachen. Geschähe dies nicht, könne dann Schröders „flexible Quote“ greifen. Angela Merkel schaute sich den Streit ihrer Ministerinnen nur wenige Tage an und wischte das Thema in der vergangenen Woche mit Hinweis auf den unwilligen Koalitionspartner vom Tisch. Ein Punkt für Schröder.
Kristina Schröders eigenes Projekt, die Familienpflegezeit, ist hingegen mittlerweile in Vergessenheit geraten. Ohnehin ist es für die Familienministerin schwer, mit ihrem Etat die ganz großen Entwürfe auf Tapet zu bringen. Während Ursula von der Leyen mit 130 Milliarden Euro den größten Finanzposten im Bundeshaushalt erhält, muss Kristina Schröder mit einem Zwanzigstel des Geldes auskommen. Einfacher ist es für das Ziehkind des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, sich als konservative Christdemokratin zu profilieren. Und so treibt sie zum Beispiel das Projekt Anti-Extremistenklausel voran. Diese muss künftig jeder Verein und jede Initiative unterschreiben, um Gelder vom Bund zu bekommen, vor allem jene zivilgesellschaftlichen Initiativen, die in Ostdeutschland rechtsextreme Gewalt bekämpfen. Mit dem Bekenntnis zur „freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik“ will Kristina Schröder neben rechtsextremen Tendenzen auch die „Verharmlosung des Linksextremismus“ eindämmen.
Die junge Ministerin Schröder muss sich abrackern, um sich im Berliner Politikbetrieb überhaupt Gehör zu verschaffen. Währenddessen werden Ursula von der Leyen bereits Ambitionen auf die Kanzlerschaft nachgesagt. Auch deshalb schärft die Quereinsteigerin im Bundeskabinett ihr soziales Profil und ist zudem eifrig darum bemüht, sich in der Union eine Hausmacht aufzubauen.
So bleiben von der Leyen und Schröder politische Konkurrentinnen. Die Streitigkeiten zwischen den beiden Frauen werden noch häufiger Schlagzeilen machen. Denn es gibt wohl kaum Ressorts, die sich so sehr überschneiden weil sie in besonderem Maße die Lebenswelten der meisten Deutschen betreffen: Familie und Arbeit.
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