Kosten der Corona-Bewältigung - Motto deutscher Haushaltspolitik: Ist ja nur Geld

Insgesamt 440 Milliarden Euro hat sich der Bund die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie kosten lassen. Das Gesundheitssystem ist allerdings so marode wie nie. Selten wurde so viel Geld mit so wenig Ertrag zum Fenster rausgeworfen. 

Allein für Impfungen, Tests und Schutzausrüstungen gingen 63,5 Milliarden Euro drauf / dpa
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Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Jetzt ist es raus: 440 Milliarden Euro soll der Bund laut Welt am Sonntag in den zurückliegenden drei Jahren für die Bewältigung der Corona-Pandemie ausgegeben haben. Eine Aufstellung des Bundesfinanzministerium soll demnach ergeben haben, dass sich davon die größten Batzen auf die Wirtschaftshilfe für Unternehmen, Profisportvereine und Kulturveranstalter (66,2 Milliarden Euro) sowie auf die Kosten für Impfungen, Tests und Schutzausrüstungen (63,5 Milliarden Euro) verteilten.

440 Milliarden Euro also für all die kleinen und großen Maßnahmen, die in summa dazu geführt haben sollen, dass das deutsche Gesundheitssystem in Gegenwart einer neuartigen viralen Bedrohung nicht in die Knie gegangen ist. Jenes Gesundheitssystem übrigens, das heute, über drei Jahre nach Ausrufung der gesundheitlichen Notlage, so marode ist wie nie zuvor – und das, obwohl noch nicht einmal abschließend geklärt ist, wie viel Geld zusätzlich noch einmal von den Ländern und Kommunen in die Stützung der gefährdeten Strukturen geflossen ist. 

Zum Vergleich: Die deutsche Wiedervereinigung hat die Bürger in den Jahren 1990 bis 2003 gut 950 Milliarden Euro gekostet – gemessen zumindest an den Nettotransferkosten, die im besagten Zeitraum von den alten Ländern in die neuen Länder geflossen sind. Doppelt so viel Geld also für ein dreimal so großes Zeitintervall. Schaut man sich heute in Görlitz, Rostock oder Leipzig um, dann weiß man, dass das Geld bei aller berechtigten Kritik im Kern sehr gut investiert gewesen ist. 

Bereits 2020 stand jedes zehnte Krankenhaus kurz vor der Insolvenz

Geht man 2023 indes über die Flure eines deutschen Krankenhauses, dann kommt man oft aus dem Staunen nicht mehr heraus. Und das nicht, weil hier die Bettenlandschaften und Klinikparkanlagen so wunderbar blühten wie in Halle die Gewerbeparks, sondern weil der Putz zuweilen von den Wänden fällt, die Pflegestellen vakant sind und die Ambulanzen aus allen Nähten platzen. Und das ist nicht einmal eine unerwünschte und noch unbewältigte Nebenwirkung der Corona-Krise; das ist ein seit langem hausgemachtes Problem. Laut Bundesrechnungshof stand bereits 2020 jedes zehnte Krankenhaus in Deutschland kurz vor der Insolvenz. Und vier von zehn Kliniken schrieben rote Zahlen. Besonders betroffen sind noch immer Kinderkliniken und Geburtshilfestationen. Während hier und in anderen Spezialkliniken die Patientenfallzahlen aufgrund immer kürzerer Verweildauer von Jahr zu Jahr in die Höhe klettern, sind unzählige Stellen in Medizin und Pflege weiterhin vakant

 

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Denn das während der Pandemie heftig beklatschte und zusätzlich subventionierte deutsche Gesundheitssystem ist längst zu teuer und zu ineffizient. 2019, ein Jahr vor der Pandemie, hat die Behandlung in deutschen Krankenhäusern 98,8 Milliarden Euro und somit 5,7 Prozent mehr als noch 2018 verschlungen. Die vollstationäre Behandlung eines einzigen Patienten kostet die alternde Solidargemeinschaft mittlerweile im Durchschnitt 5088 Euro. Und in diese Summe ist die bauliche Substanz der Kliniken noch gar nicht mit eingerechnet. Die aber ist oft vollkommen veraltet und dringend sanierungsbedürftig. 

So viel also zu den geretteten Kliniken. Ebenso ungerettet sind bis heute übrigens die Medikamentenversorgung, der Fachärztemangel, das Krankenversicherungssystem, die Pflege. Wo also sind sie hin, jene 440 Milliarden Euro Rettungsgelder, die Deutschlands Intensivstationen vor dem Kollaps bewahren sollten? Und hätte man den eigentlichen Effekt – die Stützung des Gesundheitssystems – nicht wesentlich günstiger haben können? 

Die Verträge mit den Impfstoffherstellern sind noch immer streng geheim

Dass unzählige Maßnahmen nicht jene Wirkung erbracht haben, die ihre ideelle Überfrachtung vermuten ließ, ist längst bekannt. Vom Evaluationsbericht des Sachverständigenrats bis hin zu den nach und nach eintrudelnden Studien und Untersuchungen zum Krisenmanagement der Regierung ist längst überdeutlich, dass das Preis-Leistungsverhältnis beim Pandemie-Management in keiner Weise gestimmt haben kann. Selten zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik ist so viel Geld mit so wenig Ertrag zum Fenster rausgeworfen worden. 

Dabei weiß man bis heute nicht einmal genau, wie viel Geld allein in die Beschaffung von Impfstoffen geflossen ist. Laut einer Recherche von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung sollen es Anfang 2023 13,1 Milliarden Euro für sage und schreibe acht Dosen Covid-Impfstoff pro Bundesbürger gewesen sein. Wirklich belastbare Zahlen sind bis heute nicht vorhanden. Die Verträge nämlich, die die EU-Kommission mit den Herstellern für alle Mitgliedstaaten geschlossen hat, sind noch immer streng geheim; und der SMS-Verkehr zwischen Kommissionspräsidentin von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla ist in Teilen verschwunden.

Zwar ist bei der belgischen Staatsanwaltschaft mittlerweile eine Klage gegen Ursula von der Leyen eingegangen, und besonders osteuropäische Regierungen scheinen zunehmend nicht mehr bereit zu sein, die Kosten für längst nicht mehr benötigte Impfstoffdosen zu bezahlen, in Deutschland aber scheint das auf wenig Interesse zu stoßen. Während das Land ökonomisch mehr und mehr in die Rezession abgleitet und Inflation und Nullwachstum den Bürgern grundlegend Sorge bereiten, wird über die 440 Milliarden Pandemie-Kosten erst gar nicht geredet. „Am Ende ist es nur Geld“ – ein Satz, der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor gut einem Jahr in Bezug auf die galoppierenden Staatsausgaben in Sachen Ukraine-Krise über die Lippen kam, wird zum grundlegenden Motto deutscher Haushaltspolitik.

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