Ex-SPDler Torsten Teichert - „Ich halte Scholz für einen zynischen und überschätzten Politiker“

Nach über 40 Jahren in der SPD ist der Hamburger Torsten Teichert in Die Linke eingetreten – um nach 97 Tagen wieder auszutreten. „Nach wenigen Tagen hatte ich verstanden, was Sahra Wagenknecht dazu verleitet hat, ihr Buch 'Die Selbstgerechten' zu schreiben“, sagt er. Eine Rückkehr zur SPD schließt er aus. Spätestens mit der Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz, ein alter Bekannter Teicherts aus Hamburger Tagen, habe er mit den Sozialdemokraten abgeschlossen.

Torsten Teichert: „Es gibt nur ein einziges Programm für Olaf Scholz, und das ist er selbst. Dass er sich mit korrupten Bankern und Milliardären gutstellt, gehört dazu.“ / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

So erreichen Sie Ulrich Thiele:

Anzeige

Torsten Teichert, promovierter Literaturwissenschaftler und einst Sozialdemokrat, war persönlicher Referent des damaligen Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi und Vizepräsident der Handelskammer. Zusammen mit Annett Nack-Warenycia veröffentlichte er vergangenes Jahr das Buch „It’s the Future, stupid“.

Herr Teichert, nach über 40 Jahren in der SPD sind Sie dieses Jahr der Linken beigetreten – für gerade mal 97 Tage …

Lange genug.

So schlimm?

Verstehen Sie mich nicht falsch: Die politischen Debatten sind intensiver als in der SPD, und die Mitglieder wollen wirklich etwas erreichen. Das macht es umso bedauerlicher, wie hoffnungslos zerrissen und orientierungslos diese Partei ist. Diese Linke hat keine Zukunft.

Wie haben Sie die berüchtigten Querelen erlebt?

Auf Versammlungen habe ich die vier heiligen Säulen der sogenannten Bewegungslinken erlebt: Antirassismus, Feminismus, Migrationsverbundenheit, Ökologie. Die Bewegungslinken sind die Leute, die man in Cicero als Gutmenschen verspottet und die Sahra Wagenknecht „Lifestyle-Linke“ nennt. Sämtliche Redner haben vor ihren Beiträgen zunächst ihren biografischen Bezug oder ihre berufliche Verbundenheit zu diesen Themen hervorgehoben. Die soziale Frage kam bemerkenswerterweise kaum vor. Die Leute sagten: „Hallo, ich bin Feministin und in dieser Bewegung unterwegs.“ Oder: „Ich bin Migrant und habe dies und das erlebt.“ Keiner hat gesagt: „Hallo, ich arbeite bei Lidl und hätte gerne ein doppelt so hohes Gehalt.“ Oder: „Hallo, ich bin in der Putzkolonne der Deutschen Bundesbahn und muss jede Nacht von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens saubermachen.“

Abgesehen vom Verblassen der sozialen Frage, wo ist das Problem?

Ich finde das extrem unpolitisch. Aus dieser Betroffenheitslogik heraus – man kann es auch positiv wenden und eine tiefe biografische Verbundenheit nennen – erheben diese Leute einen Wahrheitsanspruch, ein Gefühl der Richtigkeit und des Rechthabens, gegen das sie keine Einwände dulden. Ich habe noch nie eine solche Stimmung des permanenten Verdachts erlebt, die von so großer Wut und gegenseitiger Denunziation geprägt ist. In den Diskussionsrunden geht es immer sofort ans Eingemachte, da werden keine Gefangenen gemacht. In keiner Partei, auch nicht bei den Grünen, wird so erbarmungslos darauf geachtet, dass korrekt gegendert wird, dass genug Plätze an Frauen verteilt sind, dass die Masken richtig aufgesetzt werden. Nach wenigen Tagen in der Partei hatte ich verstanden, was Sahra Wagenknecht dazu verleitet hat, ihr Buch „Die Selbstgerechten“ zu schreiben.

Um mal in die Betroffenheitslogik einzusteigen: Haben Sie das am eigenen Leib zu spüren bekommen?

Ich habe in einer Rede Jeremy Corbyn erwähnt, den ehemaligen britischen Labour-Chef. Ein junger Mann warf mir deswegen in Anwesenheit des gesamten Bezirksvorstands vor, ich solle mich gefälligst von Corbyn distanzieren, weil er Antisemit sei, sonst stünde ich selbst unter Verdacht, ein Antisemit zu sein. Ich persönlich halte Corbyn nicht für einen Antisemiten, weiß aber, dass es auch andere Meinungen gibt. Interessant ist die Zwangslogik, die aus den Verdächtigungen entsteht: Ich muss uns jetzt beweisen, dass ich kein Antisemit bin. Sie sehen: Es geht schnell ins Persönliche über, und diese Attacken kommen ganz stark aus der Bewegungslinken, deren Vertreter die reine Lehre der vier heiligen Säulen vertreten. Zwischen diesen, die ja offenbar in der Mehrheit sind, und dem Wagenknecht-Flügel gibt es keine Bündnisse mehr. Denunziationen stehen auf der Tagesordnung. Die Partei ist so mit sich beschäftigt, dass sie ihren eigentlichen Gegner aus den Augen verliert.

Torsten Teichert / dpa

Wagenknechts Kritik, die Sie auch haben anklingen lassen, ist ja vor allem, dass die Bewegungslinken oder, wie sie sie nennt, die „Lifestyle-Linken“, die soziale Frage ausklammern. Warum ist Ökonomie eigentlich so „unsexy“, obwohl das linke Parteiprogramm voll von typisch linken Forderungen ist?

Die vier heiligen Säulen der Bewegungslinken sind ja in Wahrheit hochmodern; kein Dax-Konzern, der sie sich nicht auf die Fahnen schreibt. Man könnte sagen: Der ideologische Mainstream hat diese Säulen längst absorbiert und ins System integriert. Was natürlich der Lidl-Verkäuferin keinen Cent mehr Gehalt beschert. Man gibt sich zwar irgendwie kapitalismuskritisch, marschiert aber unter der Regenbogenfahne neben den Dax-Vorständen. Ich fand Sahra Wagenknechts Buch in ihrer polemischen Überspitzung befremdlich, aber sie hat einen Punkt getroffen. Es gibt keine moderne Wirtschafts- und Herrschaftstheorie in der Linken. Die vier Säulen haben kein Dach, es regnet ins linke Haus hinein. Wer glaubt, dass Frauen in Dax-Vorständen ein Fortschritt seien, hat von linker Politik nichts verstanden.

%paywall%

 

Weitere Artikel über Die Linke:

 

Was ist denn linke Politik?

Eine linke Politik ist im besten Sinne eine Gerechtigkeitspolitik. Eine Politik, die die Zustände im real existierenden Kapitalismus und in der gesellschaftlichen Wirklichkeit – ich bin kein ökonomischer Determinist, der glaubt, alles ließe sich aus der Ökonomie heraus erklären – nicht als unveränderbar hinnimmt. Wir müssen mit Nationalismen, mit Chauvinismus, mit allen möglichen Rassismen umgehen. Alle diese Zügel sorgen dafür, dass es Ungerechtigkeit gibt. Der Weg zur Gerechtigkeit führt immer über die Emanzipation der Menschen – und mithin über die Veränderung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse. Das heißt, es braucht einerseits maximale Rechte im Sinne von Rechten einer Frau, Rechten eines Schwarzen, Rechten eines Arbeiters, etc. – also das, was man als die Würde eines Menschen bezeichnen kann. Auf der anderen Seite braucht es für diese Rechtsgrundlage eine ökonomische Grundlage. Um den viel zitierten Satz von Adorno noch einmal abzuwandeln: Es gibt keine Gerechtigkeit im Kapitalismus.

Das müssen Sie ausführen.

Wenn es die ökonomische Grundlage nicht gibt, weil die Verteilungsungerechtigkeit einer Gesellschaft so groß ist, dass – frei nach Karl Marx – Quantität in Qualität umschlägt, die Reichen also die Macht haben und die Armen ohnmächtig werden, dann verwandelt sich die Demokratie in eine Nicht-Demokratie. Dann gehen wir zwar zur Wahl, mit sinkender Beteiligung, aber es sind keine wirklichen demokratischen Verhältnisse mehr. Insofern ist eine linke Politik für mich immer eine gleichermaßen emanzipatorische Politik. Ich muss Menschen Rechte geben, aber ich muss Menschen auch die Möglichkeit geben, diese Rechte dann zu nutzen. Das ist übrigens keine blauäugige Politik im Sinne von: „Gib allen Menschen nur 1000 € mehr im Monat, dann werden keine Frauen mehr geschlagen und werden keine Migranten mehr verprügelt und dann werden keine Juden oder Moslems mehr diskriminiert.“ Das ist natürlich alles dummes Zeug. Mit der Ökonomie werde ich den Rassisten nicht besiegen können. Aber ohne die ökonomische Gleichstellung habe ich dazu gar nicht erst die Chance.

Neulich gab es einen von Wagenknecht initiierten Aufruf zu einer populären Linken. Hätten Sie unterschrieben, wären Sie noch in der Partei gewesen?

Ich habe den Aufruf gelesen und fand ihn ziemlich langweilig. Er ist leider das Gegenteil eines echt populären Textes. Und damit vielleicht auch neuerliches Zeugnis des Scheiterns. Von einem solchen Aufruf erwarte ich, dass er auf einer DIN-A4-Seite radikale Analyse und provokante Forderungen in verständlicher Sprache formuliert. Ich bin durchaus Anhänger von populistischer Politik. Ich glaube, anders kommt man gegen diese Systemzwänge nicht an. Es braucht radikale Forderungen, die die Bevölkerung erreichen und von ihr verstanden werden. Wenn dann ein paar Redakteure in der Zeit und im Spiegel sagen, das sei Populismus, dann muss man das aushalten.

Dann nennen Sie doch mal eine radikale Forderung.

Ich habe mit Annett Nack-Warenycia das Buch „It’s the future, stupid“ geschrieben. Darin stellen wir am Ende einige Forderungen. Zum Beispiel für eine generelle Tarifpflicht in Deutschland oder die Begrenzung von Reichtum Einzelner.

Das ist doch keine radikale Forderung. In Österreich gibt es eine Tarifpflicht, und dort herrscht kein Sozialismus.

Sie glauben nicht, was hierzulande passieren würde, dabei ist das noch eine von den simplen Forderungen. Die Tarifpflicht wäre nur ein Punkt. Ich würde Gehälter über einer Million Euro grundsätzlich mit mindestens 80 Prozent besteuern. Ich würde Erbschaften ab drei Millionen Euro konsequent und ohne Ausnahmen mit 30 Prozent besteuern, ab 100 Millionen mit 50 Prozent und ab einer Milliarde mit 90 Prozent. Heute bekommt der Staat bei rund 400 Milliarden Euro vererbtem Geld nur rund 6 Milliarden Steuern.

Das würde die Lobby der Familienunternehmen zu verhindern wissen.

Dieses lächerliche Mittelstandsargument: „Dann geht meine Firma pleite!“ Völliger Quatsch, das lässt sich ganz einfach lösen: Wenn Ihr Betrieb 100 Millionen wert ist und Sie vererben ihn, müssten Sie nach meinen Vorstellungen 50 Millionen Steuern bezahlen. Das Geld ist nicht da. Kein Problem. Sie führen den Betrieb weiter und kriegen Ihren Unternehmerlohn ausgezahlt. Aber wenn Sie Gewinne aus dem Betrieb ziehen oder ihn ganz verkaufen, dann sagt der Staat eben: Sie haben noch eine Rechnung von 50 Millionen offen. Der Staat hat Zeit, irgendwann wird er sein Geld bekommen.

Was noch?

Ein Mindestlohn von mindestens 15 Euro, aber das reicht nicht. Es braucht eine strukturelle, substantielle Arbeitnehmerbeteiligung an den Unternehmen. Und zwar nicht so, wie das Christian Lindner gemacht hat, also an Stelle der Solidarrente, sondern dass man zusätzlich sagt, bestimmte Prozentsätze des wirtschaftlichen Zuwachses müssen an die Arbeitnehmer fließen. Ich könnte noch lange weitermachen mit plakativen Forderungen. Ich würde gerne Gehälter ab einer bestimmten Höhe verbieten, ab einem bestimmten Betrag kann man einfach alles wegversteuern. Ich glaube einfach nicht, dass es ein Recht auf Milliardenvermögen gibt.

Warum sind Sie überhaupt zur Linken gegangen? Über die Erfahrungen, die Sie gemacht haben, wurde ja schon hinreichend geschrieben.

Ich war vorgewarnt, das stimmt. Aber durch Menschen wie Fabio De Masi, Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine hatte ich wirklich geglaubt, dass man in dieser Partei etwas bewegen kann. Und meine Hoffnung, innerhalb der SPD noch etwas zu bewegen, war spätestens mit der Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz beendet. Eine linke Partei sollte zum Ziel haben, gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen.

Was stört Sie an der SPD?

Die SPD hat irgendwann den Entschluss gefasst, nur noch eine Art Reparaturbetrieb des Kapitalismus zu sein. Das ist okay. Aber das ist nicht meine Vorstellung von Politik. Olaf Scholz hat mal als linker Juso begonnen und schüttelt sich jetzt, wenn er an seine früheren Thesen denkt. Sein Weg beschreibt den der SPD. Um nicht missverstanden zu werden: Es gibt viele gute Gesetze, die von der SPD gemacht wurden. Schlimm ist das, was alles nicht gemacht wurde. Mit dem Wechsel zur Aufrüstungspartei tritt die SPD jetzt allerdings in eine weitere Phase ihrer Selbstverleugnung ein.

Scholz soll gesagt haben, gegen die Elbchaussee, eine reiche Gegend in Hamburg, gewinnt man keine Wahlen. Und er hat gesagt, die Welt wäre ohne Milliardäre nicht besser. Wie finden Sie das?

Ich kenne ja diese Sätze, die ich gruselig finde. Scholz hat sich damit ein für alle Mal geoutet. Scholz selbst hat einmal erzählt, wie erstaunt er war, als er 1998 in den Bundestag kam und erlebte, mit welcher Verachtung viele CDU-Abgeordnete über die SPD redeten. Das hat aber leider seinen politischen Kampfesmut nicht angefeuert. Im Gegenteil. Scholz hat einen – bei Sozialdemokraten leider nicht seltenen – Minderwertigkeitskomplex, weswegen er schon lange den Mächtigen, den Wirtschaftsleuten gefallen will. Er möchte, dass die Elbchaussee ihn wählt und dass die Milliardäre ihm applaudieren. Ich glaube wirklich, dass er in Wahrheit einer der überzeugtesten Neoliberalen ist, die in diesem Land herumlaufen.

Vor 20 Jahren vielleicht, aber heute gehören zu Scholz’ Programm doch immerhin Forderungen wie die nach einem Mindestlohn von 12 Euro.

Ach, wissen Sie, der Mindestlohn ist nichts anderes als die Armenspeisung. Wenn wir über den Mindestlohn als ein Element der radikalen Gesellschaftspolitik reden, dann sind wir verloren. Der Mindestlohn ist für die Gesellschaftsfrage ungefähr so relevant wie die Frage, wie hoch das Hartz-IV-Grundeinkommen ist. Es gibt eine Relation dazwischen, weil man mit Hartz IV nicht viel mehr verdienen kann als mit Mindestlohn, sonst klappt das Konzept nicht. Also versucht man, den Mindestlohn so zu ziehen, dass er immer noch 1 € oberhalb von Hartz IV liegt. Das ist eine Politik der Geldverteilung in dem Sinne, dass alle diese Mindestlöhne letztlich auf die Preise wieder umgeschlagen werden. Das ist nicht verkehrt, aber das ist keine Gesellschaftspolitik.

Sie haben kein gutes Bild von Scholz, dabei waren Sie in Hamburg immerhin gut miteinander bekannt.

Scholz gab sich auch da schon immer als Hohepriester des „ordentlichen Regierens“. Keine Visionen. Hinter den kargen Worten und den mageren Gesichtsexpressionen, schlumpfig oder nicht, wurde der abgeklärte, kühl kalkulierende Experte der Macht vermutet. Der Mann für die Exekutive. Und irgendwie auch ein „anständiger Kerl“. Kurz vor dem Wahltermin machte er für alle, die es immer noch nicht begreifen wollten, auf dem Titelbild des Magazins der Süddeutschen Zeitung die Merkel’sche Raute. Hallo, ich bin der natürliche Nachfolger. Und dann sollte die rote Farbe auf den Plakaten auch noch Glauben machen, die SPD sei wieder links. War aber ein Irrtum. Mit Scholz gibt es keine linke Politik. Ich halte Scholz für einen ausgemachten politischen „Hochstapler“, der nicht, wie oft behauptet, unter mangelnder Kommunikationsfähigkeit leidet, im Gegenteil. Er hat ein perfektes Kommunikationsmanagement, mit dem er bisher alle Journalisten und konkurrierenden Politiker dergestalt in die Irre geführt hat, dass sie glauben, er sei ein brillanter Politiker, der nur nicht gut kommunizieren könne. Meine These ist: Olaf Scholz ist ein schlechter Politiker ohne eigene Ideen, und diese Tatsache verdeckt er durch seine Kommunikationstechnik, die immer nur darauf lenkt, so wenig wie möglich zu sagen. Er sagt aber nur deswegen so wenig, weil er nicht mehr zu sagen hat.

Wie untermauern Sie Ihre These?

Scholz’ Politik bestand immer nur darin, dass er alle Probleme mit Geld gelöst hat. Als die Elbphilharmonie in Hamburg eine Ruine zu werden drohte und der Baukonzern Hochtief die Stadt nach Strich und Faden über den Tisch gezogen hat, hat Scholz einen der teuersten Anwälte Hamburgs zu Hochtief geschickt und de facto ausrichten lassen: Whatever it costs. Olaf Scholz’ Programm ist: Whatever it costs. Oder: Ich hole die Bazooka raus. Die Elbphilharmonie hat am Ende 1 Milliarde Euro gekostet. Nie wird einer beweisen können, dass man sie auch hätte für 600 Millionen haben können. Scholz verhandelt nicht, Scholz zahlt.

In Hamburg gibt es in der Tat genug Beispiele dafür, wie locker Scholz mit Steuergeld um sich schmiss. Stichwort Warburg Bank, der er mit Cum-Ex-Geschäften aus der Steuerkasse ergaunerte 90 Millionen Euro schenken wollte.

So ist es. Es ist ja geradezu atemberaubend, dass die Öffentlichkeit Scholz für sein – sagen wir es mal so – zuvorkommendes Verhalten gegenüber den Eigentümern der Warburg Bank nicht zur Rechenschaft zieht. Anderes Banken-Beispiel: Als die skandalumwitterte HSH, die Hamburg und Schleswig-Holstein gehörte, nur noch mit Milliarden Staatsunterstützung gerettet werden konnte, entschied sich Scholz für den Verkauf der Bank. Ich war damals Vizepräsident der Handelskammer und kann Ihnen sagen: Es ist evident, dass die HSH Nordbank wesentlich mehr wert war als eine Milliarde Euro. Man musste nur in die Bilanzen gucken. Aber Scholz wollte sie loswerden. Deswegen hat er sie für eine Milliarde Euro an Cerberus fast verschenkt. Cerberus hat das Geschäft gemacht, die Steuerzahler in Hamburg und Schleswig-Holstein mussten die Zeche begleichen, und das waren – je nach Rechnung – 14 bis 19 Milliarden Euro. Gute Politik sieht anders aus.

Die HSH Nordbank hat übrigens auch Cum-Ex-Geschäfte gemacht.

Ja, sogar in großem Stil. Mit zwei Landesregierungen als Gesellschaftern. Und keiner hat hingesehen. Oder wollte hinsehen. Diese Geschäfte liefen vor Scholz’ Bürgermeister-Zeit. Als Bürgermeister hat er allerdings genau verfolgen können, wie die HSH still und heimlich 126 Millionen ergaunertes Geld, samt Zinsen, 2014 an den Staat zurückzahlte. Er wurde von seinem Freund Thomas Mirow (SPD), der Aufsichtsratsvorsitzender bei der HSH war, vermutlich täglich auf dem Laufenden gehalten. Und trotzdem hat er sich 2016 nicht dafür stark gemacht, dass auch Warburg seine Gauner-Millionen zurückzahlt.

 

Weitere Artikel über Olaf Scholz und den Cum-Ex-Skandal:

 

Fürs Finanzministerium hat es gereicht – wo Scholz Staatssekretär Jörg Kukies den Zahlungsdienstleister Wirecard, der wegen seiner Bilanzmanipulationen kurz vor dem Fall war, mit staatlichen Krediten vollpumpen wollte.

Die Liste ließe sich lange fortführen. Corona kam, und Scholz hat wieder die Bazooka gezückt. Dann wurde er Kanzler, und der Ukraine-Krieg kam. Er hätte alles Mögliche vorschlagen können, er hätte den Vorsitzenden der UNO bitten können, eine Sicherheitskonferenz aller Länder zu machen. Aber das erste, was ihm einfällt, ist eine 100-Milliarden-Euro-Bazooka für die Bundeswehr. Man muss sich das mal vor Augen halten: Scholz sitzt mit seinen Adlaten Wolfgang Schmidt, Jörg Kukies und Steffen Hebestreit, von denen keiner jemals gewählt wurde, zusammen und beschließt im kleinsten Kreis, gigantische Summen rauszuhauen. Und nennt das dann „Sondervermögen“, was in Wahrheit Schulden sind. Ausgerechnet er, der immer dann für die Schuldenbremse ist, wenn das Geld für was Sinnvolles benötigt wird.

Und jetzt ist die Inflation da.

Ja, das ist natürlich nicht Scholz’ Schuld, aber auch er hat nicht widersprochen, als die EZB ihr Mantra vortrug, es gebe keine Inflation und es gebe nie wieder hohe Zinsen. Pustekuchen. Jetzt warten alle darauf, dass Olaf Scholz irgendetwas ökonomisch Vernünftiges zur Inflation sagt. Was macht er? Wieder fällt ihm nur die Bazooka ein. Wenn die Preise steigen, soll der Staat das Schlimmste abfedern. Klingt erst mal gut, ist aber unmöglich. Olaf Scholz wäre der erste Politiker der Weltgeschichte, dem es gelänge, mit staatlichen Mehrausgaben unter Beachtung der Schuldenbremse ohne Steuererhöhung die Inflation in den Griff zu bekommen. Dagegen wäre der Zaubertrank von Miraculix nichts. Also wird die Schuldenbremse fallen, aber auch das bringt nichts. Denn Deficit Spending als erfolgreiche Inflationsbekämpfung wäre wirklich eine ökonomische Weltneuheit.

Herr Teichert, jetzt reden Sie sich in Rage.

Weil das so irrsinnig ist! Jahrelang haben alle an unbegrenztes Wirtschaftswachstum durch Nullzinsen geglaubt. Jetzt ist die Blase geplatzt. Jetzt müssten die Zinsen massiv steigen, aber die EZB bleibt tatenlos, und die Regierung hat Angst, das ausbleibendes Gas und hohe Zinsen Deutschland in eine schwere Rezession führen. Die Sorge ist berechtigt. Aber das ist noch lange kein Grund, dass die Bazooka-Politik jetzt zur ultima ratio wird. Ich finde es wirklich erstaunlich, dass kein konservativer Politiker in Deutschland und nicht einmal die tollen Leute von Cicero ihm sagen: Olaf, du bist doch komplett irre! Du kannst du doch nicht allen Ernstes glauben, dass man eine weltweite Inflation in Deutschland mit deutschem Deficit Spending bekämpfen kann! Ich halte Scholz für einen zynischen und überschätzten Politiker. Er hat keinen Plan und keine Vision von der Zukunft. Bitter daran ist, dass er damit in – wie ich sagen würde – skrupelloser Weise alle Traditionslinien der SPD kappt. Keine Friedenspartei mehr, keine Gesellschaftsveränderung mehr. Es gibt nur ein einziges Programm für Olaf Scholz, und das ist er selbst und sein unbedingter Machtwille, der ihn ja weit gebracht hat. Dass er sich mit korrupten Bankern und Milliardären gutstellt, gehört dazu. Am Ende siegt die Elbchaussee.

Das Interview führte Ulrich Thiele.

Anzeige