Haushaltskrise der Ampel-Regierung - „Das Prinzip Schuldenbremse ist richtig“

Der CDU-Haushaltspolitiker Mathias Middelberg hält es für möglich und sogar wahrscheinlich, dass die Ampel an der Aufstellung eines Haushalts für 2025 zerbricht. Der Stillstand der Regierung lähme das ganze Land, deswegen sollte bald Schluss damit sein, so der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende.

Ob Finanzminister Lindner (FDP) sich mit seinen Koalitionspartnern auf einen Haushalt 2025 einigen kann, hält die CDU/CSU-Opposition für fraglich /dpa
Anzeige

Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

So erreichen Sie Volker Resing:

Anzeige

Mathias Middelberg ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags. Der Finanz- und Haushaltspolitiker ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion.

Herr Middelberg, Finanzminister Christian Lindner will neun Milliarden Euro, die für die Tilgung von Corona-Schulden vorgesehen waren, für Verteidigungsausgaben verwenden. Ist das ein sinnvoller Vorschlag?

Nein. Das wäre wieder ein Ausweichmanöver. Man macht zwar keine neuen Schulden, aber man verschiebt die Schuldenrückzahlung. Das löst auf Dauer nicht unser Problem. Unser Land hat tiefgreifende strukturelle Probleme. Die muss man angehen. Und das erfordert echtes Umschichten im Haushalt und auch Sparen. Dazu wäre vielleicht die FDP noch bereit. SPD und Grüne aber wollen an ihre heiligen Kühe Bürgergeld, unbegrenzte Asylzuwanderung oder teure Förderprogramme nicht herangehen. Diesen Stillstand, der das ganze Land lähmt, wird die Ampel nicht auflösen können. Deshalb sollte bald Schluss sein mit dieser Regierung.

Für die Aufstellung des Haushalts für das Jahr 2025 fehlen Lindner angeblich 30 bis 50 Milliarden Euro. Wie würden Sie, wenn die Union regieren würde, die Lücke schließen?

Die Lücke dürfte kleiner sein. Gleichwohl ist die Haushaltsaufstellung 2025 ambitioniert. Es gibt aber Sparpotentiale, die erheblich sind. Drei Beispiele: Jeden zehnten Haushalts-Euro – 47 Milliarden Euro – gibt der Bund für Bürgergeld aus. 1,7 Millionen Bürgergeld-Empfänger sind arbeitslos gemeldet, könnten also morgen eine Arbeit aufnehmen. Durch bessere Anreize könnten wir deutlich mehr Menschen in Arbeit bringen. Da passiert viel zu wenig. Nur 100.000 Bürgergeld-Bezieher mehr in Arbeit brächten drei Milliarden Euro Entlastung für den Bundeshaushalt. Ein weiteres Beispiel: 27 Milliarden Euro gibt der Bund für Asyl und Fluchtursachenbekämpfung aus. Durch konsequente Begrenzung der Asylmigration ließe sich hier viel einsparen. Als drittes Beispiel nenne ich eine mittlerweile unübersehbare Masse von fast 400 Förderprogrammen, die der Bund betreibt. Durch klare Fokussierung und Reduzierung könnten Milliarden gespart werden.

 

Mehr zum Thema:

 

Lindner hat erneut neue Schulden ausgeschlossen. Lässt sich ohne neue Schulden ein Haushalt 2025 mit Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels für Verteidigung überhaupt seriös aufstellen?

Da die Ampel in ihren bisherigen Haushalten nicht umgeschichtet und nicht gespart, sondern im Gegenteil immer weiter massiv Ausgaben draufgesattelt hat, wird ein Haushaltsausgleich immer schwieriger. Deshalb muss das Ruder jetzt zügig und kräftig umgelegt werden. Dann kann man es schaffen. Und ein gewisses Maß an Neuverschuldung lässt die Schuldenbremse ja zu – im Jahr 2024 immerhin 22 Milliarden. Bis 2027 übrigens werden wir das Zwei-Prozent-Ziel für Verteidigung voraussichtlich noch durch das Sondervermögen Bundeswehr einhalten können.

FDP-Mann Lindner hat auch noch Steuererleichterungen für dieses Jahr angekündigt. Ist das angesichts der dramatischen Haushaltslage sinnvoll?

Wir müssen gerade in dieser schwierigen wirtschaftlichen Lage Wirtschaft und Verbraucher entlasten. Nur das schafft Potential für neue Investitionen und Konsum und damit auch wieder Wachstum und höhere Steuereinnahmen für den Staat. Der Staat muss sich jetzt zurücknehmen, bei sich sparen und nicht Bürger und Unternehmen durch immer höhere Abgaben weiter ausquetschen.

CDU-Haushälter Mathias Middelberg / dpa

Sie sprechen immer wieder auch von Kürzungen im Sozialbereich. Lassen sich mit einem Sparhaushalt nächstes Jahr Wahlen gewinnen?

Denen, die wirklich bedürftig sind, darf nichts weggenommen werden. Wer aber arbeitsfähig ist, muss nach absehbarer Zeit auch eine Beschäftigung aufnehmen. Arbeiten ist doch keine Zumutung, sondern sinnstiftend und auch eine soziale Verpflichtung gegenüber allen anderen, die die Sozialleistungen finanzieren. Bei zwei Millionen offenen Stellen müssen wir es schaffen, mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen. Das betrifft vor allem auch Asylzuwanderer, bei denen die Beschäftigungsquoten viel zu gering sind. Das hätte einen Doppeleffekt, weil wir Sozialleistungen sparen und zugleich Einnahmen in Steuer- und Sozialkassen erzielen.

Vor allem die steigenden Kosten für Verteidigung und Flüchtlingsunterbringung in Folge des russischen Angriffskrieges sind die Ursache für die Haushaltskrise. Rechtfertigt die gegenwärtige Lage eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse?

Die Gründe der schwierigen Haushaltslage reichen weiter. Die schlechte wirtschaftliche Entwicklung und die massive Asylzuwanderung aus Ländern jenseits der Ukraine wirken sich hier ebenfalls aus. Diese strukturellen Probleme muss man angehen. Auch das Thema Verteidigung ist eine Daueraufgabe, die wir nicht immer wieder durch Sonderschuldentöpfe finanzieren können. Gegenwärtig sehen wir deshalb keinen Grund für ein Aussetzen der Schuldenbremse.

Würde die Union gegen die erneute Aussetzung der Schuldenbremse klagen?

Eine aus journalistischer Sicht spannende hypothetische Frage.

Es gibt große Defizite bei Ausbau und Instandsetzung der Infrastruktur in Deutschland. Ist für den maroden Zustand von Schiene und Straße auch die Vorgängerregierung mit ihrer Politik verantwortlich?

Das würde ich gar nicht pauschal bestreiten. Die Debatte hilft aber jetzt nicht bei der Lösung.

Von SPD und Grünen wird eine Überarbeitung der Schuldenbremse gerade für Investitionen in Erwägung gezogen. Würde die Union sich an Gesprächen über eine Verfassungsänderung beteiligen?

Man kann immer über Details in der sinnvollen Ausgestaltung einer Schuldenbremse nachsinnen. Das Prinzip Schuldenbremse aber ist richtig. Es ist vor allem nachhaltig, weil es die Handlungsspielräume künftiger Generationen schützt. Eine Ausnahmeklausel generell für „Investitionen“ geht gar nicht. Dann wird am Ende jeder Unsinn zur „Investition“ erklärt und begründet eine Ausnahme.

Halten Sie es für möglich oder sogar für wahrscheinlich, dass an der Haushaltsfrage diese Regierung zerbricht?

Ja.

Das Gespräch führte Volker Resing.

Anzeige