CDU-Chef schließt Schwarz-Grün nicht aus - Merz macht den Boris Rhein

Kaum ein Wähler der CDU dürfte sich eine Bundesregierung unter Beteiligung der Grünen wünschen. Unions-Vorsitzender Friedrich Merz wohl ebensowenig. Dennoch ist es taktisch klug von ihm, die Grünen als Koalitionspartner nicht kategorisch abzulehnen.

Ausflug ins Grüne? Oppositionsführer Friedrich Merz / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Eines ist sicher: Schwarz-Grün hat als Zukunftsmodell ausgedient, jedenfalls aus Sicht von Wählern, die von der Ampel im Allgemeinen und den Grünen im Besonderen enttäuscht sind. Viele aus dieser Gruppe zögern, bei Landtagswahlen oder in Umfragen für die CDU zu votieren, weil sie eine Regierung ohne Grüne jeder Variante mit grünem Element vorziehen. 

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte deshalb vor den bayerischen Landtagswahlen Schwarz-Grün im Freistaat kategorisch ausgeschlossen. Was den Grünen nicht gut bekam – vierter Platz noch hinter der AfD – und der CSU nur bedingt. Sie hatte sich den Freien Wählern quasi ausgeliefert. Das kostete die CSU wegen Aiwangers Flugblatt-Affäre Stimmen, auch wenn sie weiterregieren konnte.

Im Bund kann die Union nicht darauf hoffen, 2025 unter Umständen gemeinsam mit FDP und Freien Wählern ein bürgerliches Regierungsbündnis zu schmieden. Denn ob die FDP abermals die Fünfprozenthürde schafft, ist alles andere als sicher. Die Freien Wähler liegen im Bund sogar noch weiter unter fünf Prozent als die Freien Demokraten. Auch wären die 30 Prozent, auf die es die CDU/CSU zurzeit bringt, zu wenig für ein solches Dreierbündnis.

Aus heutiger Sicht könnte die Union als stärkste Kraft am ehesten zusammen mit SPD oder Grünen regieren. Das ist, wie Oppositionsführer Friedrich Merz jetzt bekannte, „keine besonders verlockende Aussicht“. Aber die Tür zu den Grünen mit lautem Knall schon jetzt zuzuschlagen, wäre fahrlässig. Wer weiß, ob die SPD nach der nächsten Wahl nicht sogar schwächer dasteht als die Öko-Partei.

Ein klares Signal an die Wähler

Merz schlägt deshalb die Strategie ein, mit der Boris Rhein in Hessen stolze 34,6 Prozent erreicht hat. Der CDU-Ministerpräsident hatte im Wahlkampf alle Spekulationen zurückgewiesen, nach der Wahl werde es – falls rechnerisch möglich – automatisch ein schwarz-grünes „Weiter so“ geben. Und das, obwohl dieses Bündnis seit 2013 insgesamt erfolgreich und ohne größere Reibungen in Wiesbaden regiert hatte.
 

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Statt einer klaren Koalitionsaussage bevorzugte Rhein die Formulierung, es gebe viele Punkte, bei denen man sich mit „der anderen Volkspartei“, der SPD, einigen könne. Das war ein klares Signal an die Wähler: Wer bei der CDU sein Kreuz macht, stimmt nicht zwangsläufig für grüne Minister. Die Rechnung ging auf: Rhein regiert jetzt mit den Sozialdemokraten. Und im Koalitionsvertrag wurde in Bezug auf Innere Sicherheit, Verkehrspolitik oder Flüchtlinge vieles vereinbart, was die Grünen niemals unterschrieben hätten

Das Bündnis Sahra Wagenknecht macht die Koalitionsbildung noch schwieriger

Merz macht jetzt den Rhein. Was in Hessen geklappt hat, muss jedoch in Berlin nicht funktionieren. Ohnehin sind es bis zur Bundestagswahl noch 18 Monate. Bis dahin kann sich vieles verändern, zumal im Parteiengefüge vieles in Bewegung gekommen ist. Wagenknechts Links-rechts-Bündnis scheint den Umfragen zufolge der SPD und der Linken mehr zu schaden als CDU/CSU oder den Grünen. Sollte die einstige Anführerin der „Kommunistischen Plattform“ in der Linkspartei in den Bundestag einziehen, machte das die Mehrheitsbildung noch schwieriger.

Die Grünen als Koalitionspartner nicht kategorisch abzulehnen, ist folglich klug. Merz belässt es nicht dabei. Er gibt sehr deutlich zu verstehen, dass die Union es im Zweifelsfall lieber erneut mit der SPD versuchen würde. Bürgerliche Wähler, die in den Grünen die Hauptverantwortlichen für die Ampel-Hampeleien sehen, könnte die Aussicht auf Schwarz-Rot bewegen, doch lieber CDU/CSU zu wählen, statt mit einer Stimme für die in Teilen rechtsextreme AfD ihrem Unmut freien Lauf zu lassen.

Mit der Strategie, nicht auf Schwarz-Grün zu setzen, wird Merz viele Merkelianer in den eigenen Reihen nicht unbedingt begeistern. Dafür kann er in der CSU auf große Zustimmung hoffen. Den Wählern erschwert eine „Sowohl als auch“-Aussage die Entscheidung mehr als ein klares „Entweder oder“. Ob die Formel „Von Hessen lernen, heißt siegen lernen“ für die CDU/CSU aufgehen wird, ist ungewiss. Doch angesichts der zunehmenden Ablehnung der Grünen bei Wählern der Mitte hat Merz gar keine andere Wahl.

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