Armin Schuster - Sächsischer Sheriff

Während der Migrationskrise traute sich der CDU-Politiker und frühere Grenzschützer, der Kanzlerin zu widersprechen. Jetzt ist Armin Schuster Innenminister in Dresden. Mit der Autorität seines neuen Amtes kann er sich immerhin Gehör verschaffen und die Bundesregierung zum Handeln auffordern.

Armin Schuster ist sächsischer Innenminister/ Anja Lehmann
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Seine Laufbahn im Staatsdienst begann bei der Bundespolizei. Damals hieß sie allerdings noch Bundesgrenzschutz – und das erklärt einiges. Denn Armin Schuster, den Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer dieses Frühjahr in sein Kabinett geholt hat, wurde Ende 2015 bundesweit bekannt: als CDU-interner Kritiker von Angela Merkels Willkommenspolitik. Er vertrat damals als Bundestagsabgeordneter den südbadischen Wahlkreis Lörrach, wo er bis zu seiner Wahl 2009 die Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein geleitet hatte. An der EU-Außengrenze zur Schweiz. Als Kanzlerin Merkel dann ihre Weigerung, der Flüchtlingskrise durch wirksame Grenzkontrollen zu begegnen, damit begründete, dass diese doch gar nicht möglich sei, platzte Schuster der Kragen. 

Erst widersprach er ihr intern bei einer Fraktionssitzung, dann öffentlich. „Ob wir aktuell Grenzüberwachung wollen oder nicht, müssen wir politisch entscheiden; aber man sollte bitte nicht behaupten, wir könnten es nicht“, forderte Schuster damals in einer Bundestagsrede. Der zuvor überregional kaum bekannte Politik-Quereinsteiger und Innenexperte wurde plötzlich als „CDU-Rebell“ gefeiert – und angefeindet, auch aus den eigenen Reihen.

Dem Sheriff sind die Hände gebunden

Jetzt, während die Zahl der Kriegsflüchtlinge und Asylzuwanderer wieder stark anschwillt und 2022 die Millionengrenze überschritten hat, trägt der ehemalige Polizist selbst Regierungsverantwortung. Als Landesinnenminister ist er zwar nicht für Grenzkontrollen zuständig, das ist allein Sache des Bundes. Den sächsischen Sheriff, der die Grenze zu Tschechien im Alleingang dichtmacht und das Elbsandsteingebirge zur Bastion gegen illegale Zuwanderung ausbaut, kann er nicht spielen. Aber er kann sich mit der Autorität seines neuen Amtes Gehör verschaffen und die Bundesregierung zum Handeln auffordern. Das tut er zwar auch, bislang aber auffallend zaghaft.
 

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„Die aktuelle Lage ist mit der von 2015/2016 nicht zu vergleichen“, sagt Schuster in seinem Amtszimmer. Auf der anderen Straßenseite ist die Dresdner Staatskanzlei. Dort residiert Kretschmer, für den die neue Migrationskrise politisch brisant ist. Denn in Sachsen kommt diesmal ein beträchtlicher Teil der Zuwanderer an. Und in Sachsen sitzt seiner CDU die AfD im Nacken, während er Rücksicht auf seine rot-grünen Koalitionspartner nehmen muss.

Der Großteil derjenigen, die jetzt über Tschechien und Polen nach Sachsen kommen, sind Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, keine Asylbewerber. „Dass wir denen zuerst helfen, ist selbstverständlich. Und es klappt in den sächsischen Städten und Gemeinden reibungslos“, sagt Schuster. „Gleichzeitig steigt aber auch die Zahl von Asylbewerbern aus ganz anderen Ländern. Das wird nun zum ernsthaften Problem.“ Denn die Unterbringungskapazitäten seien sehr bald erschöpft, die Erstaufnahme und Weiterverteilung auf andere Bundesländer eine zusätzliche Belastung für Sachsen. „Und niemand weiß, wie sich der Ukraine­krieg diesen Winter entwickelt“, mahnt der Staatsminister. 

Harte Hand für die innere Sicherheit

Schuster fordert deshalb die Bundesregierung auf, im Bundesrat einen Neuanlauf zu starten, um Tunesien, Georgien, Algerien und Marokko zu „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären und so die Asylverfahren und Rückführungen zu beschleunigen. Parallel dazu müsse sich die Regierung um Rücknahmeabkommen mit diesen Ländern bemühen. Denn ein immer größeres, ungelöstes Problem der deutschen Migrationspolitik ist: Auch abgelehnte Asylbewerber bleiben oftmals im Land.

Grenzkontrollen zu Tschechien und Polen, so wie sie zwischen Bayern und Österreich gemacht werden, hat Schuster bislang noch nicht gefordert. Vielleicht aus Rücksicht auf das Regierungsbündnis mit den sächsischen Grünen, vielleicht aus taktischen Gründen, weil er sich eine Eskalationsstufe vorbehalten will. Vielleicht aber auch, weil ihn die teils heftigen Reaktionen auf seine Merkel-Kritik 2015 vorsichtiger haben werden lassen.

Denn dass er sich damals öffentlich gegen die Kanzlerin stellte, hat ihm wohl einen Karriereweg verbaut. Innenminister Horst Seehofer wollte Armin Schuster 2018 zum Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz machen, doch Merkel lehnte das ab. Stattdessen wurde Schuster dann Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Im Vergleich zum Inlandsgeheimdienst eine Minibehörde. 

Als Innenminister fühlt sich der 61-Jährige erkennbar wohl in seiner Haut. Herausforderungen gibt es neben der Migration zur Genüge. Ob Rechtsextremisten in der sächsischen Provinz oder Linksextremisten in Leipzig: Schuster kündigt Härte und Konsequenz, eine Null-Toleranz-Strategie an. Und wird so vielleicht doch noch zum Sheriff.

 

Dieser Text stammt aus der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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