Rettungswagen vor dem Nachtclub Reina. In dem Nachtclub wurden in der Silvesternacht 39 Menschen erschossen. Der IS hat sich zu dem Anschlag bekannt
Attentat im Istanbuler Nachtclub „Reina“: Attacke gegen den Freiheitswunsch / picture alliance

Nach dem Anschlag in Istanbul - Gesellschaft vor der Kernschmelze

In der Türkei beginnen Menschen, die sonst sehr verschieden sind, ihre Gemeinsamkeit zu begreifen. Sie wollen ihr Leben nicht von Islamisten und deren Vorstellungen diktieren lassen. Das Erdogan-Regime aber fördert den Islamismus. Das Land droht innerlich zu zerreißen

Autoreninfo

Cem Sey, 54, ist ein freier Journalist, der für deutsch- und türkischsprachige Medien arbeitet. Für Medien wie Cumhuriyet, CNN Türk, Deutsche Welle und BBC war er als Korrespondent tätig.

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Mit der Jeunesse dorée meines Herkunftlandes habe ich ungefähr so viel gemein wie ein Kreuzberger Migrant mit dem Sylter Jetset. Dessen Befindlichkeiten interessieren mich wenig. Im normalen Leben gar nicht.

Doch das brutale Silvester-Attentat auf eben jene Reichen und Schönen in Istanbuls Nachtclub Reina macht etwas mit mir. Auf einmal begreife ich, dass wir ein gemeinsames Lebensziel haben.

Attacke gegen den Freiheitswunsch 

Diese Töchter und Söhne aus hochnäsigen Istanbuler Industriellenfamilien und ihre neureichen Freunde, Anatolier mit besten Drähten zur islamistischen Regierung in Ankara, kommen zwar aus einem hochpreisigen Paralleluniversum. Doch genau wie ich wollen auch sie sich frei bewegen. Genau wie ich, wollen sie sich anziehen, wie es ihnen gefällt. Genau wie ich, wollen sie tun und lassen können, was sie für richtig halten. Sie und ich, wir wollen unser Leben nicht von Islamisten und deren Vorstellungen diktieren lassen.

Das Massaker im Reina richtet sich aber genau gegen diesen Freiheitswunsch. Als ich am Morgen des 1. Januar von dem Attentat erfuhr, war mir dies nicht wirklich gleich klar. Es war nur ein erstes, der Kraftausdruck sei erlaubt, frühmorgendliches Scheißgefühl. Scheiße, wieder ein Attentat in Istanbul und ein Adrenalinstoß, der den Frühstückskaffee eher zum Beruhigungstrunk machte.

Zusammenhalt von Klassenfeinden

Ich weiß, dass sich Aysegül Yasar so gefühlt haben muss. Ihr ist es offenbar viel schneller klar geworden als mir, wer da alles am Bosporusufer massakriert werden sollte. Gleich nach der Massenabschlachtung durch den jungen Schützen eilte sie mit ihren Freunden in naheliegende Istanbuler Teehäuser. Deren verwunderte Gäste drängte sie „zur Verteidigung des Laizismus und zum Widerstand gegen Angriffe des Islamischen Staates (IS) und anderer Dschihadisten“.

Am nächsten Tag, der Massenmörder war ungehindert entflohen und weiterhin auf freiem Fuß, wurden Yasar und ihre Freunde festgenommen. Wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation.

Yasar und ihre Freunde sind aber nicht Mitglieder einer Terrororganisation, sondern des Volkshauses. Das Volkshaus, ein kleiner aber traditionsreicher legaler Verein, ist ein Sammelbecken marxistischer Jugendlicher. In der Stammkundschaft des Reina sehen sie also garantiert den Klassenfeind und keine Wertegemeinschaft. Dennoch haben auch sie gespürt, was ich empfinde: Wir müssen zusammenhalten.

Dieses Gefühl erwacht und wächst. Noch unobduziert, keimt es in der türkischen Gesellschaft. Und das ist keine frohe Botschaft für das Regime in Ankara. Aber es ist eine Botschaft. An uns. Menschen, die sonst sehr verschieden sind, die sich nicht besonders mögen –  ja, neidisch aufeinander sind und sich manchmal sogar bekämpfen, fangen an ihre Gemeinsamkeit zu begreifen.

Ekel vor Erdogan-Regime wächst 

Dass der IS mittlerweile die Verantwortung für das Attentat übernommen hat, ändert daran nichts. Die Zahl derer steigt, die die Regierung in Ankara und deren Fanatiker für die Tat verantwortlich machen. Als geistige Kalaschnikow-Halter des Attentates. Ich weiß nicht mal, ob es durchdringt bis in die Erdogan-Filterbubble. Aber viele Menschen ekeln sich vor der Politik des Landes.

Die Menschen, die wie ich die brutalen Attentate als einen Angriff auf ihren Lebensstil begreifen, bekommen dazu täglich neuen Stoff. Sie werden wie Junkies mit einem zuverlässigen Nachschub an aufputschenden Meldungen versorgt. Jeder Nachrichtenzyklus ein Kick. Die türkische Regierung, faktisch das Ein-Mann-Regime Erdogan, sondert täglich neue Pläne ab, mit deren Finesse die türkische Gesellschaft nach islamistischen Vorstellungen umgeformt werden soll.

Islamisierung des Alltags

Zuletzt wurde über die Idee berichtet, das Bildungssystem stärker zu islamisieren und die Lehrkräfte den Absolventen der Imam-Schulen zu unterstellen.

Adrenalinstoß. Auf Kaffee muss ich seit Monaten gar nicht mehr warten. Frauen in den Städten spüren den wachsenden Druck. Freundinnen berichten, dass sie längst überlegen, wie sie sich kleiden sollen. Dass sie nicht mehr anziehen können, wozu sie Lust haben, dass sie wachsende Angst vor dem islamistischen Mob haben.

Tatsächlich häufen sich die Übergriffe von durchgeknallten, aufgeheizten Männern, die Frauen auf öffentlichen Plätzen zur Raison bringen wollen. Frauen, die nach dem Dafürhalten gehirngewaschener Männer zu kurze Röcke oder Shorts tragen, werden in öffentlichen Bussen neuerdings verprügelt. In einem Park wurde eine schwangere Frau auf den Boden geworfen und getreten. Weil sie joggte.

Und was tut die Regierung? Die Täter kommen meistens nur kurz in Haft und werden dann wieder frei gelassen. Vor Gericht kommen überhaupt meist nur die Fälle, die in der Öffentlichkeit bekannt werden und Unmut erregen.

Dann, als hätte das Land keine anderen, ernsthaften Probleme, rumorten Konservative vor Weihnachten und Silvester und traktierten ihre areligiösen Mitmenschen mit einer landesweiten Kampagne gegen das Feiern an diesen Tagen. Egal um welche Feiertage es sich da handelte, sie seien „christlich“ und damit unerwünscht.

Alperen Ocaklari, eine faschistische Organisation, trieb es auf die Spitze: In der westanatolischen Kleinstadt Nazilli jagten junge Männer einen Altersgenossen, der sich als Weihnachtsmann verkleidet hatte, theatralisch vor sich her und hielten ihm vor Kameras eine Pistole an die Schläfe.

Andere sind längst Schreibtischtäter oder Facebook-Verbrecher. Sie drohen ihren Nachbarn und angeblichen Feinden im Netz: „Wenn der Staat nicht stark genug ist, sich um euch zu kümmern, wird euch die türkische Nation eine Lehre erteilen. Wie damals den Armeniern und den Griechen.“

Türkische Politiker unterstützen Fanatiker

Angst? Keiner dieser fanatisierten Wortmörder muss ernsthaft befürchten vor einem Gericht seine Taten zu verantworten oder wegen Volksverhetzung bestraft zu werden. Denn die politische Macht ist mit ihnen. Kurz vor Weihnachten funkte, mit schrill-mittelalterlicher Demagogie, der Chef des Präsidiums für Religionsangelegenheiten, Mehmet Görmez, wie unakzeptabel das Feiern von Weihnachten und Silvester aus islamischer Sicht sei. „Beide Tage fördern den Konsumrausch und führen zum Identitäts- und Kulturverlust bei Jugendlichen“ schwafelte Görmez. Jeder, der Istanbul schon einmal zu Zeiten islamischer Feiertage besucht hat, weiß, dass auch dies Feste des Konsumrausches sind.

Eine Gesellschaft wie im Fieber

Gleichzeitig wirkt der Staat gegenüber den Attentätern beängstigend machtlos. Die Polizei, geschwächt durch monatelange Säuberungsaktionen in ihren Reihen als Folge des gescheiterten Putschversuches im Sommer, ist nicht in der Lage, den Mörder vom Silvesterabend zu fassen. Das beunruhigt mich und die bereits verunsicherten Menschen. Kein Wunder, dass die zunächst hochgradig absurd erscheinende Idee, sich selbst verteidigen zu müssen, langsam Gestalt annimmt.

Aber wir, die wir Paris-Berlin-Istanbul sind, sind nicht allein. Auch die Menschen auf der anderen Ideologie-Seite sind nervös und nagen an ihren Fingernägeln. Islamistische Militante bieten den Bürgern Schreckensvisionen einer allzu frühen Rückkehr zu „alten Zeiten“, die doch eben noch gegenwärtig waren in der Türkei. Das merke ich an der Aggressivität der Bürger. Sie sind bereit, das eben Gewonnene mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. In den vergangenen Monaten lese ich immer wieder alarmierende Berichte: Der Waffenkauf in Privathaushalten nimmt zu, steht in den Überschriften. Wahnsinn, Türken rüsten auf, blind vor Angst und neuerdings auch vor Hass. Der Kick der Meldungen führt längst nicht mehr nur zu insularen Gefühlen und halluzinierten Momentaufnahmen. Es werden ganze Kino-Wochenschauen daraus. Schon ein kleiner Fehler der Führung unter Erdogan kann zu einer gesellschaftlichen Kernschmelze führen.

In einer Republik, deren Führung drei Kriege gleichzeitig führt, einen gegen die Kurden, einen gegen den IS und einen gegen die eigene Vergangenheit, wird die Suche nach dem, was uns verbindet, eben auch immer fiebriger. 2016 war schon ein Horrorjahr für die Türkei. Und das neue Jahr hat schon mal richtig schlecht angefangen.

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Stefan Zander | Mi., 4. Januar 2017 - 20:01

Usta Cem Sey, wenn Sie das alles wollen, müssen Sie Ihren Landsleuten erklären, dass ersten Religion Blödsinn ist und zweitens Wissen immer Glauben schlägt. Das wird leider nicht funktionieren. Dazu sind die alten Männer zu gut vernetzt.

Michaela Diederichs | Mi., 4. Januar 2017 - 22:46

Lieber Herr Sey, wer Istanbul, wer die Türkei und die dort lebenden Menschen kennengelernt hat, ist zutiefst traurig über die Entwicklung in Ihrem Land. Heute in der SZ auf Seite 3 fand ich erste Hinweise darauf, dass Silvester in Ihrem Land von offizieller Seite geächtet wird. Herrn Erdogan führt die Türkei m. E. in einen islamistischen Staat. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Mann die Führungsrolle in der islamischen Welt übernehmen will als "starker Mann vom Bosporus". Nun bewaffnen sich also auch Ihre Landsleute - in D soll es ähnlich sein. Die Zahl der kleinen Waffenscheine ist angeblich in die Höhe geschnellt. Wo Waffen sind, gibt es Opfer. Das kann keine Lösung sein. Mir fehlt die Idee, wie dem begegnet werden kann. Uns allen wünsche ich Kraft zum friedlichen Widerstand gegen wahnhafte, verblendete Politik - egal in welchem Land. Aber vermutlich wird es nicht ohne Gewalt gehen. Ich fürchte, es wird sehr blutig werden. VG MD

Max Hoffmann | Mi., 4. Januar 2017 - 22:47

Ich habe an den Autor nur eine einzige Frage: mit wieviel Prozent aller türkischen Wählerstimmen (auch mit denen aus Deutschland!!!) wurden der Muslim Erdogan und seine islamische Partei gewählt?

Joost Verveen | Do., 5. Januar 2017 - 06:01

Es ehrt den Autor, daß er bürgerliche (europäische) Werte hochhält, allerdings hat Erdogan für seine Politik eine klare Mehrheit. Bei den "Deutsch"Türken sind es, meiner Erinnerung nach sogar bis zu 70%. Das dieses Regime zusammenbricht, glaube ich daher nicht. Es wird allerdings die Türkei arm machen, weil es die Wirtschaft abwürgt. Kein Investor der bei Verstand ist, investiert in einer islamischen Diktatur. Die türk.Lira ist daher bereits auf dem Weg in Richtung Zimbabwe-Dollar.

Johannes Reusch | Do., 5. Januar 2017 - 07:12

Offenbar in Artikel aus der postfaktischen Filterblase der selbsternannten Meinungsführer aus Angst vor dem fortschreitenden eigenen Bedeutungsverlust:
Eine Wahrnehmung der Umwelt als
"Schrill mittelalterliche Demagogie",
"gehirngewaschene Männer",
"blind vor ... Hass"
"islamistischer Mob",
"geistige Kalaschnikow-Halter",
"fanatisierte Wortmörder",
"Schreibtischtäter oder Facebook-Verbrecher"
und nur der rührende Trost
"Aber wir, ... , sind nicht allein"
zum Schluss.
Meinungen sind natürlich ebenfalls Fakten und wir müssen auch solchen Menschen das Gefühl vermitteln, dass sie ernst genommen werden. Damit sie sich nicht endgültig von diesen schrecklichen Populisten vereinnahmen lassen.
Also nochmal ein ganz herzliches Willkommen, wir verstehen Ihre Meinung und unsere Politiker werden schon bald einige Stichworte verbal aufgreifen bevor sie wieder eine andere Sau durchs Dorf schwätzen müssen.
Wir schaffen das!

Robert Müller | Do., 5. Januar 2017 - 07:17

Diese Erkenntnis scheint reichlich spät zu kommen, imho, zu spät. Und noch wichtiger: Wer soll politisch ein Gegengewicht zu Erdogan bilden? Die HDP hat das versucht als Bündnis zwischen Kurden und ... vielleicht Gezi-Protestler? Niemand der anderen türkischen Parteien hat geholfen, man hat stattdessen um die Gunst des "Sultans" gebuhlt, z.B. um sich selbst aus der Schusslinie zu nehmen. Da jetzt auch die türkische Presse gleichgeschaltet ist, werden Probleme, wie etwa der Wirtschaftseinbruch, auf Kräfte im Ausland geschoben. Methode Putin halt. Ich denke, die Türkei hat sich erfolgreich im Nahen Osten eingereit, wobei wir hier in Deutschland mit einem Abstand von einigen Jahren, folgen werden. Die Scharia-Polizei gibt es bei uns auch schon, und legal war das bei uns auch. Was bei uns zu Silvester passierte ist auch eine direkte Kopie aus Nahost und die Menschen hierzulande werden ihr Stockholm-Syndrom auch noch bekommen. Die dümmsten Schafe wählen ihre Metzger selber!

Christa Wallau | Do., 5. Januar 2017 - 10:43

... lieber Herr Müller,
einem von meinem Vater oft benutzten, volkstümlichen Aphorismus mit h o h e m Wahrheitsgehalt, möchte ich ausdrücklich zustimmen!

Bei uns lautete das Bonmot so:

"Nur die allerdümmsten Kälber
wählen ihre Metzger selber."

Dorothee Sehrt-Irrek | Do., 5. Januar 2017 - 12:20

Das liest sich wie der zivile Volksaufstand gegen Erdogan.
Welche Chancen so einer hätte auch und VOR ALLEM ÜBER WAHLEN und ZIVILEN WIDERSTAND vermag ich nicht zu sagen.
Herr Cem sollte in seine Landes-umfassenden Überlegungen auch das Militär einschliessen.
Erdogan kann nicht alle klugen Köpfe eines Landes umbringen lassen.
Ein kluger reicht, um einen zivilen Widerstand zu befestigen.
Dies wiederum muss dem Militär klar sein, dass seine Aufgabe der Schutz des Landes ist und nicht die Herrschaft über es.
Die europäischen Bevölkerungen stehen hinter Ihnen Herr Cem und einer freien Gesellschaft.
Je nachdem wie weit sich ein solcher Widerstand durchsetzen kann, ist aber ein Mitdenken der Religion erforderlich.
Unsere deutsche säkulare Gesellschaft ist Ergebnis unserer christlich-abendländischen Kultur.
Ohne Kultur und Religion werden auch Sie, Herr Cem eine freie Gesellschaft verfehlen und zwar mit Schwerpunkt auf Gesellschaft.
Demokratie, gesellsch. Verantwortung und Freiheit

Ralf Müller | Do., 5. Januar 2017 - 13:38

Wenn die Mehrheit der Türken eine Islamisierung will, sollte man das respektieren. Allerdings auf die Türkei beschränkt. Strikt davon zu trennen sind unsere Konsequenzen als Europa. Demokratie verstehe ich als Volksherrschaft, nicht als Elitendiktatur. Deswegen sollten wir uns in den innertürkischen Prozess nicht einmischen. Wohl aber sollten wir unsere Konsequenzen ziehen, wie wir als Europa bzw. als einzelne europäische Länder mit der Türkei umgehen. Letzteres ist ausschließlich unsere Sache.

Albert Schabert | Do., 5. Januar 2017 - 16:16

wie wir Deutsche jetzt irgendwelche Aussagen zu den Verhältnissen in der jetztigen Türkei machen können.Die kritische Presse ist ausgeschaltet. Schon Vermutungen führen zur Verhaftung und das Denunzieren von Nachbarn treibt Blüten. Erdogan hat die Mehrheit bei den letzten Wahlen erreicht und damit begründet er seine Alleinherschaft.Die Türken haben sich das selber eingbrockt haben.Wir müssen uns raushalten.

Margrit Morf | Fr., 6. Januar 2017 - 12:15

Ich denke sie haben recht Herr Cem Sey, nur weshalb kommt diese Erkenntnis so spät - zu spät ? Haben sie bis jetzt die Gesinnung und das Ziel von Erdogan nie beachtet ? Alle Anzeichen für die jetzt eingetroffene Entwicklung waren seit längerem klar erkennbar. Das Problem scheint mir zu sein, auch für Deutschland, dass man die Zeichen nicht sehen will. Es ist ja so bequem zu schweigen und über Warner den Kopf zu schütteln und sie als Schwarzseher zu kritisieren. Die Tragik ist aber, wenn dann alle "erwachen" ist es meist zu spät. Das denke ich gilt auch für die Türkei. Leider sehe ich es auch als ein Versäumnis von ihnen Herr Sey. Für das lange "nicht wahrhaben wollen" der Situation im eigenen Land, müssen sie und ihre Gleichgesinnten nun einen sehr hohen Preis zahlen. Dasselbe könnte auch, natürlich nicht in derselben Art wie in der Türkei, auch in Deutschland nochmals passieren.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 9. Januar 2017 - 16:23

Antwort auf von Margrit Morf

und gibt es überhaupt geschichtliche Abfolgen?
Ich würde trennen zwischen Nationalsozialisten und Hitler, sehe die Entwicklung einer starken parlamentarischen Demokratie, wenn diese Widerspruch/Einspruch mit gewissen Hürden, um das System nicht aus Versehen zu kippen, zulässt.
Eine Figur wie Hitler, die man auch weiterdenken kann, wäre für mich jemand ohne jede Regung von politischer Interaktion mit der unbedingten Überzeugung der eigenen Größe, also Richtung Größenwahn.
Das Problem ist, dass man das erst spät erkennt, denn das politische Geschäft fordert schon auch politische Führungskraft.
Da kann man sich also mächtig vertun und jetzt schreien ohne Not, hingegen vor Hitler warnten nur wenige.
Deshalb ist für mich Meinungsfreiheit und Verantwortung der ewige Jungbrunnen unserer Demokratie.
Ich brauche zudem starke Korrelative, sprich Diskussion, Debattenkultur.
Ja meine Güte, könnte es sein, dass ich den Cicero brauche? Jedenfalls hohes politisches Niveau:)

Dieter Wenzel | Di., 10. Januar 2017 - 10:15

Ich habe die Türkei als aufstrebendes Land mit reicher Kultur und sehr netten und hilfsbereiten Menschen erlebt. Es hat den Anschein das es lange in der Vergangenheit liegt und wird mit jedem Tag um ein Jahr länger. Lieber Herr Cem es wird Zeit das in allen Ländern die Demokraten ihren bequemen Diwan verlassen und gemeinsam die populistischen Egomanen und Pseudoreligiösen zum Teufel schicken, wo sie hingehören, sonst wird nicht nur die Türkei in den Sumpf der Armut von Geist, Abstieg von materieller Sicherheit und letztlich die Ausweglosigkeit des sozialen Niedergangs erleben. Dann haben die Erdogans der Welt endlich die kritische Masse einer fanatischen Anhängerschaft zu erklären, dass der Feind im Ausland und die politischen Opposition im eigenem Land dies verursacht hat. Also vorwärts, wir stehen vor einem Abgrund und müssen nur noch einen großen Schritt nach vorne tun.