Li Shangfu
Der verschwundene chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu Mitte August dieses Jahres / dpa

Verschwundene Minister - Xi demonstriert seine Macht

Nach dem chinesischen Außenminister ist jetzt auch der Verteidigungsminister verschwunden. Angeblich geht es um Korruption. Aber weil beide Vorgänge die Öffentlichkeit erreicht haben, dürfte mehr dahinter stecken. Chinas Präsident Xi Jinping ist in Bedrängnis.

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George Friedman, 74, ist einer der bekanntesten geopolitischen Analysten der Vereinigten Staaten. Er leitet die von ihm gegründete Denkfabrik   Geopolitical Futures  und ist Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt erschien „Der Sturm vor der Ruhe: Amerikas Spaltung, die heraufziehende Krise und der folgende Triumph“ im Plassen-Verlag.

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Der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu ist verschwunden. Einigen Berichten zufolge traf er sich gerade mit vietnamesischen Beamten, als er abgeführt wurde. Anderen (zuverlässigeren) Berichten zufolge wurde er jedoch vor dem Treffen festgenommen und musste es deshalb absagen. Chinesische Quellen berichten, dass gegen ihn wegen Korruption ermittelt wird. Li ist nicht nur Oberhaupt des Verteidigungsministeriums, sondern auch einer der fünf Staatsräte Chinas, was ihn zu einer äußerst wichtigen Persönlichkeit macht, die noch vor anderen Ministern steht.

Diese Begebenheit folgt auf das Verschwinden von Außenminister Qin Gang im Juni, der später durch Wang Yi ersetzt wurde. Seine Absetzung ist noch ungeklärt, aber seine stark antiamerikanische Rhetorik passte nicht zu Chinas Bedürfnis, die Beziehungen zu den USA zu verbessern und ausländisches Kapital zu sichern. Darüber hinaus wurden in letzter Zeit mehrere hochrangige Persönlichkeiten aus der Wirtschaft und dem Bankwesen entlassen – allerdings nicht mit der kalkulierten Dramatik, die offensichtlich Fragen aufwerfen sollte.

Diese Vorfälle erinnern an die Entfernung des ehemaligen chinesischen Präsidenten Hu Jintao von der Abschlusszeremonie des 20. nationalen Kongresses der Kommunistischen Partei Chinas im vergangenen Oktober. Die Absetzung von Hu wurde im Fernsehen ausgestrahlt, während die Absetzung von Li in letzter Minute vor einem geplanten Treffen mit Würdenträgern aus einem Land erfolgte, um das China zu werben versucht.

Vorfälle sollten bemerkt werden

China wusste, welche Auswirkungen diese Abberufungen haben würden. Li und Qin waren die beiden Hauptverantwortlichen für die chinesische Außenpolitik – der erste für die Landesverteidigung, der zweite für die Politik. Die Welt war erschrocken. Die Vietnamesen werden sich fragen, ob ein Land, das seinen Verteidigungsminister derart behandelt, stabil genug ist, um sich darauf verlassen zu können. Es gibt subtilere Methoden, jemanden in den Ruhestand zu versetzen oder zu verhaften, aber Peking hat sie nicht gewählt. China wollte ganz klar, dass beide Vorfälle bemerkt werden.

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In gewisser Weise ist ein massiver Umbruch in der chinesischen Regierung überfällig, insbesondere wenn Präsident Xi Jinping sein Amt behalten will. Xi hatte es im Jahr 2013 angetreten, als die chinesische Wirtschaft einen Aufschwung erlebte und Chinas strategische Position gestärkt wurde. In einigen Kreisen herrschte die Meinung vor, dass China die Vereinigten Staaten an wirtschaftlicher und militärischer Macht übertreffen würde. In den zehn Jahren seither hat sich die chinesische Wirtschaft dramatisch abgeschwächt, so dass der wirtschaftliche Wohlstand auf allen Ebenen der Gesellschaft zurückgegangen ist, ohne dass Xi wirksame Schritte unternommen hätte, um die Talfahrt umzukehren.

Mit diesem Problem verbunden war die Vorstellung, dass China seine internationale und strategische Macht ausbauen könnte. Xi war von den Vereinigten Staaten besessen, wie es viele Länder aus verschiedenen Gründen sind. Mit Programmen wie der Neue-Seidenstraßen-Initiative, einem Wirtschaftsplan, in dem die Wirtschaft der nationalen Sicherheit untergeordnet wurde, versuchte er, Verbindungen zu schaffen, um die Vereinigten Staaten zu blockieren. Xi positionierte die „Neue Seidenstraße“ als Basis für eine grundlegende Verschiebung des Kräfteverhältnisses, was nicht gelang. Gleichzeitig forderte China die amerikanische Seemacht im Südchinesischen Meer heraus, insbesondere um Taiwan herum.

Xis Fehlkalkulation

Xi hatte offenbar nicht erkannt, in welchem Maße China für sein Wirtschaftssystem von den Vereinigten Staaten abhängig war. Die Vereinigten Staaten waren Chinas wichtigste Exportquelle, während US-Investitionen und Technologietransfers das chinesische Wirtschaftswachstum gewährleisteten und vorantrieben. Xi hatte die Vereinigten Staaten aus innen- und außenpolitischen Gründen als Chinas Hauptgegner positioniert. In Anbetracht der bisherigen Leistungen und unter Vernachlässigung der Dynamik, die für Chinas Wachstum entscheidend war, erreichte China sein Ziel, als wahrscheinlicher Nachfolger der Vereinigten Staaten angesehen zu werden.

Xis Problem bestand darin, dass die Vereinigten Staaten ihn ebenfalls ernst nahmen. Er verstand nicht, dass die USA auf Wirtschaftszyklen aufgebaut sind. Wenn es zu Abschwüngen kam, war auch China davon betroffen, und als die Angst der USA vor Peking zunahm, wurde eine Reihe von Maßnahmen gegen China ergriffen. Auch wenn diese amerikanischen Maßnahmen nicht das Hauptproblem Chinas waren, stellten sie doch eine erhebliche Komplikation dar. Gleichzeitig überschätzte China seine Marineentwicklung und seine technologische Kapazität, während es die entsprechenden Fähigkeiten der USA zu unterschätzen schien. Die jüngste Vertiefung der US-Allianzen mit den Philippinen und Papua-Neuguinea vervollständigte eine Linie, die China von den Aleuten bis nach Australien blockierte und Pekings strategische Position erheblich schwächte.

China ist und bleibt ein wichtiges Land, aber es ist weit davon entfernt, die Vereinigten Staaten herausfordern zu können. Xi hat die Bedeutung der US-Märkte und des US-Kapitals sowie die Bereitschaft der Vereinigten Staaten unterschätzt, große Kräfte gegen China einzusetzen.

Verfrüht Siege verkündet

All dies geschah unter Xis Regentschaft. Er verstand sich darauf, verfrüht Siege in der heimischen Wirtschaft und in den globalen Beziehungen zu verkünden. Er überzeugte die chinesische Bevölkerung von dem, was er sie glauben machen wollte. Unter solchen Umständen wäre ein Regierungswechsel unvermeidlich und Routine. Aber Xi ist nicht in der Lage oder willens, zurückzutreten. Es mag Verschwörungen gegen ihn geben, und es gibt noch viel mehr Verschwörungen, die in seinem Kopf herumspuken. Die öffentlichkeitswirksame Verhaftung hochrangiger Beamter sind Machtdemonstrationen.

Xi wiederholt den Fehler, den er bei den Vereinigten Staaten begangen hat, als er die Amerikaner von Chinas Macht überzeugte und eine Reaktion auslöste, die China, gelinde gesagt, aus dem Gleichgewicht brachte. Xis Feinde mögen zwar glauben, dass er alles sieht und die Macht hat, sie zu stoppen. Aber das motiviert sie nur, noch effektiver zu sein. Er kann nicht zurücktreten oder sein Scheitern zugeben. Also müssen Minister verschwinden und ehemalige Präsidenten vor den Augen der Weltöffentlichkeit aus den Sitzungen entfernt werden.

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Henri Lassalle | Do., 21. September 2023 - 14:50

die Kontinuität ihrer Machtfülle der Wirtschaftslage, sie wird entscheiden, wie es in der Zukunft mit dem Regime bestellt sein wird. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg wurden weite Teile der Bevölkerung befriedigt, man nahm und nimmt daher auch so manche Zwänge des politischen und gesellschaftlichen Systems hin, man versucht, sich mit ihm zu arrangieren. Alles hängt nun davon ab, wie weit die Führung Kontinuität sichern kann. Und man darf nicht vergessen: Nicht alle Chinesen profitieren vom wirtschaftlichen Erfolg des Landes, es gibt viel Armut und Prekariat, vor allem im Landesinneren.

Kai Hügle | Fr., 22. September 2023 - 11:06

Wenn es einen chinesischen Minister oder Milliardär "erwischt", fällt es auf, aber niemand außer den Machthabern weiß, wie viele Menschen in diesem Land einfach so "verschwinden".
Menschenrechtsorganisationen und die UN gehen davon aus, dass allein in der Provinz/Autonomieregion Xinjiang knapp eine Million Menschen interniert sind, Zwangsarbeit leisten und z. T. gefoltert werden.
Das sollte all jenen im Cicero zu denken geben, die im Zusammenhang mit Klima- oder LGBTQ-Aktivisten allzu leichtfertig Begriffe wie Totalitarismus, Jakobiner o.ä. verwenden; eine unverantwortliche Verharmlosung wirklicher diktatorischer Regime, die - das finde ich besonders bemerkenswert - hier relativ moderat, wenn überhaupt, kritisiert werden..

Ronald Lehmann | Fr., 22. September 2023 - 13:58

Damit diese am EIGENEN LEIB/GEIST erfahren, was es für Menschen noch heutzutage bedeutet, kommunistisch erzogen zu werden,

statt auf Freiheit des Geistes & Rechtsstaatlichkeit zu setzten wie unsere westliche Welt, wenn auch die Übeltäter die ehemaligen christlichen Werte für ihre Macht & Interessen missbrauchen

CHN - das Punkte-System, was die allermeisten wie den Film Orwell84 nicht kennen
(was sich garantiert sich eine Frau Faeser hier in D. wünschen würde),
wo die Macht entscheidet, was man darf, wohin man darf, welche Dienstleistungen & welche Leistungen überhaupt man erhält, wo man mit Bild & Privat-Adresse auf öffentlich auf riesigen Leinwänden in Bahnhöfen & Flughäfen öffentlich diskreditiert wird.
Wo selbstständiges denken, aber noch viel mehr staatliche Kritik dich in die unterste Kaste der Gesellschaft manifestiert &&&

All dieser jetzt von mir aufgeschriebene kleine Spalt der Realität von Chinas Welt kennen & wollen auch dies nicht kennen

aber den Giftschrank der GIER im Auge