US-Kampfansage an China - Wir brauchen nicht noch einen Krieg

Vier Wochen vor dem großen Parteitag, provozieren führende amerikanische China-Strategen das Reich der Mitte – und trommeln für einen Wirtschaftskrieg. Vielleicht ist das eine Panikreaktion, vielleicht ehrlicher Ausdruck einer längst etablierten Überzeugung. Klar ist: Dieses Spielen mit dem Feuer muss dringend eingedämmt werden.

Chinas Präsident Xi Jinping und seine Kader / dpa
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Autoreninfo

Ole Döring ist habilitierter Kulturphilosoph und Sinologe. Er vernetzt unterschiedliche Kompetenzen und Denkweisen zu Medizin und Gesundheit, Technologie, Soziales und Ökonomie. Döring beschäftigt sich mit kulturellen und philosophischen Fragen der Medizin und Bioethik und ist Vordenker einer globalen Gesundheits-Ethik. Zuletzt ist von ihm das Buch „Das Luther-Gen - Zur Position der Integrität in der Welt“ erschienen.

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„Die Zeit ist gekommen, wirtschaftliche Waffen gegen China einzusetzen (现在是对中国动用经济武器的时候了).“ Dieser Satz steht in einem langen Artikel in Voice of America China vom 13. September. Er ist genau so gemeint und soll China zu einer weiteren Eskalation bewegen. Es handelt sich dabei um keinen Schlagzeilenskandal. Der Satz markiert den offenen Umschwung zu einem Kurs planvoller, systematischer und direkter Schädigung einer Volkswirtschaft im Wettbewerb und wird von seinen Urhebern in diesem Artikel genau so erklärt. Das ist eine Definition von Krieg, eine explizite Kriegstreiberei. Gegen wen ist sie gerichtet? 

Das Wall Street Journal wird zitiert, wonach die USA China jetzt als „höchste Bedrohung der nationalen Sicherheit (top national security threat)“ betrachten. Chinas Präsident Xi Jinping kommt im gleichen Zusammenhang als Vertreter einer kontinuierlichen Politik der Entwicklung durch Wettbewerb zu Wort. Offenbar meinen Experten wie Irwin Stelzer vom Hudson Institute, China sei gerade angreifbar, namentlich aufgrund seiner Jugendarbeitslosigkeit, und empfehlen, jetzt „die existierenden Waffen ernsthaft einzusetzen und neue zu entwickeln“.  

Vermeintliche Gewährsleute der Marktwirtschaft

Die grundsätzliche Einsicht, dass Sanktionen den USA nicht nützen, sondern Schaden anrichten, wird durch immer stärkere Daten untermauert. Das den USA verbliebene taktische Arsenal stecke vor allem im globalen Finanzsystem. Die Plattform, auf der diese Ansichten verbreitet werden, ist Voice of America, nach eigenen Angaben „der größte internationale US-amerikanische Sender, der Nachrichten und Informationen in mehr als 40 Sprachen für ein geschätztes wöchentliches Publikum von mehr als 311 Millionen Menschen bereitstellt“. Diese Stimme ist auch in China zu hören und in chinesischer Sprache zu lesen.  

Die vermeintlichen Gewährsleute deutscher Freiheit und Marktwirtschaft fordern hier: „Was die Vereinigten Staaten tun müssen, ist, China daran zu hindern, sich der Stärke der Vereinigten Staaten in Bezug auf Chips, in Bezug auf Hochtechnologie und sehr wichtige internationale Sicherheitsressourcen weiter zu nähern.“ Es geht darum, Wertschöpfung zu verhindern, statt zu kooperieren. Sind nur noch kriegerische Mittel denkbar, um, so liest man weiter, einem „Risiko für die Führungskraft und Wettbewerbsfähigkeit der USA“ zu begegnen – wo also nicht einmal von aggressivem, feindseligem oder schädigendem Verhalten die Rede ist, wie früher zur Rechtfertigung von „Präventionskriegen“? Ein Risiko ist die Kalkulation eines potentiellen Schadens, keine unmittelbare Bedrohung.

Freiheit des Unternehmertums wird geopfert

Man kann nur hoffen, dass die unternehmerischen Akteure unserer Realwirtschaft diesem Angriff auf ihre Geschäftsgrundlagen rasch und deutlich einen Riegel vorschieben. Denn sie würden dadurch besonders infam gegängelt und zum politischen Spielball gemacht. Das ist genau so beabsichtigt. „Wir müssen ein Geschäftsmodell in Betracht ziehen, das über die Gewinne gewöhnlicher und einzelner Unternehmen hinaus denkt“, heißt es unverblümt. Die Freiheit des Unternehmertums wird vor aller Augen auf dem Altar des „God's own country“-Wahns dem Überlebenskampf eines abgewirtschafteten „business models“ geopfert. 
 

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Vielleicht ist das eine Panikreaktion, vielleicht ehrlicher Ausdruck einer längst etablierten Überzeugung – das macht diese Offensive zum jetzigen Zeitpunkt nur umso gefährlicher. Der entsprechend geforderte „systematische statt Einzelfall-Ansatz“ würde natürlich nicht nur China treffen. Hier geht es allerdings um mehr als einen verbalen Versuchsballon. Gerade zu diesem hoch nervösen Zeitpunkt, vor dem in vier Wochen bevorstehenden großen Parteitag, ist das ein gezielter Nadelstich, der provozieren soll.

Wir haben jüngst wieder aus Anlass des diplomatisch fein ziselierten UN-Reports zur Lage der Menschenrechte in Xinjiang gesehen, wie leicht sich China von einseitig verzerrten Darstellungen dieses Berichts beleidigt fühlt und provozieren lässt – und Schwierigkeiten hat, seine eigenen Wolfskrieger zu bändigen, die allzu gern derartige Vorlagen aufgreifen. Dieses Spielen mit dem Feuer muss rechtzeitig eingedämmt werden. Wer sich nicht aus eigener Kraft beziehungsweise durch geregelte Zusammenarbeit entwickeln kann, darf keinen Freibrief bekommen (oder sich solche selbst ausstellen), anderen die Kraft zu entziehen. 

Position der Schwäche und Gestrigkeit

Vielleicht belebt dieses eindeutige Selbstbekenntnis zur eigenen Position der Schwäche und Gestrigkeit der USA die anstehenden Gespräche der deutschen APK in Singapur. Die 17. Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft wird dort vom Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, den deutschen Auslandshandelskammern in Asien-Pazifik und Robert Habecks Superministerium organisiert, der auch einer der Vorsitzenden ist.

Die aus dem Chinesischen ins Deutsche übersetzte „Stimme Amerikas“ dürfte auch Olaf Scholz interessieren, der sein Kommen angekündigt hat. Womöglich besteht eine Chance, das in den vergangenen Jahren über Krieg und Frieden Gelernte zu bedenken und mit asiatischer Hilfe mit Leben zu füllen. Es wird eine gehörige Injektion Weisheit nötig sein, um, den kaltherzigen Hitzköpfen zum Trotz, vernünftige Politik zu machen.  

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