Wladimir Putin und Xi Jinping
Wladimir Putin und Xi Jinping bei ihrem Treffen in Peking am 4. Februar / picture alliance

China und der Ukraine-Krieg - Alle Optionen offen

Wie positioniert sich China im Ukraine-Krieg? Nach dem Treffen von Wladimir Putin und Xi Jinping Anfang Februar wurde darüber spekuliert, dass Peking die Invasion Russlands unterstützen würde. Doch das ist nicht der Fall. Denn die Chinesen haben genügend eigene Probleme – insbesondere wirtschaftlicher Art. Sie werden tun, was ihnen am besten nützt.

Autoreninfo

Allison Fedirka arbeitet als Analystin für die Denkfabrik Geopolitical Futures. Sie hat mehrere Jahre in Südamerika gelebt. 

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Bei den sich überstürzenden Ereignissen in Osteuropa ist es verständlich, dass Russland, der Ukraine, der Nato, der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und allen anderen, die etwas damit zu tun haben, so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. China hingegen fliegt unter dem Radar, und das ist genau das, was es will.

Angesichts des schwierigen Verhältnisses zu den USA und des öffentlich gelobten Treffens zwischen den Präsidenten Xi Jinping und Wladimir Putin Anfang dieses Monats erwarteten viele, dass Peking sich hinter Russland stellen würde. Doch das ist nicht geschehen. Bisher hat die Kommunistische Partei Chinas eine gemäßigte Reaktion an den Tag gelegt, die den Dialog zwischen den beteiligten Parteien betont. Dies ist kaum ein Beweis für das Bündnis zwischen Russland und China, das von vielen Medien lauthals verkündet wird. In Wahrheit sind die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sehr viel schwieriger, zuweilen stehen sie sogar in Konkurrenz miteinander.

Zum Gesamtzusammenhang gehören Indien, die Mongolei, Zentralasien und, in geringerem Maße, das Gleichgewicht der Kräfte im Pazifik, insbesondere in Bezug auf Nordkorea, Vietnam usw. Selbst wenn sie ihre Differenzen vorübergehend beiseiteschieben könnten, hat China Russland im Moment nicht viel mehr als finanzielle Unterstützung zu bieten.

Jede Enthaltung ein potentielles Schlupfloch

Um es klar zu sagen: Finanzielle Unterstützung ist wichtig – wichtiger als, sagen wir, militärische Unterstützung. Damit die Sanktionen gegen Russland greifen können, müssen sich viele Länder daran beteiligen. Jede Enthaltung könnte ein potenzielles Schlupfloch für eine Umgehung schaffen. Aus diesem Grund hat Moskau Syrien, Iran, China und andere Länder wie die Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion angesprochen.

An dieser Front scheint Peking seine Optionen abzuwägen. Es muss seine eigenen wirtschaftlichen Probleme berücksichtigen, die sehr zahlreich sind. Chinas Schattenkredite, seine Einmischung in Marktangelegenheiten, seine Abhängigkeit von Importen und seine Probleme in der Lieferkette schaffen eine sehr prekäre Situation. Das Land hat Corona gut überstanden, aber seine Probleme sind älter als die Pandemie. Finanzielle Hilfe ist daher eine riskante Angelegenheit. Denn sie würde staatliche Mittel vom öffentlichen Sektor abziehen – und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Staatskassen eine entscheidende Rolle bei der Schaffung von Wachstum und der Vermeidung von Zahlungsausfällen spielen. China kann sich keinen weiteren Handelskrieg oder einen eingeschränkten Zugang zum US-Dollar leisten, der für Chinas strauchelnde Technologieunternehmen und ausländische Investitionen unerlässlich ist.

Die Ukraine als Blaupause für Taiwan?

Es wird spekuliert, dass China den Krieg als Gelegenheit nutzt, um neue Beziehungen zu den Vereinigten Staaten auszuhandeln. Bislang scheint es sich dabei um wenig mehr als Spekulationen zu handeln. In mehreren Medienberichten wird angedeutet, dass der Krieg China zu einer endgültigen Invasion Taiwans inspirieren wird. Auch dies ist unwahrscheinlich. Chinas Entscheidung, in Taiwan einzumarschieren, hat nichts mit Russland oder der Instabilität des globalen Systems zu tun. Wäre dies der Fall, hätte China schon vor langer Zeit den Einmarsch vollzogen. Aber es hat davon Abstand genommen, weil es politisch heikel und militärisch entmutigend ist. Eine Invasion würde zu massiven Verlusten führen und wahrscheinlich Vergeltungsmaßnahmen der USA und Japans nach sich ziehen. Stattdessen hat man sich für Drohflüge und Marineangriffe entschieden, um die taiwanesischen Verteidigungskräfte zu zermürben, anstatt wirklich etwas zu unternehmen.

Wenn sich Länder in einem globalen Konflikt für eine Seite entscheiden, tun sie dies je nach dem, wie es ihnen nützt. China könnte Russland helfen, aber das hat vielleicht keine Auswirkungen. Wenn überhaupt, könnte eine starke pro-russische Haltung der chinesischen Wirtschaft sogar schaden. Die USA wiederum haben ein Interesse daran, dass China Russland nicht unterstützt und sich die Beziehungen zu Peking verbessern. China hält sich in weiser Voraussicht seine Optionen offen.

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ingo Frank | Mo., 28. Februar 2022 - 08:46

Was sagt mir das?
Vielleicht wäre diese Variante auch im Hinblick auf unsere Historie mit dem Ii. Weltkrieg eine bessere Option als Waffenlieferungen in die Ukraine gewesen. Durchaus möglich.
Außerdem, auf Grund der deutschen „energetischen Situation“ glaube ich schon, dass D. weit aus mehr als Russland von den
Sanktionen betroffen wird. Energiepreise & galoppierende Inflation werden die arbeitend
(der Rest bekommt‘s eh vom Staat) empfindlich treffen. Dieselpreis von gestern an der B 247 in Thüringen: 1,799 da sind wir ja bald bei den von den Grünen geforderten 5 DM / Ltr. Inflationsbereinigt.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Karl-Heinz Weiß | Mo., 28. Februar 2022 - 09:08

Die Autorin verwendet Argumente aus der bisherigen Welt-" auch Diktatoren handeln rational". Putin will ein Groß-Russland, obwohl ein Neutralitätsstatus der Ukraine in Reichweite war. Für China ist Taiwan eine innere Angelegenheit, wie Hongkong. Ein Zurückstecken wäre für Xi innenpolitisch sehr gefährlich. Genau in dieser Zwickmühle steckt momentan Putin- das ist das Schicksal von Diktatoren.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 28. Februar 2022 - 09:09

Ich mag nicht spekulieren, welche Motive China haben könnte ob und wie sie sich raushalten oder verdeckt mitmachen. Nach meiner Bewertung befindet sich China in der Beobachterrolle und kann in Ruhe weiter Geschäfte machen und sehen, wie sich der Westen verhält und wie sich dieser Krieg für alle Beteiligten auswirkt. Sie sind selbst erstmal nicht betroffen. Natürlich kann China lernen, was sie "besser" machen könnten, im Falle einer Invasion von Taiwan und im Umgang mit Honkong. Und ja, da stimme ich zu, die in den Msm gerne verbreitete Theorie, das sich Russland China annähernd könnte halte ich eben nur für eine Theorie. Nicht mehr und nicht weniger. Die Chinesen werden schlicht und ergreifend sehen, ob sie nicht dort noch ein Geschäft mehr machen können, wo die Kriegsparteien schwächeln. Und mal ehrlich. Wer will das wirklich herausfinden können, was die Chinesen im Schatten dieses Krieges denken und wo sie über fünf Ecken nicht doch mitmischen. Nichts genaues weiß man nicht.

Romuald Veselic | Mo., 28. Februar 2022 - 09:50

sehr gut bewusst, wozu dies führen könnte, falls Putin/RUS weitere Zerstörungen im Westen anrichten würde. Denn; RUS an sich, ist für China, als Ersatz für Westen absolut uninteressant, da die Kaufkraft der Bevölkerung ist niedrig und technologisch (außer Waffen) kraftlos. Dort werden noch immer Fahrzeuge hergestellt, die auf der Lizenz v. Fiat 124 basieren. Abgesehen davon, dass China ihre eigene Billionen Investitionen, vor allem in Europa/EU dadurch massiv gefährdet hätte. Denn die Neue Seidenstraße endet nicht in Archangelsk, sondern in Duisburg.

PS Nicht vergessen, daß Erdgas/Erdöl kann man nicht "essen".

Einen frohen Rosenmontag ???✔

Gerhard Lenz | Mo., 28. Februar 2022 - 10:01

wenn er glaubt, er könne auf die bedingungslose Unterstützung Chinas bauen.

Die Chinesen werden ihn gnadenlos fallenlassen, wenn die strategische Freundschaft mit dem zunehmend isolierten Kriegstreiber im Kreml für sie zur Belastung wird.
Allerdings halte ich im Gegensatz zur Autorin die Möglichkeit nicht für ausgeschlossen, dass sich China mit der - gleichwohl halbherzigen - Billigung des Putin'schen Überfalls auf die Ukraine dessen Unterstützung im Falle einer Annexion Taiwans erkauft.

Nur in der Auseinandersetzung mit den USA kann China Putin als Verbündeten gebrauchen. Militärisch hochgerüstet, ist das eigentlich reiche Rußland wirtschaftlich dank der inkompetenten und korrupten Clique um Putin ein Wrack; es ist nur als Energielieferant und Darsteller in einer eventuellen Drohkulisse nützlich.

Schon Trump fürchtete die Chinesen wegen deren wirtschaftlicher Stärke mehr als den offen oder versteckt ständig zündelnden Putin - für den er dieser Tage gar Lob übrig hat.

Urban Will | Mo., 28. Februar 2022 - 13:04

was ihnen am besten nützt.
Mit Ausnahme des seit vielen Jahren dusselig regierten D, das sich in seiner Übermoral darin gefällt, das zu tun, was anderen am besten nützt.
China kann in der Tat ruhig abwarten.
Sollte es den Sprung nach Taiwan wagen, dann bin ich mal gespannt auf die Reaktionen des Westens.
Wird man seine moralisch – kriegerische Haltung beibehalten und China ebenso zu isolieren versuchen, wie Russland?
Dann reden wir wohl von Auswirkungen, die niemand mehr einschätzen kann.
Das sind alles nur Spekulationen, aber der Westen hat sich mit seiner Rhetorik in eine Sackgasse begeben.
Putins Verhalten ist in der Tat nicht zu entschuldigen, aber ihn zu isolieren und in u.U. in eine ausweglose Situation zu treiben ist brandgefährlich.
Ich hoffe, China nutzt seinen Einfluss auf Russland, geht in Verhandlungen, und sorgt für eine für alle Seiten gesichtswahrende Lösung.

Das würde ihm am meisten nützen.

Der Westen ist hierzu nicht mehr fähig, der hat alle Türen zugeschlagen...

Heidemarie Heim | Mo., 28. Februar 2022 - 15:43

Die bisher nicht durch besondere Emotionen geleitete bzw. aufgefallene chinesische Führung stellt dazu bestimmt ihr ganz eigenes Kalkül auf. Ob unter dem Radar oder nicht, Denkspiele, Glücksspiel und besonders das Wetten mit dem Ziel seinen Gewinn zu maximieren lag den Chinesen sozusagen schon immer im Blut. Eine Leidenschaft, gegen den selbst der härteste Kommunismus nicht ankam s.a. Macao;). Das oben auf dem Titelfoto gezeigte Vertrauen ist bestenfalls das eines unter Raubtieren übliche welche keinerlei Skrupel hegen im Fall einer Schwäche sofort zu ihrem Vorteil zu handeln. Bis dahin hält man sich taktisch bedeckt und vermittelt einen möglichst "harmlos" passiven Eindruck;).
MfG

Christoph Kuhlmann | Mi., 2. März 2022 - 08:21

aus Russland profitieren, denn der Westen wird sich beim Handel mit Russland zurück halten. Wenn sich dann noch die Beziehungen zu den USA verbessern und der Zutritt zu den westlichen Märkten erhalten bleibt, dann ist China der Gewinner des Krieges in der Ukraine.