US-Drohne stürzt ins Schwarze Meer - Nicht hochkochen, sondern abkühlen

Mit dem Absturz einer US-Drohne über dem Schwarzen Meer sind sowohl die USA als auch Russland bedächtig umgegangen. Für die EU bleibt die Aufgabe, wie sie ihre Mitgliedsstaaten am Schwarzen Meer schützen und deren Interessen berücksichtigen kann.

US-Militärs mit Reaper-Drohne / picture alliance
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Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Wenn zwei Nuklearmächte in einer Zeit, da die eine gegen einen Nachbarstaatstaat Krieg führt, während die andere diesen in seiner Verteidigung unterstützt, in eine direkte militärische Auseinandersetzung geraten, wird es gefährlich. Doch der Absturz einer amerikanischen Drohne am 14. März über dem Schwarzen Meer wurde von beiden Seiten sofort eingefangen. Beide Seiten, Russland und die Vereinigten Staaten, wollten das Geschehen nicht hochkochen, sondern abkühlen.

Die USA, die den Vorfall öffentlich machten, verbanden dies sogleich mit der Charakterisierung „Kollision“ und präzisierten später, dass zwei russische Kampfflugzeuge im internationalen Luftraum vierzig Minuten lang versucht hätten, die Aufklärungsdrohne vom Typ Reaper von ihrer Flugbahn abzubringen. Sie sei dann abgestürzt, weil ein Pilot in seinem gewagten Manöver keinen ausreichenden Abstand hielt und den Propeller beschädigte. Kurz gesagt: Die Drohne zu stören war intendiert, sie zu zerstören nicht.

Ein Bedienungsfehler sozusagen

Die russische Seite wiederum ließ sich länger Zeit mit einer Version, die dann ganz anders klang. Die Drohne sei nahe der Krim auf dem Weg zur russischen Grenze gewesen, die zwei Kampfflugzeuge hätten sie begleitet und bei einem scharfen Manöver hätte sie dann an Höhe verloren. Ein Bedienungsfehler sozusagen. Sogleich wurde versichert, dass die beiden Flugzeuge nach Russland zurückgekehrt seien und sie keine Bordmunition gegen die Drohne benutzt hätten.

Damit waren von beiden Seiten Zeichen der Beruhigung ausgesandt worden. Die USA mutmaßten, dass hinter dem Absturz keine direkte Absicht stand. Russland wollte jede aktive Teilnahme daran in Abrede stellen. Zwar wurde auf diplomatischem Weg noch protestiert, aber selbst wenn die USA ihre Version mit Bildern belegen könnten, würde das keinen weiteren Streit mehr auslösen. Moskau würde es verschmerzen können, mal wieder bei einer Lüge erwischt worden zu sein, und aus dem Kreml wird man die Geschichte nicht mehr aufrollen. Jedenfalls nicht den Vorgang; schon aber den Streit, der dahintersteht.

War hat das Sagen? 

Dabei geht es um die Frage, wer im Schwarzen Meer das Sagen hat. Nachdem Russland die Herrschaft über das Asowsche Meer als gesichert ansieht, möchte es nun sichtbar zur bestimmenden Macht im Schwarzen Meer werden. Dazu ist es bestrebt, zur See und in der Luft militärisch so dominant zu sein, dass sich kein anderer Anrainerstaat untersteht, Russland herauszufordern.
 

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Nun liegen mit der Türkei, Bulgarien und Rumänien (von wo die Drohne gestartet ist, die beim Absturz 120 Kilometer von der Krimküste entfernt in internationalem Luftraum gewesen sein soll) drei Nato-Staaten am Schwarzen Meer, zwei davon gleichzeitig Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

Auch die Ukraine erhebt Ansprüche im Schwarzen Meer, die Russland durch seinen Krieg gegen die Ukraine für sich vereinnahmen will. Auf den Punkt gebracht: Russland betrachtet das Schwarze Meer als Russisches Meer und das heißt auch, dass sich dort ohne seine Genehmigung keiner frei bewegen darf. So sieht es der Kreml, auch wenn es mit Recht und Realität nichts zu tun hat. Es ist die Strategie Potemkin: so tun als ob, bis sich die anderen daran halten.

Im Vorteil der Rücksichtslosigkeit

Das ist schon länger ein Problem. Ein Schiff und ein Flugzeug aus Großbritannien wurden in den letzten Jahren beschossen, weil sie sich nach eigener Rechtsauffassung in internationalen Gewässern bzw. im internationalen Luftraum befanden, nach russischer Auffassung aber nicht. Am deutlichsten wird diese Auffassung anhand der Küste der Krim. Der Kreml behauptet, dies sei die Grenze Russlands. Das stimmt aber nach internationaler Festlegung nicht. Es ist die Grenze der Ukraine. Was gilt wird – analog den Differenzen zwischen China und den Anrainern des Südchinesischen Meeres – im Einzelfall mit Gewalt festgestellt. Und da meint Russland im Vorteil der Rücksichtslosigkeit zu sein.

Die Europäische Union hat diese geopolitische Herausforderung jahrelang missachtet. Denn russische Dominanz im Schwarzen Meer bedeutet, dass zwei EU-Staaten von dort aus massiv bedroht werden können. So wie Russland jetzt konstant ukrainisches Territorium vom Schwarzen Meer aus mit Raketen beschießt. Die USA halten den russischen Anspruch allerdings in Schach und werden dies erst einmal weiter tun. Ob der russische Pilot mit dem Absturz der Drohne nur unprofessionell oder ungeschickt gehandelt hat, oder ob dahinter die Absicht besteht, den Konflikt im Schwarzen Meer zu eskalieren, werden die nächsten Wochen und Monate russischen Verhaltens zeigen. 

Eine unangenehme Frage

Dass die Drohne zum Absturz gebracht wurde, soll, so die amerikanische Darstellung, mit dem rabiaten Verhalten der russischen Piloten zusammenhängen. Hätten sie auch so gehandelt, wenn die Drohne nicht unbemannt und unbewaffnet gewesen wäre? So ist der Verlust für die USA zu verschmerzen. Es sind zwar über 30 Mio. US-Dollar ins Meer gestürzt, aber das ist nicht der erste Absturz. Schon im Jemen, Afghanistan und Libyen stürzten Reaper ab. Deshalb war auch die offizielle Reaktion darüber, wer die Drohne bergen könnte, zurückhaltend. Denn Bauteile werden schon bisher ihren Weg nach Moskau gefunden haben.

Trotzdem wollen die USA sie bergen und müssen nun sehen, wie. Denn die US-Marine ist derzeit nicht im Schwarzen Meer unterwegs. Was aber wäre aus dem Manöver entstanden, wenn Waffen eingesetzt oder Menschen ums Leben gekommen wären? Die Frage bleibt derzeit unbeantwortet. Sie wird aber sicher ab jetzt stärker bedacht.

Keine andere Macht geduldet

Fasst man die verschiedenen Facetten dieses Ereignisses zusammen, so ist das Gefährliche an diesem Geschehen der Anspruch Russlands, das Schwarze Meer nach Belieben zu dominieren und dort keine andere Macht zu dulden. Hingegen sind beide Seiten mit dem aktuellen Vorgang bedächtig umgegangen. Für die EU bleibt die Aufgabe, wie sie ihre Mitgliedsstaaten am Schwarzen Meer schützen und deren Interessen berücksichtigen kann. Die Nato unternimmt das aktuell, durch die Balance-Politik des Allianzpartners Türkei jedoch unter erschwerten Bedingungen. 
  
 

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