Ukraine-Friedensplan aus China - Peking übt den Balanceakt

Der chinesische Zwölf-Punkte-Friedensplan für die Ukraine ist wenig hilfreich, um den Krieg tatsächlich schnell zu beenden. Doch die zwischen den Zeilen erkennbare Botschaft an den Westen ist versöhnlich.

Ambivalentes Verhältnis: Chinas Präsident Xi Jinping (rechts) mit Wladimir Putin im Februar 2022 in Peking / dpa
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Autoreninfo

Henrik Bork hat 30 Jahre lang als Asienkorrespondent für deutsche Medien gearbeitet, zuletzt als Büroleiter der Süddeutschen Zeitung in Tokio und Peking. Seit 2012 schreibt er als freier Autor und berät internationale Konzerne bei ihrer Chinastrategie. 

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Ein Jahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat China einen Zwölf-Punkte-Friedensplan vorgelegt und erneut einen Waffenstillstand in der Ukraine gefordert. In den USA und Europa sind die Initiativen Chinas postwendend abgelehnt worden.

So hart und so schnell fiel diese Ablehnung aus, dass schon einen Tag nach dem Vorstoss aus Peking eigentlich nur Eines davon übrig bleibt: Ein neuer Beweis dafür, wie vergiftet die Atmosphäre zwischen China und dem Westen derzeit ist.

Eher ein Positionspapier

Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, sagte gegenüber CNN, Chinas Vorschlag hätte am besten nach dem ersten „Bullet Point“ aufhören sollen, in dem Respekt für die Souveränität aller Länder“ gefordert wird. Deutlicher und auch im Ton giftiger kann man Chinas Vorschlag kaum abschießen.

Allerdings lesen sich die anderen elf Punkte aus Peking wirklich mehr wie ein „Positionspapier“, wie Jorge Toledo, der EU-Botschafter in China, sagte – und nicht wie eine ernst gemeinte Friedensinitiative.

Derzeit nicht akzeptabel

Punkt zwei etwa wendet sich gegen die „Mentalität des Kalten Krieges“. Das ist erkennbar eine Wiederholung der alt bekannten, impliziten Pekinger Kritik gegenüber Washington. Obwohl es eine durchaus vernünftige Forderung ist, einen neuen Kalten Krieg zu vermeiden, ist dies hier wenig hilfreich.

Punkt drei fordert eine „Einstellung der Feindseligkeiten“, also einen Waffenstillstand. Aus Sicht Kiews wäre damit das Risiko verbunden, dass Russlands Truppen die Ukraine nicht wieder verlassen und ukrainische Gebietsverluste permanent werden. Peking muss gewusst haben, dass so eine Forderung derzeit weder für die Ukraine noch ihre Unterstützer im Westen akzeptabel ist.

Pekings Glaubwürdigkeit ist das Problem

Die restlichen Punkte des Zwölf-Punkte-Plans sind meist nicht ganz so kontrovers – von einem Aufruf zur Beendung der „humanitären Krise“ in Punkt fünf über die Forderung nach dem „Schutz von Zivilisten und Kriegsgefangenen“ in Punkt sechs. Lediglich Punkt zehn, Pekings Forderung einer „Beendigung unilateraler Sanktionen“ könnte wieder als pro-russisch interpretiert werden.

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Das grundlegende Problem ist allerdings weniger der Inhalt dieses Papiers, sondern das internationale Ansehen der Regierung, die sie vorgelegt hat. China hat gerade „nicht viel Glaubwürdigkeit“, wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Recht sagt. Peking hat die russische Invasion noch immer nicht als solche bezeichnet und selbst in diesem Zwölf-Punkte-Plan kommt das Wort „Krieg“ nicht vor.

Versöhnliche Botschaft

China hat momentan nicht einmal soviel Glaubwürdigkeit als neutraler Unterhändler des Friedens wie die Türkei. Man kann davon ausgehen, dass man dies auch in Peking weiß und nicht ernsthaft damit gerechnet hat, mit diesem Plan zu dieser Zeit echte Friedensgespräche anstoßen zu können.

Stattdessen gibt es den wohl begründeten Verdacht, dass Peking hier versucht, sich vorsichtig weiter von Moskau zu distanzieren und sich als neutrale, an Frieden und der „Stabilität internationaler Lieferketten“ (Punkt elf) interessierte Macht zu positionieren. Dies ist eine den USA und Europa gegenüber versöhnliche Botschaft.

Keine klare Position beziehen

Peking strebt eine Balance an zwischen seiner Allianz mit Moskau und seinem Interesse an stabilen Beziehungen mit Europa, insbesondere stabilen Wirtschaftsbeziehungen. Es denkt langfristig, über ein eventuelles Ende des Kriegs hinaus. Das „Positionspapier“ ruft: Seht her, wir Chinesen wollen Frieden, nicht den Kalten Krieg und heiße Stellvertreterkriege.

Peking will weder zu sehr auf der Seite Russlands verortet werden, noch möchte es die Vorteile verlieren, die es derzeit genießt, insbesondere die Importe von relativ billigem Öl und Erdgas aus Russland. Es will weiter „auf dem Zaun sitzen“, in dem Konflikt nicht klar Position beziehen.

Westliche Sanktionen nicht torpediert

Das kann man beklagen, allerdings könnte man sich auch leicht eine für die Interessen der Ukrainer und des Westens weit destruktivere Politik Chinas vorstellen. So hat Peking zu keinem Zeitpunkt die westlichen Sanktionen gegenüber Moskau torpediert. Dies zu einer Zeit, in der Washington durch Halbleiterboykotte und seinen „Tech War“ Chinas wirtschaftlichen Aufschwung einzudämmen versucht.

Chinesische Staatsbanken haben sich seit Beginn der westlichen Sanktionen gegenüber Moskau geweigert, bei US-Dollar-Garantien für Importe aus Russland einzuspringen. Huawei, Geely, Lenovo und andere chinesische Großkonzerne haben ihr Russlandgeschäft stark eingeschränkt, anstatt zu versuchen, in die vom Westen hinterlassene Lücke vorzupreschen.

Ambivalentes Verhältnis

Selbst Ersatzteile für Aeroflot liefert China nicht länger. Auch, und noch wichtiger in diesem Kontext, hat Peking bislang keinerlei Waffen an Rußland geliefert – während momentan aber große Konvois amerikanischer Panzer in deutschen Häfen entladen werden und von Deutschland aus in Richtung Ukraine rollen.

Peking, dessen Verhältnis zu Moskau schon seit der Gründung der Volksrepublik China ambivalent und schwierig war, hat sich bisher nicht eindeutig auf die Seite Putins geschlagen. Auch wenn es derzeit in Washington und Brüssel als zu pro-russisch wahrgenommen wird, legt man in China selbst Wert auf diese Feststellung. Das Zwölf-Punkte-Programm darf als öffentliche Erinnerung an diese Position Pekings gelesen werden.    
    
    
    

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