Österreichs Sozialdemokraten - Die SPÖ sucht ihren Olaf Scholz

Die größte Oppositionspartei in Wien zerfleischt sich selbst. Nun fällt die Entscheidung zur K-Frage. Pamela Rendi-Wagner will politisch einmal mehr überleben. Ihr Widersacher Hans-Peter Doskozil genau das verhindern. Oder es findet sich der lachende Dritte.

Beide möchten Kanzler werden: Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil / picture alliance
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Rainer Nowak ist Journalist und war zuletzt Chefredakteur der österreichischen Tageszeitung Die Presse. Foto: Launchy (Nowak)

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Die Inflation galoppiert davonHeizen wird zum Luxusgut. Wohnen und Mieten ist kaum mehr leistbar. Unter- und Mittelschicht kommen immer stärker unter Druck. Die amtierende Regierung streitet, ihre Koalitionsparteien blockieren einander. Für die sozialdemokratische Opposition müsste diese Konstellation die perfekte Ausgangslage für die Rückkehr in Regierung und Kanzleramt sein. Müsste. Nicht so in Österreich, dort ticken die Uhren anders. Ganz anders. 

Denn die Sozialdemokraten arbeiten nicht an ihren programmatischen Gegenprogrammen, stellen kein Schattenkabinett auf und bereiten sich nicht auf ihre künftige Verantwortung vor. Nein, sie streiten. Sie streiten als wären die führenden Köpfe in einen massiven Rosenkrieg verwickelt oder als Laienschauspieler mit den Proben einer gewaltigen Soap Opera beschäftigt. Es geht nicht um Inhalte, sondern ausschließlich um Personen, konkret um zwei. 

K-Frage spaltet die Partei

Die K-Frage spaltet die Partei, vor allem die amtierende Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und ihren Widersacher, den burgenländischen Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil. Das Burgenland ist eine Art Kuba Österreichs, sehr warm, sehr schön, wirtschaftlich halb verstaatlicht und politisch zentral vom mächtigen Alleinherrscher geführt. Doskozil will Kanzler, Rendi-Wagner die erste gewählte Kanzlerin werden. Doskozil hat nun offiziell sein Antreten verkündet.

Parteibasis und Parteiadel zweifeln an beiden: Doskozil sei in der alles entscheidenden Asylfrage viel zu rechts, war zu illoyal und brutal. Rendi-Wagner bleibe hingegen auch nach Jahren der Übung die hölzerne Quereinsteigerein, die im Wahlkampf nicht reüssieren könne. Jedes TV-Interview wird zur Nervenprobe für die Partei. Auf der Habenseite stehen bei Doskozil Volksnähe und der Zug zum Tor, bei Rendi-Wagner hohe Resilienz, beziehungsweise eine dicke Teflon-Schicht. Katzen haben weniger Leben.
 

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Am Mittwoch wird es in den Parteigremien zum Showdown kommen, die lokalen Medien fiebern begeistert mit. Rendi-Wagner will auf einen Sonderparteitag setzen und sich dort die Mehrheit der Delegierten sichern. Doskozil verlangt eine Mitgliederbefragung an der Basis. Königsmacher ist die Wiener Landespartei, die die Hauptstadt mit wenigen Unterbrechungen seit 100 Jahren führt. Die stolzen Wiener Genossen halten sich gerne bedeckt. Bisher unterstützten sie die Chefin. Überzeugt sind sie von ihr auch nicht.

Nun könnten sie einen lachenden Dritten aufstellen und suchen einen Olaf Scholz, einen größten gemeinsamen Nenner für die Partei, der oder die die Partei eint und ansonsten unauffällig bleibt. So wie es in Deutschland der SPD nach schmerzvollen Flügelkämpfen mit Scholz im Kanzleramt gelang. 

FPÖ liegt in Umfragen auf Platz eins

Der ehemalige Kanzler Christian Kern böte sich an, intellektuell und rhetorisch wäre er eine sichere Bank, aber nicht wenige in der Partei haben ein paar Rechnungen mit ihm offen (wie so viele mit so vielen in Wien). Und als zurückhaltend gilt er auch nicht gerade. Zudem hat er eine Wahl bereits verloren. EU-Parlamentarier Andreas Schieder wäre eine Wiener Möglichkeit, sehr konfrontativ war er bisher nicht. Angesichts der Rechtsaußen-FPÖ, die in Umfragen auf Platz eins liegt, wäre diese Streitlust aber von Vorteil. 

Die regierende konservative Volkspartei genießt das rote Schauspiel und hofft dadurch auf Konsolidierung nach schweren Jahren mit Korruptionsvorwürfen und Corona-Krise. Das ist sehr kurzsichtig: Nach der nächsten Wahl im kommenden Jahr braucht das Land Koalitionspartner jenseits der FPÖ. Die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden Parteien wieder miteinander arbeiten müssen, obwohl sie nicht wollen, ist hoch. Fest steht schon: Groß wird sie aus heutiger Sicht bei den Wahlen nicht werden, die Große Koalition.

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