Israel und Gaza - Familien von 199 Geiseln informiert

Israel versucht nach wie vor herauszufinden, wo sich die von der Hamas verschleppten Geiseln im Gazastreifen befinden, und bereitet sich auf eine Bodenoffensive vor. Bundeskanzler Olaf Scholz wird morgen nach Israel reisen. Dabei soll es auch um die Befreiung der Geiseln gehen.

Zimmer im zerstörten Kibbuz Kfar Aza: Von hier stammen mehrere der Geiseln / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Hier finden Sie Nachrichten und Berichte der Print- und Onlineredaktion zu außergewöhnlichen Ereignissen.

So erreichen Sie Cicero-Redaktion:

Anzeige

Gut eine Woche nach dem Hamas-Terroranschlag im israelischen Grenzgebiet hat Israel die Familien von 199 Geiseln darüber informiert, dass ihre Angehörigen in den Gazastreifen verschleppt worden sind. Dies sagte der Armeesprecher Daniel Hagari am Montag. Auf die Frage, wie sich die Tatsache, dass in dem Küstenstreifen so viele Geiseln festgehalten werden, auf die israelischen Angriffe dort auswirke, erwiderte der Armeesprecher: „Unsere Angriffsziele basieren auf Geheimdienstinformationen.“ Man wisse genau, was man dort angreife, nämlich Infrastruktur der dort herrschenden Hamas und ranghohe Mitglieder der Organisation. 

Hagari bekräftigte gleichzeitig, die Hamas hindere Menschen daran, sich wie von Israel angewiesen vom Norden in den Süden des Gazastreifens in Sicherheit zu begeben. „Leider missbraucht die Hamas ihre Bevölkerung als Schutzschilde, und es werden Zivilisten getötet“, sagte Hagari. Hunderttausende von Gaza-Einwohnern hätten sich aber bereits in den südlichen Abschnitt des Küstenstreifens begeben, so der Sprecher. Die Vereinten Nationen hatten Israels Evakuierungsanweisung kritisiert und vor einer humanitären Katastrophe gewarnt. 

Man unternehme „Riesenanstrengungen“, um auf der Basis von Geheimdienstinformationen herauszufinden, wo genau die Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden, sagte Hagari. Man werde keine Angriffe fliegen, „die unsere Leute in Gefahr bringen“. Die Hamas hatte behauptet, es seien Geiseln bei den Luftangriffen getötet worden. Dies lässt sich nicht unabhängig überprüfen. 

Olaf Scholz reist zu einem Solidaritätsbesuch nach Israel

Am Dienstag will auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Israel reisen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war bereits am Freitag zu einem Solidaritätsbesuch nach Israel gereist. Scholz wird am Dienstagmorgen zunächst den jordanischen König Abdullah II. in Berlin treffen und dann nach Israel aufbrechen. Anschließend geht es weiter nach Ägypten. 

Unmittelbar nach dem Terrorangriff hatte Scholz Israel die volle Solidarität Deutschlands erklärt. Auf Anfrage Israels hat die Bundesregierung das Land auch mit Aufklärungsdrohnen und Munition unterstützt. Die israelische Regierung erwartet von Deutschland vor allem auch Rückendeckung für den Gegenangriff gegen die Hamas. Die israelischen Streitkräfte bereiten derzeit eine Bodenoffensive vor. 

Scholz hatte in den vergangenen Tagen bereits zweimal mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu telefoniert. Außerdem sprach er mit den Staatschefs von Katar, Ägypten und der Türkei. Dabei ging es auch um die Befreiung der Geiseln. Unter den Entführten sind auch Deutsche. Eine genaue Anzahl nennt das Auswärtige Amt weiterhin nicht. In den vergangenen Tagen war die Rede von einer Zahl im einstelligen Bereich. Die Bundesregierung hat Baerbock zufolge weiter „keinen direkten Kontakt“ zu den deutschen Geiseln. 

Botschafterin: Hamas ist für Wasserversorgung in Gaza zuständig

Israels Botschafterin in Großbritannien hat sich in einem Interview der BBC gegen Vorwürfe gewehrt, ihr Land verstoße mit dem Abstellen der Wasserversorgung für Gaza gegen das Völkerrecht. „Israel hat den Gazastreifen 2005 verlassen. Gemäß internationalem Recht muss man die aktive Kontrolle über ein Gebiet haben, um für diese Versorgungsleistungen verantwortlich zu sein“, sagte Tzipi Hotovely im Frühprogramm des Senders BBC 4 am Montag. Die aktive Kontrolle in Gaza habe die Hamas. Daher sei diese auch für die Wasserversorgung zuständig. 

 

Mehr zum Thema: 

 

Hotovely verteidigte auch die israelischen Bombardements auf Gaza. Die von der Hamas ermordeten 1400 Menschen in Israel hätten keine solche Warnung bekommen, wie sie Israel ausgegeben habe, sagte sie. Sie verglich die Gräueltaten der Hamas zudem mit denen der Terrormiliz Islamischer Staat. Sie fügte hinzu, Großbritannien habe im Zweiten Weltkrieg den Tod Hunderttausender Zivilisten in Deutschland in Kauf genommen, „weil sie wussten, dass es der einzige Weg ist, um die Nazis zu besiegen“. 

Lieberman: Humanitäre Hilfe von Geiselbefreiung abhängig machen

Israel hatte den Gazastreifen während des Sechstagekrieges 1967 besetzt. 2005 ordnete der damalige Ministerpräsident Ariel Scharon den Abzug und die Räumung der Siedlungen an. 2007 übernahm die islamistische Hamas nach einem blutiger Kampf mit der Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Kontrolle des Küstengebietes am Mittelmeer. Die beiden benachbarten Länder, Israel und Ägypten, verhängten daraufhin eine Blockade. 

Der Vorsitzende der säkular-konservativen israelischen Partei Jisrael Beitenu, Avigdor Lieberman, fordert, dass humanitäre Hilfe für den Gazastreifen davon abhängig gemacht wird, dass das Rote Kreuz Zugang zu den von der Hamas entführten Geiseln erhält. Lieberman wandte sich an „alle, die jetzt von humanitärer Hilfe sprechen“, und forderte, dass „sichergestellt wird, dass sie nicht einen Krümel bekommen, dass nicht ein Liter Wasser geliefert wird, bevor das Rote Kreuz unsere Entführten gesehen hat“. Der Chef der rechtsgerichteten Oppositionspartei sagte, alles andere würde bedeuten, „unsere Geiseln im Stich zu lassen“. Lieberman fügte hinzu: „Ich komme schockiert von einem Besuch im Kibbuz Kfar Aza zurück. Ich dachte, dass man solche Gräueltaten nur noch in Filmen über Nazis sehen kann.“ 

mit dpa

Anzeige