Erdogan
Der umstrittene türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan / picture alliance

Brain-Drain aus der Türkei - Akademiker: Lieber Deutschland als Erdogan

Immer mehr junge Akademiker aus der Türkei wandern nach Deutschland aus. Es sind hoch gebildete Wissenschaftler, Ingenieure und Ärzte, die nach einem neuen Leben in Wohlstand und Freiheit suchen. Statt Probleme auf dem Arbeitsmarkt und wirtschaftliche Einbußen zu befürchten, freut sich Staatspräsident Erdogan über die Abwanderung der westlich und säkular geprägten Türken.

Autoreninfo

Ilgin Seren Evisen schreibt als freiberufliche Journalistin über die politischen Entwicklungen in der Türkei und im Nahen Osten sowie über tagesaktuelle Politik in Deutschland. 

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Es sind vermutlich nur die Älteren, die sich noch unmittelbar erinnern können: In den 1960er-Jahren migrierten Hunderttausende Türken nach Deutschland. Allein in der Zeit des Anwerbeabkommens zwischen der Bundesrepublik und der Türkei von 1961 bis zum Anwerbestopp 1973 waren es 825.383 Menschen.

In jenen Jahren waren es vor allem ungelernte junge Männer, die das deutsche Wirtschaftswunder mitgestalteten und das Heer der ungelernten Arbeitskräfte auffüllten. Die Geschichte schien abgeschlossen. Doch in den letzten Jahren scheint sie sich plötzlich zu wiederholen. Seit dem Militärputsch 2016 verzeichnet die Türkei erneut eine hohe Abwanderung junger Menschen nach Europa und Nordamerika. Allerdings sind es dieses Mal hochqualifizierte Fachkräfte und vor allem junge Menschen aus allen akademischen Disziplinen, die sich in der Hoffnung auf eine bessere und stabilere Zukunft Richtung Europa begeben.

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Markus Michaelis | Fr., 21. Oktober 2022 - 13:49

Das ist immer schwer zu sagen. Bis vor kurzem hat sich die Türkei sehr dynamisch entwickelt - von niedrigerem Niveau aus, aber mit mehr Dynamik als viele westliche Länder, z.T. auch Deutschland - denke ich? Erdogan ist jetzt vielleicht zu autoritär, die Verbindungen zu auch gewalttätigen Kreisen sind ohnehin seht abstoßend. Andererseits überzeugen viele der Grundwerte schon sehr viele Menschen - hat es zumindest den Eindruck.

Es ist mittendrin immer schwer zu sagen welche langfristigen Trends mehr Gewicht gewinnen. Ändern werden sich ohnehin alle - die Türkei wird sich ändern, Deutschland aber auch.

Tomas Poth | Fr., 21. Oktober 2022 - 14:11

> Es sind hoch gebildete Wissenschaftler, Ingenieure und Ärzte, die nach einem neuen Leben in Wohlstand und Freiheit suchen. ... 43.775 in 2019 <
Demgegenüber sind im gleichen Jahr (2019) 270.294 Deutsche gleicher Qualifikation ausgewandert!
Qualifizierte Einwanderer brauchen wir um den Aderlass auszugleichen. Wenn nur unqualifizierte Zuwanderer kommen, das ist ja leider die überwiegende Mehrzahl, verlieren wir an Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft und erhöhen gleichzeitig die Anzahl der Hilfsbedürftigen. Das ist ein tödlicher Austausch für Deutschland insgesamt.
Von möglichen kulturellen Konfliktlinien ganz abgesehen!
Wir müssen die Attraktivität in Deutschland zu bleiben oder zurückzukehren erhöhen.
Mit rotgrünem Sozialismus funktioniert das nicht! Das Schiff Deutschland wird auf einem völlig falschen Kurs gefahren!

Märchen mit den gut ausgebildeten Fachkräften und Ingenieuren hat uns die Regierung 2015 auch schon erzählt. Man darf gespannt sein, wie viele von den Fachkräften dann hier im Familienverbund Dönerbuden, Gemüsemärkte und Barbershops betreiben, von denen wir ja anscheinend noch nicht genug haben. Und die 7 dreiviertel türkischen Ingenieure, Bauzeichner und Ärzte werden nach ein paar Jahren bei 46% Abgaben vom Brutto oder mehr und Bürokratie-Chaos entnervt nach Kanada, Skandinavien oder USA gehen.
Ich glaube da nicht dran.

Enka Hein | Fr., 21. Oktober 2022 - 14:22

....von gut ausgebildeten deutschen Staatsbürgern.
Die Gründe sind ja ähnlich.
Da drangsaliert Erdowahn, hier drangsaliert der Grünwahn.
Und die paar gut ausgebildeten Türken wiegen nicht den Zufluss von nicht integrierbaren Ungelernten aus Welt die in die rutschen Sozialsysteme einsickern und sich dort festsetzen.
Vielleicht sollte das jemand den Einreise den türkischen Brain Mal erklären. Und das sie sich doppelt anstrengen müssen. Zum einen für sich selbst und zum Anderen für die Sozialsysteme und deren mafiöse Zuarbeiter, auch Aktivisten Schlepper oder NGO genannt.
Mann kann diesen Leuten nur raten Englisch zu lernen und dann andere Orte zu wählen.
Denn ein Tausch von Erdogan gegen Habeck oder Baerbock ist wie die Wahl zwischen Pest oder Cholera.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 21. Oktober 2022 - 14:38

Ich kann das nachvollziehen, das diese Türken nach Deutschland kommen. Ich hoffe nur, dass die insgesamt integrationswillig sind, schnell Deutsch lernen und soweit sie Moslems sind, ihren Glauben friedlich hier nachgehen und anerkennen, das Religion hier säkulär ist und deutsche Gesetze gelten und nicht die Scharia. Sicherlich geht es ihnen insgesamt hier besser als bei Erdogan und werden sozial aufgefangen, wenn es nicht funktioniert. In meiner Umgebung nehme ich immer mehr türkische Facharztpraxen war und höre auch viele türkische Ärztenamen in den Krankenhäusern. Ihre Chancen hier sind groß, machen doch viele deutsche Akademiker Platz, die auswandern, weil sie aus den unterschiedlichsten Gründen hier nicht mehr leben können/wollen. Ich habe nur starke Bedenken, dass unter den Zuwanderern einige " Erdogan Schläfer" einwandern. Da wäre eine konsequente und kontrollierte Zuwanderung erforderlich. Aber bei uns debattiert man das ja nicht mal. Stattdessen ruft der Muezzin in Köln.

Tonicek Schwamberger | Fr., 21. Oktober 2022 - 15:04

. . . : „Deutschland ist fair. Wer hart arbeitet, bekommt die entsprechende Entlohnung. Hier herrscht Gerechtigkeit“
Diesem Satz stehe ich doch etwas skeptisch gegenüber, um es mal "angenehm" zu formulieren.
Dagegen stimme ich diesem Zitat vollinhaltlich zu:
„Je ungebildeter die Bevölkerung, desto stabiler die Herrschaft der Regierung – auf Dauer entsteht hier ein mittelmäßig gebildetes Volk, das eine vollkommen unkritische Haltung zu einer zunehmend autoritären Regierung einnimmt.“
Überhaupt ist der Artikel sehr angenehm zu lesen, und, ja, ich mag die Türkei und die Türken sehr, das mag auch ein Grund meiner Zuneigung sein.- Wäre schön, etwas mehr von
Ilgin Seren Evisen zukünftig lesen zu können.
Vielen Dank auch an die Redaktion.

Dieter Schimanek | Fr., 21. Oktober 2022 - 16:33

Alles Ärzte und Ingenieure, wurde uns bei den Syrern auch erzählt. Mit Fachkräften aus aller Welt hat uns Mutti Merkel schon beglückt. Immerhin schafft es Arbeitsplätze, beim Sozi und beim Arbeitsamt.

Gerhard Lenz | Fr., 21. Oktober 2022 - 20:00

Und der rechte Rand meckert natürlich. Klar doch, Türken, die nach Deutschland kommen, sind doch möglicherweise terroristische Schläfer, so ein ganz Aufgeweckter. Das geht gar nicht.

Selbstverständlich ist Deutschland infolge des demographischen Wandels auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen. Wer das nicht kapieren will, glaubt wohl auch, dass der Führer irgendwann zurückkommt.

Dass Erdogan nur mit der Schulter zuckt, wenn die gut Ausgebildeten das Land verlassen, überrascht nicht, denkt sich "Lieber ein angepasster Nationalist, als ein gut ausgebildeter Ingenieur". Kennt man ja von unserer AfD. Wer dreimal "Hurra Deutschland" rufen kann, ohne dabei zu stottern, gilt als gut ausgebildeter Patriot.

Bleibt die Frage, ob der Aderlass von gut ausgebildeten jungen Leuten der türkischen Wirtschaft zumindest mittelfristig schadet. Wahrscheinlich nicht. Ungeachtet aller rückwärtsgewandten Islam-Rhetorik ist das Bildungsniveau in der Türkei in den letzten Jahren steil angestiegen.