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Koalitionen - Last Exit Rot-Rot-Grün?

DIe SPD hat auf ihrem Parteitag in die Zukunft gedacht. Aber wo stehen Grüne und Linkspartei? Und wo liegen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen ihnen?

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Michael Lühmann, geboren 1980 in Leipzig, Politikwissenschaftler und Historiker, lebt und arbeitet in Göttingen. Zuletzt ist von ihm das Buch "Der Osten im Westen – oder: Wie viel DDR steckt in Angela Merkel, Matthias Platzeck und Wolfgang Thierse?" e

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Als 2008 Andrea Ypsilanti in Hessen ein rot-grünes Bündnis anstrebt, ist der öffentliche Aufschrei groß. Dabei war es nicht allein der Wortbruch Ypsilantis, der letztlich das für die alte Bundesrepublik historische Tolerierungsbündnis verhinderte, sondern auch die Vorstellung, die Linke würde in einem westlichen Bundesland politisch Einfluss nehmen. Die antikommunistischen Reflexe der politischen Öffentlichkeit, über Jahrzehnte konstitutiv für den Parteienwettbewerb, waren noch weitgehend intakt. 2013 hingegen sondieren SPD, Grüne und Linke in einem offenen Prozess die Möglichkeit eines Dreierbündnisses weitgehend ohne das Getöse des Jahres 2008.

Da nimmt es nicht Wunder, dass in Anbetracht schwieriger Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene diese Option als Last Exit einer Regierungsbildung auch auf Bundesebene diskutiert wird. Dabei sind die Gründe für oder gegen ein Bündnis mit der Linken inzwischen deutlich versachlicht, wenngleich die trennenden Gräben in den vergangenen Jahren kaum verfüllt wurden. Und so sind es vor allem auch Sachargumente, die bei den Grünen für oder gegen ein solches Bündnis ins Feld geführt werden – und weniger ideologische Prinzipien.

Uneinigkeit bei den Grünen

Das Stimmungsbild bei den Grünen ist vor diesem veränderten Hintergrund durchaus vielschichtig. Während Cem Özdemir ein solches Bündnis für die nächsten vier Jahre mehr oder weniger ausschließt, ist Parteichefin Simone Peter hierfür wesentlich offener. Katrin Göring-Eckart und ihr neuer Co-Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter zeigen sich indes zumindest prinzipiell offen für eine neue schwarz-grüne Sondierung auf Bundesebene. Die Vielstimmigkeit, die nicht zuletzt auch die Frage zu klären versucht, wer in der grünen Partei die strategischen Leitlinien bestimmt, sind dabei aber nicht zuletzt ein Versuch, der Option Rot-Grün-Rot auszuweichen.

Dabei hätte ein solches Bündnis durchaus seinen Reiz, für die politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik, aber eben auch und gerade für die Grünen selbst. Es mag ja stimmen, dass die Linke aus Sicht der Grünen unfinanzierbare Versprechen abgibt, außenpolitisch wenig verlässlich ist und europapolitisch zumindest problematische Positionen vertritt. Aber neben dem Hinweis, dass die Grünen etwa auch einmal in Regierungsverantwortung mit ihren pazifistischen Prinzipien gebrochen haben – Joschka Fischer dabei programmatisch im Angesicht der Verbrechen von Srebrenica weitaus früher als viele Parteilinke – besteht, bei aller Abgrenzung zwischen Linken und Grünen, der Reiz in einem solchen Bündnis auch in der Möglichkeit einer eigenen Kurskorrektur.

          

So wie die Linke derzeit in engen Zirkeln bereits darüber berät, ob man nicht aus humanitären Gründen ebensolchen sogenannten humanitären Einsätzen der Bundeswehr zustimmt, könnte bei den Grünen auch ein außenpolitischer Klärungsprozess angestoßen werden. Denn schließlich steht doch die Frage im Raum, ob etwa der Einsatz der Bundeswehr, so wie er von Rot-Grün beschlossen wurde, tatsächlich der richtige Weg gewesen ist. Der Bundesparteitag 2007 in Göttingen und die folgende zunehmende grüne Distanzierung von jenem Einsatz böte doch eine Brücke, über die beide gemeinsam gehen könnten.

Die Suche nach Überschneidungen in der Europapolitik

Gleiches gilt in der Europapolitik. Nicht erst seit den Hinweisen aus den USA, der EZB oder der EU-Kommission, dass die deutsche Exportwirtschaft schädlich für Europa sei, finden sich auch hier Anknüpfungspunkte dergestalt, dass der als alternativlos gepriesene derzeitige deutsche Kurs der Austerität und der Wettbewerbsideologie eine Sackgasse sein könnte. Schließlich teilen Grüne und Linke die Diagnose, dass es sich bei der Krise in Europa vor allem um eine der entfesselten Finanzmärkte handelt. Und worauf manch ein Ökonom hinweist, ist bei allen unterschiedlichen und zum Teil diametral entgegengesetzten Lösungsansätzen, doch zumindest dieser: dass Linke und Grüne sich nicht dem Merkel‘schen Narrativ einer reinen Staatsschuldenkrise ohne weitere makroökonomische Verwerfungen anschließen.

Und nicht zuletzt böte auf der Einnahmenseite ein rot-grün-rotes Bündnis die Möglichkeit, die ehrgeizigen Steuerpläne in einem realistischen Rahmen umzusetzen. Beide Parteien könnten hier in einem Kompromiss Mäßigung erreichen. Das gilt für die hohen Belastungsspitzen, die die Linke plant ebenso wie den recht frühen steuerpolitischen Zugriff der Grünen in der Mittelschicht. Zu erinnern ist hier an den Hinweis Gregor Gysis, der im Fernsehduell Jürgen Trittin darauf hinwies, dass die linken Steuererhöhungspläne erst ab einem Einkommen von 80.000 Euro griffen und nicht schon weitaus früher, wie bei den Grünen. Wie Gysi sich im Duell mit Trittin zur Partei des deutschen Mittelstandes erklären konnte, zeigt die Notwendigkeit hier eine Einigung zu erzielen.

Und, wer Schwarz-Grün will, muss auch Rot-Grün-Rot können wollen.

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