Wirtschaftsminister - Habecks „Industriestrategie“ ist ein Luftschloss

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat zwar verstanden, dass Deutschland seine energieintensive Industrie nicht verlieren darf. Doch er hat keine wirkliche Strategie, um sie zu retten. Stattdessen setzt er auf eine milliardenteure Utopie.

Robert Habeck bei der Vorstellung seiner „Industriestrategie“ am Dienstag / dpa, Antje Berghäuser
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Seit Monaten streitet die Ampelkoalition um Robert Habecks Idee eines Industriestrompreises. Der grüne Wirtschaftsminister will Chemiewerke, Aluminium-, Papier- und Glasfabriken im Land halten, indem er ihnen mit Milliardensubventionen den Strom verbilligt. Das ist ein Eingeständnis des Scheiterns jener Sonne-und-Wind-Ideologie, die von Grünen seit Jahrzehnten verbreitet wird und deren ehrliche Verfechter inzwischen zugeben, dass energieintensive Industrien im sonnen- und windarmen Deutschland keine Zukunft mehr haben.

Die Sozialdemokraten im Bundestag sind für die schuldenfinanzierte Stromsubvention, ihr Kanzler Olaf Scholz ist skeptisch und die FDP mit Finanzminister Christian Lindner aus Prinzip dagegen. Doch weil die Hilferufe aus der deutschen Industrie, von Gewerkschaften und Arbeitgebern im Gleichklang, immer lauter und drängender werden, ist klar, dass die Bundesregierung etwas tun muss. Einfach zuzusehen, wie Großkonzerne und Mittelständler in Länder mit billigerer Energie abwandern, wäre politisches Harakiri.

Lindner unter Druck setzen

Kurzfristig hat Habeck am Dienstagmittag die Presse zur Vorstellung seiner neuen „Industriestrategie“ eingeladen. Wer eine Lösung des Koalitionsstreits erwartete, wurde enttäuscht. Das 60-Seiten-Papier ist lediglich eine Positionsbestimmung des Wirtschaftsministeriums und soll die anderen Ressorts, vor allem das von Christian Lindner, unter Druck setzen.

Das Papier liest sich gut, doch eine überzeugende Strategie liefert es nicht. Denn es bleibt an wesentlichen Stellen zu vage und zu utopisch. Es beschreibt Ziele und Glaubenssätze eines volkswirtschaftlichen Großexperiments, das schon ohne Ukraine- und Nahost-Krieg äußerst riskant gewesen wäre, nun aber vollends realitätsfern wirkt.

Riskantes Großexperiment

Das Experiment nennt sich Transformation. „Hin zu einer CO2-neutralen Industrie“, wie Transformationsminister Habeck bei der Vorstellung seines Industriepapiers sagte. „Der kommende Wohlstand des Landes hängt davon ab, dass wir in Deutschland klimaneutral produzieren. Dass wir die Werke, das Knowhow, die Kompetenzen, den Maschinenbau, hier haben.“

Eine Aussage, für die er keine weitere Begründung liefert und die daher wenig überzeugend ist. Denn er vermischt zwei unterschiedliche Dinge. Windkraftanlagen müssen nicht zwangsläufig aus „klimaneutralem“ Stahl hergestellt werden, um später CO2-Emissionen einzusparen. Auch Solarzellen, Elektroautos und Anlagen zur Wasserstofferzeugung funktionieren einwandfrei, wenn sie selbst mit fossiler Energie produziert wurden. China zeigt das jeden Tag.

Ökonomische Quacksalberei

Es mag gute Gründe geben, den CO2-Ausstoß deutscher Fabriken zu senken. Aber dass vom Erreichen des momentan vollkommen utopischen Ziels der „Klimaneutralität“ der künftige Wohlstand abhänge, ist ökonomische Quacksalberei. Im Gegenteil: Dieses Ziel zu erreichen, kostet erst einmal sehr viel Geld.

Das räumt auch Habeck ein. „Für die Übergangsphase, in der wir uns ohne Frage befinden, heißt das, was sich mittel- und langfristig garantiert rechnen wird, natürlich eine Belastung“, sagte er und stellte damit seine seherische Gabe unter Beweis. Wer weiß, „was sich langfristig garantiert rechnen wird“ ist mehr als ein Wirtschaftsminister, er ist ein Prophet.

Strom bleibt teuer

Blöd nur, das zahlreiche Ökonomen und Praktiker seinen Prophezeiungen widersprechen. So hat etwa die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, eigentlich eine Befürworterin der Energiewende, vor der durch grüne Politiker geschürten Erwartung gewarnt, dass der Strom durch den weiteren Ausbau von Windkraft und Photovoltaik billiger werde. 

„Wenn wir auf eine klimaneutrale Produktion umstellen, haben wir in einigen Bereichen schlicht keinen Standortvorteil mehr“, stellt Grimm nüchtern fest. „Die Strompreise werden mittelfristig hoch bleiben, auch ein Industriestrompreis hilft nicht. Der ist mit sechs Cent je Kilowattstunde veranschlagt. Gute Standorte mit erneuerbaren Energien kommen auf unter zwei Cent. So oder so wird eine Verlagerung der energieintensiven Produktion kommen. Wir hätten also – wenn sich das durch den Industriestrompreis verzögert – nur viel gezahlt und nichts gewonnen.“ Ihre Idee: Deutschland soll energieintensive Industrien nicht künstlich am Leben halten, sondern in Länder mit günstigeren Bedingungen ziehen lassen.

Chemieindustrie bettelt um Subventionen

Das stößt vor allem in der stark betroffenen Chemieindustrie auf erbitterten Widerstand. Daher freute man sich dort auch über Habecks jüngsten Auftritt. Der Bundeswirtschaftsminister habe „die Bedeutung der Grundstoffindustrien für unseren Wirtschaftsstandort erkannt. Wie die Industriestrategie betont, würden ohne sie Wertschöpfungsketten zerstört und gegen gesamteuropäische wirtschaftliche wie sicherheitspolitische Interessen gehandelt“, sagte Markus Steilemann, Präsident des Verband der Chemischen Industrie am Dienstag. „Ein wichtiges Element für den Erhalt unserer Industrie sind wettbewerbsfähige Energiepreise.“
 

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Kurzfristig ist es nachvollziehbar, dass Firmen, die unter den hohen Strompreisen leiden, nach staatlichen Hilfen lechzen. Doch langfristig gerettet wird dadurch nichts. Ohne verlässliche und wirtschaftliche Energieversorgung kann kein Industriestandort bestehen. Was Habeck in seiner „Industrie-Strategie“ dazu verlautbaren lässt, sind nur Luftschlösser. 

Chance vertan

Er hat die historische Chance, in Anbetracht des Ukraine-Kriegs den deutschen energiepolitischen Sonder- und Irrweg zu verlassen, aus mangelndem Mut ungenutzt verstreichen lassen. Das fällt ihm nun auf die Füße. Und aus der Industrie müssen jetzt endlich mehr Stimmen kommen, die dies laut und deutlich aussprechen. Statt um Subventionen zu betteln, sollten Verbandschefs und Konzernbosse einen Neustart der gescheiterten deutschen Energiepolitik einfordern. 

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