VW-Chef Oliver Blume - Der Anti-Diess

Volkswagen-Chef Oliver Blume muss aufräumen, was sein Vorgänger in Unordnung gebracht hat. Traut er sich, auch mit dessen Fokussierung auf Elektroautos zu brechen?

Zur Zeit führt Oliver Blume noch Porsche und Volkswagen / Thomas Pirot
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Elon Musk war das große Vorbild von Herbert Diess. Der visionäre Exzentriker aus Kalifornien hatte es geschafft, als Quereinsteiger die Automobilbranche durcheinanderzuwirbeln. Und Diess, der im Dieselskandal an die Spitze des Volkswagen-Konzerns kam, war gewissermaßen auch ein Quereinsteiger. In der VW-Welt zumindest. Denn er kam von außen.

Das ging nicht lange gut. Diess nervte seine Führungskräfte mit ständigen Tesla-Vergleichen, entwickelte eine Digital- und Elektroauto-Vision nach der anderen, scheiterte aber an deren Umsetzung. Zudem legte er sich mit dem mächtigen Betriebsrat an. Wer die VW-Welt kennt, weiß, dass das ein Fehler ist.

Der Insider Blume

Sein Nachfolger ist in vielerlei Hinsicht das Gegenmodell. Oliver Blume kommt aus dem Konzern und kennt den Konzern. Der heute 54-Jährige startete nach seinem Maschinenbaustudium bei der VW-Tochter Audi, arbeitete sich dort zum Vorstands­assistenten Produktion hoch. Nach einer Zwischenstation bei der Konzernmarke Seat leitete er die Produktionsplanung der Marke Volkswagen.

 

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Nachdem VW den schwäbischen Sportwagenhersteller Porsche übernommen hatte, kam Blume in dessen Vorstand; 2015 wurde er Vorstandsvorsitzender bei Porsche. Eine Position, die er nicht aufgeben möchte. Seit er im September den Chefposten des Mutterkonzerns übernommen hat, führt er beide Vorstände parallel: den der Porsche AG und den der Volkswagen AG.

In der Belegschaft kommt es gut an, dass der neue Konzernchef ein Eigengewächs ist, noch dazu ein Niedersachse. Zudem schafft er es, anders als Herbert Diess, seinen Leuten das Gefühl zu geben, ihnen zuzuhören und sie ernst zu nehmen. Mit der einflussreichen und für seinen Vorgänger hochgefährlichen Betriebsratschefin Daniela Cavallo ist er per Du.

Elektro oder technologieoffen?

Die große Frage allerdings, die sich nicht nur VW-Mitarbeiter, sondern die gesamte Branche stellen, betrifft nicht den Führungsstil des neuen Vorstandsvorsitzenden, sondern seine Strategie: Wird Blume die Tesla-Vision seines Vorgängers fortführen und den Fokus allein auf Elektroautos mit Batterie legen? Oder ist er auch in dieser Hinsicht ein Anti-Diess und will mehr Technologieoffenheit wagen, so wie es BMW versucht.

Es ist die Gretchenfrage der automobilen Zukunft und damit einer der deutschen Schlüsselindustrien. Ganze Landstriche hängen vom Wohlergehen der Autoindustrie ab. Nicht nur die großen Fahrzeughersteller selbst, sondern auch deren weitverzweigtes Netz an Zulieferern garantieren Wohlstand und gut bezahlte Arbeitsplätze. Mit dem politisch forcierten Abschied vom Verbrennungsmotor stehen etliche dieser Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Zudem ist entgegen mancher Verlautbarung noch lange nicht klar, ob sich das Elektroauto am Markt wirklich durchsetzen wird. Bei umweltbewussten Gutverdienern in Großstädten werden Tesla und Co. wohl weiterhin angesagt bleiben. Aber kann die „Electric only“-­Strategie für einen Massenhersteller wie Volkswagen erfolgreich sein?

Hoffnung auf E-Fuels

Wer sich in der Branche umhört, bekommt ganz unterschiedliche Antworten auf diese Frage. Dass VW voll auf Elektromobilität setzt, sei der einzig richtige Weg, sagen die einen. Fügen dann allerdings an: „zumindest in Europa“. Denn die verbrennerfeindliche EU-Politik lasse den Herstellern gar keine andere Wahl.

Andere äußern Zweifel und meinen, dass mit neuen, klimafreundlichen Kraftstoffen auch der Verbrennungsmotor noch eine Zukunft haben wird. In Oliver Blume sehen sie einen Verbündeten und hoffen, dass er als mächtiger Industrieboss auch in der Politik für ein Umdenken sorgen kann.

Tatsächlich hat sich Blume immer wieder für sogenannte E-Fuels ausgesprochen. Das sind synthetische Kraftstoffe, bei deren Herstellung CO2 gebunden und beim Verbrennen wieder ausgestoßen wird. In der Gesamtbilanz sind sie daher klimaneutral. Als Porsche-Chef soll er auf den Porsche-Fan Christian Lindner eingewirkt haben, damit dieser sich in den Koalitionsverhandlungen für E-Fuels und gegen ein Verbrennerverbot einsetzt.

Öffentlich betont Blume zwar, es gehe ihm keinesfalls um eine Abkehr von der E-Auto-Strategie bei Volkswagen, sondern um eine Lösung für die Bestandsflotte. Auch in Jahrzehnten werde es noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren geben, sagte er etwa dem Branchenmagazin Automobilwoche. Mit synthetischen Kraftstoffen könnten diese Autos einen Beitrag zur schnellen CO2-Reduktion leisten. Abwarten, heißt es hingegen von gut informierten E-Auto-­Kritikern. Blume verfolge eine kommunikative Salamitaktik und bereite den Schwenk Scheibchen für Scheibchen vor.

 

Dieser Text stammt aus der Februar-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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