Jan-Christian Dreesen - Aufsteiger

Der frühere Bankmanager Jan-Christian Dreesen übernimmt den Chefsessel der Profifußballtochter des FC Bayern München – und muss einen Drahtseilakt schaffen.

Jan-Christian Dreesen ist der Nachfolger von Oliver Kahn / Alexander Heil
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Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Als am letzten Spieltag der Saison 2022/2023 Borussia Dortmund zu Hause gegen Mainz verliert und Bayern in Köln gewinnt, besiegeln die Münchner ihre elfte Deutsche Meisterschaft in Folge. Doch die Freude über den Titelgewinn wird von einer weiteren Nachrichtenmeldung überschattet: Oliver Kahn und Hasan Salihamidžic – der eine Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG, der andere Sportvorstand des Vereins – müssen gehen.

Es ist das unschöne Ende eines Missverständnisses. Im Juli 2021 hatte Kahn die Nachfolge von Karl-Heinz Rummenigge angetreten, auf ausdrücklichen Wunsch von Uli Hoeneß. Aber der FC Bayern blieb in der Folge nicht nur weit hinter seinen sportlichen Ansprüchen zurück. Unter Kahn soll auch eine „Atmosphäre des Misstrauens“ entstanden sein, ist nach dessen Entlassung aus dem Verein zu hören. Kahn habe erfolglos versucht, den Verein im Alleingang wie eine Unternehmensberatung zu führen.

Keine Spielerlegenden mehr in der Chefetage

Während nach einem Nachfolger für Salihamidžic noch gesucht wird, steht jener von Kahn schnell fest: Jan-Christian Dreesen. Der 55-Jährige ist seit Februar 2013 im Vorstand der FC Bayern München AG, seit 2014 als stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Dreesen, ein gebürtiger Ostfriese, war zuvor Privatkundenvorstand bei der Hypovereinsbank, später Vorstandsvorsitzender der UBS Deutschland sowie Vorstandsmitglied der BayernLB. Dreesen gilt als bodenständig, bescheiden, teamfähig und tritt auch entsprechend auf, etwa bei der Pressekonferenz am Tag nach dem letzten Bundesligaspieltag. 

Dreesen wollte den Club, angeblich wegen Querelen mit Kahn, eigentlich verlassen. Der ist nun aber weg – und Dreesen bleibt. „Wenn der FC Bayern ruft, dann muss man sich überlegen, ob man dem nachkommt“, so der neue Vorstandsvorsitzende. Er kenne schließlich den Verein und alle Mitarbeiter. Daher sei er auch nicht „der Neue“, sondern „der neue Alte“. 

Neben Dreesen saß Herbert Hainer, Präsident des FC Bayern München und Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns, davor Vorstandsvorsitzender von Adidas. Die Berufung Dreesens zum Kahn-Nachfolger ist auch ein Paradigmenwechsel beim Rekordmeister. Sowohl für das operative Geschäft (Dreesen) als auch für das Sportliche (Hainer) sind ab sofort zwei Männer hauptverantwortlich, die Manager sind, keine Spielerlegenden. Untypisch für die Bayern.

Wie auf der Jagd

Die Berufung Dreesens wurde von den Fans gleichwohl begrüßt. Sein Verhältnis zu den Anhängern des Vereins gilt als hervorragend. Während sich andere Bosse in ihren VIP-Lounges einbunkern, pflegt er seit Jahren einen engen Austausch mit der aktiven Fanszene. Dreesen bildet mit Präsident Hainer, Ehrenpräsident Hoeneß, dem jüngst in den Aufsichtsrat zurückgekehrten Rumme­nigge und Bayern-Trainer Thomas Tuchel die Führungsspitze. Das Tagesgeschäft teilen sich Hainer und Dreesen. Größere Entscheidungen trifft man gemeinsam.

Die FC Bayern München AG, die für den Profifußball zuständige Tochtergesellschaft des Vereins, setzte zuletzt rund 670 Millionen Euro im Jahr um. Anders als andere europäische Top-Clubs sind die Münchner weder verschuldet noch auf Investoren oder milliardenschwere Mäzene angewiesen. Gleichwohl heuern die besten Spieler der Welt heute nicht mehr in Deutschland, sondern in England oder Spanien an: Ablösen und Gehälter sind höher, das sportliche Niveau insgesamt auch. Und da es dort mehr als einen Top-Club gibt, ist das Titelrennen spannender als in der Bundesliga. Die englische Premier League oder die spanische La Liga lassen sich international daher viel besser vermarkten.

 

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Womit wir wieder bei Dreesen wären. Denn der ist seit August 2016 auch Mitglied des Präsidiums der Deutschen Fußball Liga DFL und seit 2019 zudem Vorsitzender des Lizenzierungsausschusses des DFL e.V. Als neuer Chef der FC Bayern München AG ist er neben Aki Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, auch wichtigster Interessenvertreter der deutschen Profivereine. Ihr Ziel: Die Bundesliga soll auch im Ausland attraktiver und die Vereine international konkurrenzfähiger werden. 

Zu Hause beim FC Bayern ist das Prinzip schwäbische Hausfrau – nur sparsam ausgeben, was man hat – immer schwieriger mit den eigenen sportlichen Ambitionen zu vereinbaren. Daher dürfte der Verein im Zuge des geplanten Kaderumbaus für die neue Saison auch erstmals über 100 Millionen Euro für einen neuen Spieler ausgeben. Dieser Drahtseilakt – Finanzen hier, Anspruch dort – wird die wohl größte Herausforderung für Dreesen sein. Dass er passionierter Hobbyjäger ist, könnte dabei helfen: Für die Jagd braucht man viel Geduld, das richtige Gespür und ein klares Ziel vor Augen.

 

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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