Ist die Schuldenbremse zu rigide? - „Politik muss lernen, dass Geld knapp ist“

Ein Urteil aus Karlsruhe hat die Ampelkoalition in die Haushaltskrise gestürzt. Welche Lehren sind daraus zu ziehen? Ein Streitgespräch zwischen den Ökonomen Thomas Mayer und Josefin Meyer über Sinn und Unsinn der Schuldenbremse.

Thomas Mayer und Josefin Meyer / Fotos: Marcus Simaitis; Julia Steinigewege
Anzeige

Autoreninfo

Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

So erreichen Sie Daniel Gräber:

Anzeige

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute. Josefin Meyer arbeitet am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.

Frau Meyer, Herr Mayer, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse hat in Berlin eingeschlagen wie eine Bombe. Was ist Ihre Einschätzung: Welche Bedeutung hat das Urteil für die Staatsfinanzen der Bundesrepublik?

Josefin Meyer: Zunächst einmal geht es darum, dass 60 Milliarden Euro, die im Klima- und Transformationsfonds bereits eingeplant waren, jetzt nicht genehmigt worden sind. Das ist die Lücke, die gefüllt werden muss. Darüber hinaus zeigt das Urteil aus meiner Sicht, dass die Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Ausgestaltung zu rigide ist. Die Karlsruher Verfassungsrichter interpretieren die grundgesetzlichen Vorgaben sehr eng. So bleibt nur ein sehr geringer Spielraum, etwa bei zusätzlichen finanziellen Lasten während einer Notlage. Gleichzeitig stehen wir vor einer wirtschaftlichen Transformation, die große Investitionen in neue Zukunftstechnologien erfordert. Durch dieses Urteil wird es deutlich schwieriger, diese umzusetzen. Wir müssen uns klarmachen: Staatsschulen per se sind nichts Schlechtes, sondern es kommt darauf an, in was dafür investiert wird.

Thomas Mayer: Für mich ist dieses Urteil eine Mahnung, zur „harten Budgetrestriktion“ zurückzukehren. Dieses Konzept hat der ungarische Ökonom János Kornai im Rahmen der Analyse der sozialistischen Wirtschaft entwickelt. Seine These war, dass im Sozialismus eine „weiche Budget­restriktion“ gilt. Die Unternehmen, der Staat kommen mit den erzielten Einnahmen nicht aus. Sie brauchen immer wieder neue Mittel, um die vermeintlich notwendigen Ausgaben zu finanzieren. Das führt zu Ineffizienz und einem Geldüberhang. In sozialistischen Ländern standen die Leute vor den Läden oft Schlange. Sie hatten zwar Geld in der Tasche, aber sie bekamen dafür nicht das, was sie wollten. Dagegen setzte Kornai die harte Budgetrestriktion, bei der Unternehmen, aber auch der Staat innerhalb der zur Verfügung stehenden Mittel zu wirtschaften haben. 

Sie werfen der Ampelkoalition also vor, wirtschaftspolitisch in den Sozialismus abzugleiten?

Thomas Mayer: Die Ampelkoalition war darauf gebaut, dass man die gegensätzlichen politischen Programme der Parteien dadurch miteinander versöhnen konnte, dass jeder das bekam, was er wollte. Dazu gehörten die Bedingung der FDP, keine Steuern zu erhöhen, der Wunsch der SPD nach mehr Sozialausgaben und die Idee der Grünen von einer sehr kostspieligen Klimatransformation. Die Fähigkeit, diese verschiedenen Ziele zu finanzieren, hing davon ab, dass man nahezu unbegrenzt Schulden aufnehmen konnte. Man glaubte, einen Trick gefunden zu haben, um die harte Budgetrestriktion der Schuldenbremse zu umgehen. Man stellte sich Verschuldungstöpfe in den Keller und sagte: „Die sind ja unterirdisch, da gilt die Schuldenbremse nicht, das ist was anderes.“ Dazu hat das Verfassungsgericht jetzt klar gesagt: „Nein, das ist nichts anderes. Das ist einfach eine zusätzliche Verschuldung.“ Und die Folge für die Politik ist jetzt, dass sie wieder lernen muss, dass Geld knapp ist. Insofern bin ich dem Verfassungsgericht dankbar, dass es ein grundlegendes ökonomisches Gesetz wieder in die Politik zurückgebracht hat.
 

Das könnte Sie auch interessieren:


Sie sind gebürtiger Schwabe, Herr Mayer. Dass Sie das Prinzip der schwäbischen Hausfrau hochhalten, verwundert nicht. Aber an Sie, Frau Meyer: Sind deren Sparsamkeitstugenden auf den Staatshaushalt übertragbar? 

Josefin Meyer: Man sollte die Sparsamkeitstugenden von Privatpersonen nicht direkt mit dem Staatshaushalt vergleichen. Denn ein Staat hat noch ganz andere Aufgaben zu erfüllen als eine Privatperson, wie zum Beispiel auf die gesamtwirtschaftliche Stabilität zu achten. Wenn es um Zukunftstechnologien und die vor uns liegende Transformation der Wirtschaft geht, kann es schon sinnvoll sein, wenn der Staat eine Anreizsetzung vornimmt. Die Krux an der ganzen Sache ist zu definieren, was gute Investitionen sind und wie viel Staatseingriff sinnvoll wäre, um notwendige Investitionen anzureizen. 

Halten Sie es denn grundsätzlich für falsch, wenn Staaten auf strenge Haushaltsdisziplin und geringe Verschuldung achten?

Josefin Meyer: Natürlich ist es wichtig, eine gewisse Art der Verbindlichkeit und Glaubwürdigkeit bezüglich der Schuldentragfähigkeit zu signalisieren. Wenn ein Land das nicht tut, wird es dementsprechend auf dem Finanzmarkt bepreist. Dann steigen die Zinsen auf dessen Staatsanleihen. Die Frage ist aber, inwiefern es für Deutschland, das man als relativ stabiles Land bezeichnen kann, sinnvoll ist, an einer so rigiden Schuldenbremse festzuhalten. Zum Beispiel kann momentan bei einer Notlage die Schuldenbremse nur für das betreffende Haushaltsjahr ausgesetzt werden. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass es ausschleichende oder sogar dauerhafte Effekte gibt, die den Krisenzeitraum überdauern. Zudem berücksichtigt die Schuldenbremse keine Niedrigzinsphasen wie zum Beispiel die letzte, in der es optimal gewesen wäre, Schulden aufzunehmen.

Wir kommen gerade von einer Notlage in die andere, die Begründungen wechseln. Ein ständiges Regieren im Ausnahmezustand kann es doch auch nicht sein.

Josefin Meyer: Die Krisen geben sich gegenseitig die Klinke in die Hand. Aber wenn das so ist, sollte man keine Politik machen, die diese Realität ignoriert. Der wesentliche Punkt ist: Wenn es um langfristige Investitionen geht, die über Generationen Bestand haben, dann finde ich es auch sehr sinnvoll, diese Investitionen über Generationen zu strecken. Und das geht am besten über Staatsschulden statt durch Steuereinnahmen.

In der Politik wird alles als Investition verkauft. Aus einem der Staatsfonds, mit denen die Schuldenbremse ausgetrickst werden sollte, flossen dreistellige Millionenbeträge an die mittlerweile insolvente Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof.

Josefin Meyer: Da gebe ich Ihnen recht, dass der Begriff der Investition nicht gut definiert ist, und wenn es keine gute Definition gibt, im Prinzip alles Investition sein kann: neben zum Beispiel Infrastrukturprojekten eben auch Sozialausgaben wie das Bürgergeld. Was gut wäre und woran es am Ende gemessen werden sollte, ist, dass man ein positives staatliches Nettovermögen hat. Also dass das öffentliche Vermögen unserer Volkswirtschaft höher ist als die Verschuldung.

Thomas Mayer: Das ist ein sinnvoller Vorschlag, Frau Meyer. Wenn ich aber mal auf die Transformation Richtung Klimaneutralität zurückkommen darf, zeigt es das große Problem. Sie sehen das wahrscheinlich als generationenübergreifende Investition. Aber wenn ich meinen drögen betriebswirtschaftlichen Hut aufsetze, komme ich zum Schluss: Das sind Ersatzinvestitionen. Ich war kürzlich in Duisburg und habe mir diese gigantischen Hochöfen zur Stahlherstellung angeschaut. Die werden mit Kohle betrieben und sind extrem CO2-intensiv. Natürlich ist es technisch möglich, die Stahlproduktion auf Wasserstoff umzustellen. Aber wenn ich den laufenden Hochofen abwracke und einen teuren neuen an seine Stelle setze, habe ich nur eine abgeschriebene Anlage ersetzt. Abschreibungen können Sie in keinem Betrieb mit Schulden finanzieren. Das funktioniert nicht. Die müssen aus den laufenden Einnahmen finanziert werden. Sonst gehen Sie langfristig pleite. 

Foto: Julia Steinigewege

Weil es sich betriebswirtschaftlich nicht rechnet, soll der Staat die Kosten dieses gewaltigen Industrieumbaus übernehmen. Nur rollen auf den noch ganz andere Kostenlawinen zu: Der demografische Wandel und die unkontrollierte Migration überfordern unseren üppigen Sozialstaat. Können wir uns das auf Dauer noch leisten? 

Josefin Meyer: Das ist eine schwierige Frage, die ich nicht pauschal beantworten kann. Man muss da sehr nuanciert sein. Eine zu strenge Sparpolitik, mit der Kürzung von Sozialausgaben oder Ähnlichem, kann sowohl mit ökonomischen als auch politischen Kosten einhergehen, wie einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft und einem zunehmenden Wahlanteil von extremen Parteien. Diese sollten in Erwägung gezogen werden. Wenn ich sehe, wie stark die AfD in vielen Landtagen bereits ist und den Umfragen zufolge bald werden könnte, finde ich diese Entwicklung sehr bedenklich. 

Thomas Mayer: Wir haben neben der unkontrollierten Immigration zwei riesige Transformationsprobleme, die sehr kostspielig sind. Das eine ist der demografische Wandel und das andere die klimapolitische Transformation. Es ist eine komplette Illusion zu glauben, dass man diese beiden gigantischen Herausforderungen über Schuldenaufnahme bezahlen kann. Die Politik hat es nicht geschafft, die Leute darauf einzustimmen, dass wir stattdessen den Gürtel enger schnallen müssen. Wenn wir mit der Altersversorgung so weitermachen, ist der Staat in zehn bis 15 Jahren pleite. Wenn Sie jetzt noch die enormen Ersatzinvestitionen im Rahmen der Klimapolitik dazunehmen, sehen Sie, was für eine gigantische Überschuldung auf uns zukommt. Frau Meyer hat völlig recht. Wenn die Leute überfordert werden durch die Ansprüche, die eine politische Klasse an sie stellt, sowohl was den demografischen Wandel als auch was die Klimatransformation angeht, dann kippt das. Deshalb muss die Politik den Bürgern und der Wirtschaft mehr Zeit geben.

International betrachtet, wirkt der deutsche Streit um die Einhaltung der Schuldenbremse fast etwas kleinlich. Denn andere Industrieländer machen deutlich mehr Schulden und geben das Geld dennoch mit vollen Händen für Wirtschaftssubventionen aus. Wenn nur wir sparen, werden wir doch abgehängt.

Thomas Mayer: In dieser Debatte wird vergessen, dass die Schuldenbremse keine spezifisch deutsche Angelegenheit ist. Es mag eine deutsche Erfindung gewesen sein, aber sie wurde 2012 im Rahmen des sogenannten Fiskalpakts als Lehre aus der Eurokrise in ganz Europa eingeführt. Interessanterweise haben sich nur wenige Länder an diese Schuldenbremse gehalten, obwohl sie sich dazu verpflichtet hatten. Daher halte ich die kritischen Kommentare aus anderen Ländern für heuchlerisch.

Aber das heißt doch: Wir halten Haushaltsdisziplin, damit sich andere Euroländer hemmungslos verschulden können.

Thomas Mayer: Die deutsche Finanzstabilität ist noch der Anker für den Euro. Schwindet sie, dann wird der Euro weicher und in die Fußstapfen des ehemaligen französischen Franc und der italienischen Lira treten. Damit kann man auch leben, das ist nicht das Ende der Welt. Die Italiener lebten damit, die Argentinier leben ja auch noch. Aber das Leben wird mit einer Weichwährung und hoher Inflation halt anders, als wir es gewohnt sind.

Josefin Meyer: Es stimmt, dass in der Eurozone vor allem Deutschland als Safe Asset betrachtet werden kann. Aber um ein Safe Asset zu sein, ist es auch dringend notwendig, ausreichend Verschuldungsinstrumente zur Verfügung zu stellen. Denn wie der Name schon sagt, wird der deutsche Staat als sichere Anlagemöglichkeit gesehen, die wertstabil ist, in der Vermögen konserviert und über die Zeit transferiert werden kann. Um dieser Rolle gerecht zu werden, muss es ein ausreichendes Angebot an deutschen Staatsanleihen geben. 

Wenn es schlecht läuft, sparen wir uns kaputt und mit dem, was wir dadurch an Stabilität für den gesamten Euroraum garantieren, werden Investitionen in Südeuropa ermöglicht. Wäre es nicht besser, wir verschulden uns ebenso, solange wir eine Gemeinschaftswährung haben? 

Thomas Mayer: Das höre ich öfter. Es ist das Wohngemeinschaftsargument. Stellen Sie sich vor, Sie teilen sich eine Wohnung, zahlen in die Haushaltskasse ein, spülen ab und putzen das Klo, aber Ihre Mitbewohner machen das nicht. Dann sind Sie am Ende der Dumme. Natürlich könnten Sie sagen, Sie spülen und putzen auch nicht mehr. Nur wäre dann die Wohngemeinschaft bald am Ende – und das „Safe Asset“ schnell „unsave“. Besser wäre es, wenn die anderen die Schuldenbremse, zu der sie sich verpflichtet haben, respektieren würden. Zumindest, wenn sie wollen, dass der Euro Bestand hat. 

Lassen Sie uns über die Eurozone hinausblicken. Die USA verschulden sich hemmungslos, um die heimische Wirtschaft zu stärken. Ist Joe Bidens Industriepolitik ein Vorbild für uns?

Josefin Meyer: Europa und die USA gehen bei der industriellen Transformation zwei verschiedene Wege. Die USA versuchen, Anreize durch Subventionen, Steuererleichterungen und Ähnliches zu setzen, und machen damit grüne Technologien billiger. Während wir vor allem die CO2-Bepreisung haben und darüber hinaus noch versuchen, eine Anreizsetzung vorzunehmen, um so zum Beispiel fossile Energie teuer zu machen. Staatliche Intervention ist nichts Neues, wenn es um die Förderung und den Schutz neuer Technologien geht. Man muss sich nur die Geschichte der Industrialisierung anschauen. Alle Länder, die sich im 19. Jahrhundert industrialisiert haben, setzten alle in irgendeiner Art und Weise auf staatliche Interventionen, um aufstrebende Industrien zu schützen. Zum Beispiel durch Zölle. 

Foto: Marcus Simaitis

Das ist Protektionismus, auf den setzen die USA auch, unter Biden genauso wie unter Trump. Aber was sagen Sie zu den Staatsfinanzen?

Josefin Meyer: Es ist jedes Jahr eine neue Zitterpartie, ob der Haushalt bewilligt wird. Und die öffentliche Diskussion darüber, was passieren würde, wenn die USA ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können, wird immer lauter. Aber trotzdem erfährt der US-Dollar immer noch eine sehr breite Akzeptanz. Er gilt als sicherer Hafen. Davon zehren die USA und dadurch ist eine so hohe Verschuldung möglich.

Kann die größte Wirtschaftsmacht der Welt pleitegehen? Ist das vorstellbar?

Josefin Meyer: Natürlich kann ein Staat nicht in dem Sinne pleitegehen wie eine Privatperson oder ein Unternehmen. Aber denken Sie an Griechenland. Das hat man sich auch nicht vorstellen können, dass ein Eurozonenland in den Staatsausfall geht und seinen Schuldendienst einstellen musste. Und warum soll das grundsätzlich nicht auch bei anderen Staaten, die jetzt als eher sicher gelten, irgendwann der Fall sein? 

Thomas Mayer: Also ich glaube, dass diese Industriepolitik den Amerikanern auf die Füße fallen wird. Sie zieht Subventionsritter an, die Steuergeld abgreifen. Das Ergebnis wird eine ineffiziente Industriestruktur sein, die mit staatlicher Planung orchestriert wird statt der heutigen dynamischen Unternehmerwirtschaft. Gleichzeitig steigt die Staatsverschuldung, die schon jetzt 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt. Es wird eine Konsolidierung kommen müssen. Die Staatsfinanzen sind so nicht stabil zu halten. Aber entscheidend ist: Wird die Haushaltskonsolidierung 2024 um den Preis einer Rezession erzwungen, oder kann man beides auf 2025 verschieben? Das ist eine extrem wichtige Frage. Denn ein Präsident, der zur Wiederwahl in einem Rezessionsjahr antritt, hat schlechte Chancen. Ich würde es vorziehen, Haushaltskonsolidierung und Rezession aufs übernächste Jahr zu verschieben, damit die Demokraten es noch schaffen. Wenn der Abschwung nächstes Jahr kommt, wird der Wahlausgang für Europa zu einer bitteren Pille werden.

Weil dann Donald Trump gewählt wird?

Thomas Mayer: Ja. Dann stehen wir alleine da, home alone, gegenüber Putin, gegenüber den Chinesen, mit einem wackeligen Militär.

Auch in Deutschland sind die fiskalischen von politischen Überlegungen nicht zu trennen. Man sieht ja, welche Mühe die Regierung hat, sich zusammenzuraufen. Was wäre aus ökonomischer Sicht Ihr Vorschlag, wie mit der Schuldenbremse umzugehen ist?

Josefin Meyer: Ich würde die jetzige Situation zum Anlass nehmen, sie zu reformieren. Dass sie weniger rigide ist und zum Beispiel nach Notlagen ein sanftes Auslaufen erlaubt. Man sollte mehr Flexibilität hineinbringen, die auch die Schuldentragfähigkeit berücksichtigt, sowie langfristige Investitionsprojekte ermöglichen.

Thomas Mayer: 2024 muss man die Schuldenbremse wieder einhalten. Man darf sie nicht durch die Erfindung einer neuen Notlage opportunistisch außer Kraft setzen. Es gibt genügend Einsparungspotenzial, um die fehlenden 17 Milliarden Euro zu finden. Es ist mir schleierhaft, warum das nicht gehen soll, wenn wir 45 Milliarden Euro für das Bürgergeld ausgeben, wenn wir auf der ganzen Welt Milliarden verteilen. Schafft die Ampel das nicht, ist sie gescheitert. Mittel- und langfristig geht es darum, die Schuldenbremse mit der Staatsbilanz zu verbinden. Wenn wir beim Staat wie im Unternehmensbereich die doppelte Buchführung einführen, können wir sehen, wie sich das Nettovermögen des Staates entwickelt. Ist es negativ, wie die Berechnungen des Internationalen Währungsfonds für die jüngere Vergangenheit zeigen, muss die Schuldenbremse gelten. Wird das Nettovermögen positiv, kann man vermögenssteigernde Investitionen mit entsprechender Rendite auch über Schulden finanzieren. Leider verschleppt die Bundesregierung die Einführung der sogenannten Doppik seit Jahren. 

Das Gespräch führte Daniel Gräber. 

 

Die Januar-Ausgabe von Cicero können Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen.

Jetzt Ausgabe kaufen

 

 

 

 

 

Linda Teuteberg, Martin Günther, Mathias Brodkorb im Gespräch
Cicero Podcast Politik: „Die Koalition hat beim Tricksen schon viel Kreativität bewiesen“ 

Anzeige