Gaskrise - Die Uniper-Verstaatlichung ist richtig, aber gefährlich

Deutschlands größter Gasimporteur wird zum Staatskonzern. Das ist in dieser Krisensituation der richtige Schritt. Doch die Verstaatlichung des Uniper-Konzerns weckt sofort politische Begehrlichkeiten und birgt eine Gefahr: Dass der energiepolitische Irrweg, der uns in dieses Desaster geführt hat, mit noch mehr Schwung fortgesetzt wird.

Gehört bald dem Bund: Die ehemalige Eon-Tochter Uniper wird verstaatlicht, um die deutsche Gasversorgung zu retten / dpa
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Wie sehr Robert Habeck unter Spannung steht, zeigte sich, als er am Mittwochmorgen vor die Kameras trat, um die Verstaatlichung des angeschlagenen Gasgroßimporteurs und Kraftwerksbetreibers Uniper zu verkünden. Das einst aus dem Essener Energiekonzern Eon herausgelöste Unternehmen habe sein Erdgas zu 50 Prozent aus Russland bezogen und stehe für 40 Prozent der deutschen Gasversorgung, begründete der Wirtschaftsminister die Rettungsbedürftigkeit der seit dem Gazprom-Lieferstopp in schwere Turbulenzen geratenen früheren Eon-Tochter.

Der Bund werde rund 99 Prozent des Unternehmens übernehmen, bestätigte Habeck eine Uniper-Mitteilung vom Vorabend. „Damit gehört Fortum dem deutschen Staat“, sagte der Grünen-Politiker. Ein Versprecher, den er selbst weder bemerkte noch während der laufenden Pressekonferenz korrigierte. Denn gemeint war natürlich Uniper. Der finnische Energieversorger Fortum ist der bisherige Hauptaktionär von Uniper, der nun offenbar froh ist, sich von dem riskanten und verlustreichen Gasgeschäft in Deutschland trennen zu können. Mehrheitseigentümer von Fortum ist und bleibt nicht der deutsche, sondern der finnische Staat. In Helsinki wird man Habecks fälschliche Ankündigung daher hoffentlich mit Humor und nicht als Drohung wahrgenommen haben.

Deutschland übernimmt auch Kernkraftwerke in Schweden

Der Deal soll so laufen: Deutschland kauft Fortum dessen Uniper-Aktien für rund 480 Millionen Euro ab und übernimmt auch dessen Krisenkredite und Garantien von insgesamt acht Milliarden Euro. Weitere acht Milliarden Euro steckt der Bund in eine Kapitalerhöhung der Uniper SE. Bis das alles geregelt ist, dauere es drei Monate, sagte der Minister. Zumindest für diesen Zeitraum solle die umstrittene Gasumlage wie geplant ab Oktober kommen. Habeck hatte sie konzipiert, um Uniper zu retten, als von Verstaatlichung noch keine Rede war. Ob Gasverbraucher den staatlich verordneten Preisaufschlag noch länger zahlen müssen, wird sich zeigen. Das müsse noch „finanzverfassungsrechtlich“ geprüft werden, sagte der Wirtschaftsminister.

Die Bundesrepublik wird mit der Uniper-Übernahme nicht nur zum Gasgroßhändler, sondern übernimmt auch den Kraftwerkspark des Düsseldorfer Unternehmens. Dazu zählen Steinkohle-, Gas- und Ölkraftwerke in Deutschland, aber auch Beteiligungen an Kernkraftwerken in Schweden – und, ebenfalls politisch brisant, Gas- sowie Kohlekraftwerke in Russland.

Verstaatlichung weckt politische Begehrlichkeiten

Dass der deutsche Staat nun einspringt, um den Energieversorger zu retten, ist richtig. Etliche Stadtwerke bekommen ihr Erdgas von Uniper. Hätte die Bundesregierung tatenlos zugesehen, wie das Unternehmen in Folge des Ukrainekriegs in die Insolvenz rutscht, wäre die Gasversorgung zahlreicher Haushalte und Betriebe zusammengebrochen. Und wenn schon Milliarden an Rettungsgeld – ob aus Steuereinnahmen oder der Gasumlage – in das Unternehmen fließen müssen, um es am Leben zu halten, dann ist es auch sinnvoll, wenn der Staat zum Eigentümer wird. Zumindest vorübergehend.

Das Problem ist allerdings, dass der neue Staatskonzern sofort politische Begehrlichkeiten weckt. Der Umweltverband BUND forderte, dass die Bundesregierung nach der Übernahme dafür sorgen müsse, dass sich die Ausrichtung Unipers zugunsten erneuerbarer Energien ändere. Der Staat müsse für eine „schnelle Dekarbonisierung“ sorgen und das Unternehmen zu einem „relevanten Akteur der Energiewende“ machen, erklärte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt.

Diesen Vorschlag kann man fast schon als satirischen Beitrag verstehen. Denn Uniper wurde nur deshalb von Eon gegründet, um sich seines fossilen Geschäfts entledigen zu können. Dass Uniper jetzt gerettet werden muss, zeigt, dass Deutschland fossile Energieträger braucht. Allein mit Erneuerbaren funktioniert dieses Land nicht.
 

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Gewerkschafter forderten, dass der Bund Uniper nach der Krise keinesfalls sofort wieder privatisieren solle. „Die Übernahme durch den Bund ist notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und sie ist im Sinne der Beschäftigten“, sagte Christoph Schmitz aus dem Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi. Die Übernahme sei der richtige Schritt, um das Unternehmen zu stabilisieren, ergänzte der Uniper-Konzernbetriebsratsvorsitzende Harald Seegatz. Uniper sei mit seinen rund 5000 Beschäftigten allein in Deutschland für die Energieversorgung systemrelevant und benötige dauerhafte Unterstützung. „Der Bund muss seine Beteiligung bei Uniper als langfristiges Engagement sehen“, forderte Seegatz.

FDP fordert schnelle Reprivatisierung

Dem widersprach immerhin die FDP. Für Liberale sei die Uniper-Verstaatlichung eine bittere Pille, die es in der aktuellen Krisensituation jedoch zu schlucken gelte, sagte Lukas Köhler, stellvertretender Fraktionschef im Bundestag. Es müsse klar sein, dass daraus kein Dauerzustand werden dürfe, so Köhler weiter. „Wie bei allen anderen krisenbedingten Beteiligungen muss sich der Staat so schnell wie möglich wieder aus dem Unternehmen zurückziehen“, betonte er. Sobald es die Situation zulasse, müsse Uniper privatisiert werden. „Der Staat darf keinesfalls dauerhaft zu einem entscheidenden Akteur auf dem Energiemarkt werden.“ Dafür werde die FDP-Fraktion in der Ampelkoalition Sorge tragen.

 

 

Ob den Liberalen das gelingen wird, bleibt abzuwarten. Denn bei beiden Koalitionspartnern, den Sozialdemokraten und den Grünen, gibt es starke gegenläufige Tendenzen. Schnell spricht man im rot-grünen Lager von „Marktversagen“, wenn es darum geht, vom eigenen Politikversagen abzulenken. Und die Überzeugung, dass der Staat sowieso alles besser weiß, ist insbesondere bei den Grünen sehr ausgeprägt. Die aktuelle Energiekrise ist das Ergebnis dieser Hybris. Ohne den Atomausstieg und die fatale Fokussierung auf die notorisch unzuverlässige Windkraft und Solarenergie würde uns Putins Gaslieferstopp nicht so empfindlich treffen wie er es jetzt tut.

Bisher machen die entscheidenden Akteure der Ampelkoalition nicht den Eindruck, als hätten sie verstanden, dass die deutsche Energiepolitik vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss. Im Gegenteil: Sie wollen – mit noch mehr Entschlossenheit als zuvor –den einst eingeschlagenen Irrweg fortsetzen. Insofern birgt die Uniper-Verstaatlichung auch eine Gefahr. Nämlich die einer zunehmend politisch gelenkten Energiewirtschaft, in der marktwirtschaftliche Mechanismen, die Fehlentwicklungen frühzeitig anzeigen, außer Kraft gesetzt werden.    

mit dpa-Material  

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