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() Der Burj Dubai
Dubai, Babel, Crash

Das höchste Haus, das größte Hotel, die spektakulärste Luxusvilla der Welt: Rekorde, Giganten und Superlative wurden gefeiert. Erleben wir den Turmbau zu Babel unserer Zeit?

Burj Dubai ist der architektonische Bote aus dem Übermorgenland. Doch wie hoch dieser Turm genau wird, bleibt immer noch ein Geheimnis der Königsfamilie von Dubai. Der Bauträger Emaar Properties kündigte „mindestens 700 Meter“ an, die Hersteller der Aufzüge – es werden die schnellsten und längsten der Welt – nennen 800 Meter. Und die Ingenieure der beauftragten Spezialbaufirmen berichten, dass das Gebäude „aufstockbar“ sei, wodurch man bis zu 980 Meter erreichen könne. Schon jetzt aber ist der Burj Dubai (Turm von Dubai) das höchste Gebäude der Welt. Selbst die bislang größten Bauten der Menschheit – Taiwans Taipeh Turm 101 (508 Meter) und der CN Tower (553 Meter) in Toronto, ja sogar der Fernsehsendeturm KXTV/KOVR Tower in Kalifornien (624 Meter) – sind nun überboten. Immer häufiger steckt seine Spitze im Himmelsdunst des Wüstensands, doch sie arbeiten unermüdlich weiter. Tag und Nacht, im Dreischichtenbetrieb 24 Stunden lang, alle vier Tage kommt ein neues Stockwerk hinzu – als wollten sie fertig werden, bevor die Weltfinanzkrise auch dieses verrückteste Symbol der Machbarkeit irgendwie ankränkelt. Für die einen ist er der zu Stein gewordene Größenwahn, der moderne Turmbau zu Babel, das Emblem der Geld- und Gierjahre. Für die anderen ist er ein Meisterwerk menschlicher Intelligenz und Baukunst. Wahrscheinlich ist er beides zugleich. Eiffelturm und Kölner Dom wirken wie Playmobilspielzeuge neben ihm. Alleine für den Transport der Menschen mussten neue Fahrstühle entwickelt werden. Mit einer Geschwindigkeit von 18 Metern in der Sekunde rasen sie im Doppelpack auf und nieder, bis zu 500 Meter am Stück. Aber sie sind nicht nur die schnellsten, sondern auch die kräftigsten Lifte, die je gebaut wurden. Der Service-Aufzug hat eine Tragekapazität von 5500 Kilogramm und ist damit nach eigenen Angaben der größte Aufzug der Welt. Jeden Tag durchfließen 194000 Liter Wasser das Gebäude, das Kondenswasser im und am Gebäude wird aufgefangen und dient der Bewässerung der Parkanlage. Durchschnittlich sollen sich nach der Fertigstellung etwa 17000 Menschen in dem Turm aufhalten, es können aber bis zu 35000 Menschen darin Platz finden. Wenn denn das Geld dann noch reicht. Denn bis zur 39. Etage soll ein Luxus-Armani-Hotel seine Gäste beherbergen. Darüber stehen Edel-Apartments zum Kauf. Die kleinen Wohnungen zu 171 Quadratmetern kosten etwa fünf Millionen Euro. Bis hinauf zur 108.Etage reicht der Wohnbezirk. Bis zum 154.Stock sollen Büros einziehen. Auf der 124.Etage lädt eine Aussichtsplattform ein, doch wird die Aussicht schon wegen des Wüstenstaubs und des Meeresdunstes getrübt sein. Und während die Scheichfamilie und die Ingenieure sich noch berauschen an den Superlativen – der neue Stadtteil zum Turm mit Kunstsee kostet 16 Milliarden Dollar –, zieht das Gespenst der Krise plötzlich durch die Megabaustelle. Denn der Weltwirtschaftskrach hat auch Dubai erreicht – und zwar schneller und heftiger als erwartet. Die Immobilienmakler und Bauunternehmer in dem Scheichtum haben Angst und machen künstlich gute Stimmung: Der Burj Dubai werde voll verkauft, „alles im Plan“, in spätestens einem Jahr sei der Immobilienmarkt gesundet und Dubai wieder „voll da“. Nur – das glaubt inzwischen niemand mehr. Der Immobilienmarkt in den Emiraten schwächelt nicht, er bricht ein. Und dabei ist er einer der wichtigsten Wirtschaftsbereiche von Dubai. Weil dem Scheichtum das Öl ausgeht, will es sein Geld als Welt-Mega-Touristen-Businessmetropole verdienen – eine Mischung aus Las Vegas, Monaco und New York. Nur alles noch höher, teurer, glitzernder. Doch nun leidet es erst einmal wie ein Abklatsch von Miami. Die Immobilienblase platzt in Strandnähe. Das schnelle Drehen von Immobilienverbriefungen wurde hier noch heftiger betrieben als anderswo. Im Golf heißt dieses Spekulantenhandwerk „Flipping“. Das Objekt existiert nur auf dem Papier, und noch vor dem ersten Spatenstich hat es bereits mehrmals den Besitzer gewechselt – dabei waren bislang astronomisch hohe Gewinne möglich. Viele Hochhausbauten sind reine Spekulationsobjekte. Wer durch Dubai fährt, sieht darum in all den Häusern kaum je einen Menschen, kein Supermarkt lädt zum Kauf, keine Parkbank zum Verweilen ein. Am Golf sind Geisterstädte der Immobilienindustrie entstanden. Nun, da die Refinanzierung knapp wird, brechen viele Spekulationsketten auf. Große Bauprojekte werden plötzlich gestoppt. Unter Druck sind sogar die ganz Großen der Branche, die staatlichen „Master Developer“. So zieht Nakheel, die staatseigene Entwicklungs- und Baugesellschaft und einer der weltweit größten Immobilienentwickler, ein Großprojekt nach dem anderen zurück. Die Aufschüttungsarbeiten neuer Kunstinseln weit draußen auf See wurden gestoppt, und auch bei dem Projekt „Dubai Waterfront“ – es soll einmal doppelt so groß wie die Insel Hongkong sein – sieht es mehr nach Ebbe aus. Schlagartig hört das Flippen auf. Nur der Burj Dubai, der soll fertig werden – unbedingt, denn er symbolisiert das ganz große Monopoly der Scheichs. Als Indiz für die wachsende Nervosität gilt auch, dass selbst das neue „Märchenhotel“ „Atlantis“ schlechte Nachrichten produziert. Einmal steht das Foyer in Flammen, dann bricht die Wasserversorgung für einen Großteil des 1539-Zimmer-Kolosses zusammen. Dann gibt es einen Skandal um den vier Meter großen Walhai im gigantischen Hotelaquarium. Dubais Bevölkerung sowie lokale Tierschützer liefen Sturm, denn Walhaie gehören zu den bedrohten Tierarten. Die Hotelbetreiber erfanden die Geschichte, man habe das Weibchen „gerettet“. Der Sender BBC fand jedoch heraus, dass der Fang des Tieres als Attraktion geplant war. Rund 20 Millionen Dollar gab man schließlich für das „größte Feuerwerk der Weltgeschichte“ aus. Mehr als eine Million pro Minute. Robert De Niro und Boris Becker schauten vorbei, ebenso Sängerin Janet Jackson und Basketballstar Michael Jordan. Die Anzeichen mehren sich, dass diese Megaparty einmal als Tanz auf dem Vulkan gebrandmarkt werden wird. Kylie Minogue trällerte für rund vier Millionen Dollar ein Liedchen. Doch alle hatten das gewisse Titanic-Gefühl, auf dem das Orchester ja auch bis zuletzt noch spielte. Die Villenbewohner von Palm Jumeirah, der künstlichen Insel, auf der das lachsfarbene Hotel steht, waren erst gar nicht geladen. Sie wären auch kaum gekommen, denn sie kommen ohnedies nicht mehr. Die Preise für die Villen fallen dramatisch. Interessenten springen ab wie Investoren von der Börse. Viele Baustellen stehen plötzlich still. Zehntausende von Bauarbeitern dürften entlassen und gezwungen werden, in ihre Heimatländer zurückzukehren. Überall werden fiebrig Finanzierungsdeals und Umschuldungen ausgehandelt. Erstmals seit vielen Jahren macht sich am Golf wirtschaftliche Sorge breit, vor allem, da der Ölpreis absackt wie noch nie und bekannt wurde, dass die beiden islamischen Hypothekenbanken Amlak und Tamweel notfusionieren und als neue Einheit „unter den Schutzschirm“ der staatlich kontrollierten Real Estate Bank gestellt werden müssen. Gönnerhaft kommt das reiche Nachbar-Emirat Abu Dhabi den strauchelnden Verwandten zu Hilfe – mit einer Sicherungshilfe von 32 Milliarden Dollar für das angeschlagene Bankensystem. Die vorsichtigeren Neffen von Abu Dhabi aber stellen Bedingungen und kaufen nun den Angeberscheichs aus Dubai ein Wertstück nach dem anderen ab. Und so wirft der Burj Dubai lange Schatten fast bis hin zur gigantomanen Skihalle am Rande der Wüste. Doch die bleibt immer öfter leer. Die Chinesin in der Skihütte verkauft schwarze Handschuhe – für dunkle, eisige Zeiten. Foto: Picture Alliance

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