Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
()

Die Mutter der IT-Kompanie - Die Mutter der IT-Kompanie

Karin Dürmeyer arbeitet als „Distinguished Engineer“ bei IBM. Davon gibt es weltweit nur 400. Die Hamburgerin ist die erste Frau in Europa, die in diesen Kreis aufgenommen wurde. Ihre Mission: mit neuen Technologien die Welt lebenswerter machen.

Evelyn Runge

Autoreninfo

Evelyn Runge, Dr. phil., forscht an der Hebrew University of Jerusalem, Israel, zu den Produktionsbedingungen des digitalen Fotojournalismus. Als Journalistin veröffentlicht sie u.a. in Frankfurter Allgemeine SonntagszeitungDie Zeit/Zeit OnlineSüddeutsche ZeitungDer Spiegel/Spiegel Online. 

So erreichen Sie Evelyn Runge:

Dass die Schweden in ihrer Hauptstadt heute seltener im Stau stehen, pünktlicher ankommen und bessere Luft atmen, verdanken sie einer Deutschen. Denn Karin Dürmeyer, IT-Ingenieurin bei IBM, hat ein Mautsystem für Stockholms Innenstadt entwickelt. Seit dessen Einführung 2006 sank der Verkehr um mehr als 20 Prozent, die CO2-Emissionen um 14 Prozent und die Wartezeiten in der Rushhour um ein Viertel. Das System erfasst mit Kameras die Kennzeichen der Autos, anschließend wird die Steuer automatisch abgebucht. Projekte wie das intelligente Verkehrsmanagement in Stockholm, liebt Dürmeyer, weil sie ihre Motivation daraus bezieht, „die Welt mit neuen Technologien sicherer und lebenswerter“ zu machen. Mit dieser Einstellung hat es die Hamburgerin auf eine der höchsten Positionen im Bereich Technik bei IBM geschafft: „Distinguished Engineer“. In der Hamburger IBM-Niederlassung sitzt sie mitten zwischen ihren Kollegen. Einen festen Schreibtisch hat hier keiner, Mobilität ist Teil der Firmenphilosophie, hierarchieunabhängig. Aus Dürmeyers überdimensionierter weißer Handtasche guckt daher auch ein Laptop hervor, mit dem sie an jedem Arbeitsplatz andocken kann. Trotzdem fällt die große, blond gelockte Frau mit dem türkisen Oberteil und dem bunten Rock in der noch immer männerdominierten IT-Welt sofort auf. Dafür sorgt auch ihr markantes Lachen, das häufig im Gespräch ertönt: Ein Mitarbeiter, der sie nie zuvor gesehen hatte, fragte, ob sie mit einem Herrn Dürmeyer verwandt sei, der habe genauso gelacht, erzählt sie. Tatsächlich arbeitete schon Dürmeyers Vater bei IBM. Damals war IT noch Handarbeit: Mit einem Koffer voller Werkzeuge ging er zu Kunden, um Hardware zu reparieren, manchmal im weißen Kittel, wenn er Drucker auseinandernehmen musste. Vom Vater hat sie nicht nur das Lachen geerbt, sondern auch das Interesse an Mathematik und Technik. Ihre Arbeit heute ist aber eine ganz andere Tätigkeit als die ihres Vaters. Karin Dürmeyer nimmt nichts auseinander, sie setzt zusammen: Sie implementiert komplexe IT-Systeme, von der Mauterfassung über Internetportale bis zur Funküberwachung potenzieller Terrorziele. Als erste Frau bei IBM Deutschland erhielt Karin Dürmeyer 1992 den Titel IT-Architektin. Heute ist sie als „Mutter der IT-Architekten“ für 2500 Kollegen in ganz Europa verantwortlich. Ihre Aufgabe ist die Entwicklung, Integration und Einführung von Computersystemen. 1997 wurde sie zum „Distinguished Engineer“ ernannt, als erste Frau bei IBM Europa; nur etwa 400 der weltweit 400.000 IBM-Mitarbeiter erreichen die Position des „herausragenden Ingenieurs“. In Deutschland ist Dürmeyer bis heute die einzige Frau, die so weit oben steht. Aktuell bereitet sie ein Projekt in Deutschland vor: Auch hier wollen Leitzentralen den Verkehr durch IT optimieren, Staus verhindern, die Autofahrer erziehen. „Technischer Fortschritt und intelligenter IT-Einsatz müssen helfen, Ressourcen zu schonen“, sagt Dürmeyer. Aber auch wirtschaftlich ist die Entwicklung solcher „Green-IT“-Systeme ein spannendes Feld. Angesichts des Verkehrschaos in den Megacitys weltweit könnte sich das IT-basierte Verkehrsmanagement zu einem Milliardenmarkt entwickeln. Dürmeyer schätzt an ihrem Aufgabenfeld vor allem die Vielseitigkeit. Dabei wollte sie ursprünglich Lehrerin werden. Sie studierte Mathematik und Geografie auf Lehramt. Als es nach dem Referendariat keine Stelle gab, fing sie als Trainee bei IBM an. Ihre erste Aufgabe war es, Satellitenbilder auszuwerten. Sie benutzte dazu ein Programm, das eine Art Urahn zu Google Earth gewesen sei, erinnert sich Dürmeyer. Sie programmierte einen Tarifrechner für Versicherungen, der Großrechner überflüssig machte. Auch war Dürmeyer an der Implementierung des ersten Callcenters einer Versicherung in Deutschland beteiligt: Hatte ein Kunde drei Verträge, musste er drei verschiedene Nummern wählen, um Informationen zu bekommen. Dürmeyer führte die einzelnen Sparten zusammen. Was heute selbstverständlich scheint – eine Servicenummer, ein Anruf, Warten in der Telefonschleife –, war in den neunziger Jahren neu. Ob die Welt auch durch die Erfindung der Callcenter „lebenswerter“ geworden ist? Diese Frage beantwortet sie nur mit ihrem markanten Lachen. Den Schritt in den Beruf des IT-Ingenieurs hat Dürmeyer nie bereut. Das wird immer deutlich, wenn sie von ihrer Arbeit spricht. Viele ihrer Projekte sind zugleich Premieren neuer Technologien: Dürmeyer erinnert sich noch gut an die Anspannung, als sie und ihr Team das Internetportal einer großen deutschen Fluggesellschaft neu programmiert hatten. Solche Systeme sind so komplex, dass komplette Testläufe fast unmöglich sind. Entsprechend erleichtert war sie, als das System stabil lief. Ihre große Erfahrung würde Dürmeyer gerne weitergeben, besonders an junge Frauen. Sie selbst fand erst nach 15 Jahren eine Mentorin: Fran Allen, eine der ersten Forscherinnen bei IBM. Als Allen den nach ihr benannten Mentoring-Award erhielt, habe „Mr. Allen“ auf der Auszeichnung gestanden, erzählt Dürmeyer amüsiert. Inzwischen ist sie selbst preisgekrönt: 2001 erhielt sie den „European Women of Achievement Award“, außerdem wurde sie in die IBM Academy of Technology aufgenommen. Einen Lebensbereich hält Karin Dürmeyer aber strikt technikfrei: Im Urlaub wandert sie in Slowenien, fährt Rad in Schweden und schläft dabei im Zelt – ohne Strom, ohne Laptop und ohne Internet.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.