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(picture alliance) Gefürchtet für seinen Zorn: Clemens Börsig, noch Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank

Clemens Börsig - Der Anti-Ackermann

Wenn die Deutsche Bank im nächsten Jahr ihre Führungsriege wechselt, bleibt ein Mann auf der Strecke: Clemens Börsig. Der Aufsichtsratsvorsitzende wird im Mai 2012 von Bankenchef Josef Ackermann abgelöst. Börsig, der immer fehl am Platze war, ist Verlierer in einem langen Machtkampf.

Am 25. Juli macht Clemens Börsig normalerweise keine Termine. Zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele fehlt der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, der im Kuratorium des Sponsorenvereins „Freunde von Bayreuth“ eine wichtige Rolle spielt, nur ungern.

In diesem Jahr aber musste Börsigs Gattin Gerhild ohne ihn über den roten Teppich gehen. Während in Bayreuth Tannhäuser um die Liebe, die Tugend und den ewigen Frieden rang, kämpfte Börsig in Frankfurt den Kampf seines Lebens. Am Ende gewinnt er – und verliert alles. Anshu Jain und Jürgen Fitschen, seine Wunschkandidaten, werden zwar bald die Deutsche Bank führen. Doch für Börsig selbst ist kein Platz mehr. Er muss seinen Posten dem Erzrivalen Josef Ackermann überlassen.

Es ist eine Geschichte von Selbstüberschätzung und vom Unterschätztwerden, von alten Bankdirektoren und globalen Bankmanagern. Clemens Börsig steht für die alte Garde. Die Auseinandersetzung zwischen ihm und Ackermann war auch ein Stellvertreterkrieg. Mit Börsig verabschiedet sich die Deutschland AG, das Netzwerk von Bank- und Industriemanagern der alten Schule, nicht nur aus den Zwillingstürmen in Frankfurt.

In Börsigs Kreisen wird sein herablassender Sarkasmus als eine Art von Humor unter Gleichen geschätzt. Arroganz gilt hier als Tugend. Untergebene dagegen fürchten seinen Zorn, wenn das Schälchen frischer Ananas (auf KPM-Geschirr zu servieren) zu Terminbeginn fehlt, die Aufsichtsratsvorlage nicht akkurat auf dem Tisch liegt, oder auch nur der Regenschirm bei den wenigen Schritten zum Wagen ungeöffnet bleibt.

Spröde bewegt sich der frühere Topmanager von RWE und Bosch nun schon seit Jahren im Kosmos der Bank – und eckt an. So gab er den weiblichen Führungskräften des Hauses den zweideutigen Rat, sich bei der Karriereplanung nicht nur vertikal, sondern auch horizontal zu orientieren. Die Heiterkeitsausbrüche im Publikum quittierte er mit Unverständnis: Es sei doch richtig, dass Frauen auch wechselnde Positionen im mittleren Management beziehen könnten, anstatt immer auf Vorstandsposten zu schielen. Als ihm einmal vor Gericht seine genaue Wohnadresse nicht über die Lippen kommen will, ist das nicht seine Schuld. Wenn ein Richter ihn als Zeugen nach solchen Details frage, dann sei die Frage überflüssig und dumm, nicht die korrekturbedürftige Antwort.

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Josef Ackermann dagegen steht, obwohl gleichaltrig, für die neue Bankerkaste. Mit den hergebrachten Verhaltensmustern der Frankfurter Topmanager fremdelt er bis heute, am wohlsten fühlt er sich in den Dependancen in London und New York, wo es hemdsärmlig zugeht. Für Börsig ist das angelsächsische Ausland nicht nur aus Gründen der mangelnden Etikette ein schwieriges Pflaster. Sein Englisch sei aber besser geworden in den vergangenen Jahren, lästern Deutschbanker gerne.

Die beiden bleiben einander fremd. Ackermann kann mit dem arbeitswütigen, wenig visionären Finanzvorstand nichts anfangen. Kaum Vorstandssprecher, macht er sich daran, Börsig aus seinem Gesichtsfeld zu entfernen. Im Jahr 2006 lobt er ihn schließlich zum Aufsichtsratsvorsitzenden hoch – und hat ihn nun im Nacken. „Herr Ackermann kommt heute meist zu mir ins Büro, während früher ich ihn aufsuchte“, bemerkt Börsig kurze Zeit später in der Welt am Sonntag. Er setzt seine 12-Stunden-Arbeitstage auch als Kontrolleur fort, ist stets detailliert vorbereitet, kennt alle Risiken des Hauses aus seiner vorherigen Tätigkeit. Ein solcher Aufsichtsratschef macht einem wie Ackermann keinen Spaß.

Wer ist größer, Ackermann oder Börsig? Josef Ackermann lädt im Frühling 2008 zu seinem 60.Geburtstag in die Münchner Residenz. Die Gästeliste ist lang, das Essen erlesen, alles in allem ein gelungener Abend. Clemens Börsig wird im Juli desselben Jahres 60. Sein Fest steigt im Festspielhaus zu Baden-Baden. Drei Tage lang wird gefeiert. Doch zwischenzeitlich ist die Weltwirtschaft in die Krise gestürzt. Börsigs Sause wird in der Bank als Großtuerei belächelt.

Endgültig hat Börsig Ackermanns Respekt verloren, als er sich 2009 selbst als dessen Nachfolger ins Spiel brachte. Prompt verlängerte Ackermann noch einmal seinen Vertrag. Diejenigen, die sich fortwährend über Börsig amüsieren, unterschätzen den Kaufmannssohn aus Achern in Baden aber immer noch. Wie er es als Finanzvorstand und Controller gelernt hat, sichert er auch als Aufsichtsratsvorsitzender seine Positionen ab. Die Strukturen in der Bank kennt er besser als Ackermann, und anders als der respektiert er sie auch. Nach der völlig missglückten Nachfolgersuche für Ackermann ist es Börsig, der seine Kandidaten durchsetzt, nachdem er Ackermanns Favoriten, den Ex-Bundesbankpräsidenten Axel Weber, am ausgestreckten Arm hat verhungern lassen. Ihm gelingt es noch einmal, intern die Truppen aufzustellen, er zieht den Investmentbanker Anshu Jain und Mittelstandsvorstand Jürgen Fitschen auf seine Seite. Ackermann aber, der Unverzichtbare, wird Aufsichtsratsvorsitzender.

„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, hat Michail Gorbatschow gesagt. „Wer zu früh kommt, den bestraft es auch“, seufzt Börsig, der in den vergangenen Jahren nur selten zur rechten Zeit am rechten Platz war.

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