ARD-Talkshow „Anne Will“ - Und täglich grüßt der Heizungsstreit

Nach wochenlangem Streit hat sich die Regierung auf einen Kompromiss beim Heizungsgesetz geeinigt. Im Einzelgespräch mit der Moderatorin Anne Will gab sich Robert Habeck milde geläutert. Doch hat der Wirtschaftsminister wirklich dazugelernt?

Am Sonntagabend diskutierten Anne Will und ihre Gäste in kleiner Runde / Screenshot
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Lukas Koperek ist Journalist und lebt in Mannheim und Berlin.

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Kennen Sie den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“? Bill Murray spielt einen mies gelaunten Wetterfrosch, der dazu verflucht wird, immer wieder den selben Tag – den sogenannten Tag des Murmeltiers – in einem verschlafenen Nest in Pennsylvania zu durchleben. Verschiedene Versuche, dem höllischen Kreislauf zu entkommen, scheitern. Der Arzt schickt ihn gleich weiter zum Psychiater, der ihm aber nur einen Termin für den unerreichbaren nächsten Tag bieten kann. Schließlich versucht er, sich umzubringen (insgesamt circa sechsmal). Wo eine Tragödie enden würde, fängt die Komödie erst an. Denn – Sie ahnen es – der Wetterfrosch wacht trotzdem wieder am Tag des Murmeltiers auf.

Um es kurz zu machen: Bill Murray ist gezwungen, sich mit seinem Schicksal abzufinden. Seine zunehmende Freundlichkeit hat etwas von Resignation – schließlich ist das viel einfacher, als immer schlecht drauf zu sein. Eines Tages platzt der Knoten plötzlich, und er kann sein Leben – nun geläutert – fortführen. Der Griesgram musste sich erst selbst ändern, um dem Fegefeuer zu entkommen.

Habeck wurde mit unangenehmen Wahrheiten konfrontiert

Ein bisschen wie dieser 30 Jahre alte Film kommen einem inzwischen auch die Geplänkel der Politik vor. Der Zustand einer Regierung lässt sich mitunter daran ablesen, wie oft ihre bloße Handlungsfähigkeit das zentrale Thema von Fernsehdebatten wird. Würde man einzig nach der Überschrift gehen, hätte man die gestrige Folge von „Anne Will“ im Ersten für eine Wiederholung halten können: „Heizungsstreit und Ampel-Frust – Ist die Regierung noch handlungsfähig?“ In den vergangenen Wochen befasste sich fast jede zweite Folge der Talkshow mit einer ähnlichen Frage, mal in Bezug auf den Höhenflug der AfD, mal im Hinblick auf den Atomausstieg, und immer wieder stand das umstrittene Heizungsgesetz im Mittelpunkt. Im Gegensatz zum Film lässt sich das Ganze aber noch nicht so recht einordnen. Handelt es sich hier um eine Tragödie oder doch um eine Komödie?

Was auch immer die Antwort auf diese Frage ist – die gestrige Diskussion hatte jedenfalls etwas Abschließendes an sich. Wochenlang wurde über Robert Habeck und sein Gesetz gesprochen, diesmal war er persönlich da, und zwar allein. In den ersten 40 Minuten haben der Wirtschaftsminister und die Moderatorin allein miteinander gesprochen, im letzten Drittel erst kamen die Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm und der Politologe Wolfgang Merkel hinzu. Die intime, unaufgeregte Unterhaltung, die dem Zuschauer präsentiert wurde, steht im Gegensatz zu den hitzigen Debatten, die in den vergangenen Wochen im gleichen Studio ausgefochten wurden. Die Sendung wirkte etwa so, wie man sich Robert Habecks Psychotherapie-Sitzungen vorstellen würde.

Nur dass Anne Will ihn vielleicht etwas schneller mit unangenehmen Wahrheiten konfrontierte, als ein Therapeut das tun würde: „Sie haben ein Gesetz vorgelegt, das so schlecht war, dass es nur Streit provozierte und nun allenfalls verwässert verabschiedet wird. Damit haben Sie sowohl dem Ansehen der Regierung als auch dem Klimaschutz geschadet“, so der Einstieg der Moderatorin. Ob das hinkomme?

 

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Habecks Antwort darauf war weder Eingeständnis noch Protest, vielleicht auch beides gleichzeitig: „Zur Hälfte.“ Diese Linie verfolgte er für den Rest der Sendung konsequent: einerseits Fehler einräumen, andererseits sich selbst und die Regierung in Schutz nehmen. Dass der ursprüngliche Entwurf seines Gebäudeenergiegesetzes handwerklich schlecht gemacht war, wollte er aber nicht einsehen.

Ein unmöglicher Spagat

Was sein größter Fehler gewesen sei? Dass er den Zeitpunkt für sein Heizungsgesetz schlecht gewählt habe, sagte Habeck. Nachdem Deutschland trotz Gasknappheit gut durch den Winter gekommen sei, habe die Wärmewende für die Bevölkerung an Dringlichkeit verloren. Vor allem deshalb sei das Gesetz den Leuten sauer aufgestoßen. „Den Moment, einmal innezuhalten, den habe ich mir nicht genommen“, so der Wirtschaftsminister. „Aber ich hatte wirklich Bedenken, dass wir nicht genug Gas im Winter haben.“ Deshalb habe er die Wärmewende so schnell vorangetrieben. Dem Bürger aber sei das im Frühling „der Tropfen zu viel Gesetzgebung gewesen“.

An diesem Punkt bekam man als Zuschauer den Eindruck, dass Habeck, wenn er sich auch milde geläutert gab, wenig dazugelernt hat. Allzu oft verfiel er in Lamentationen, bekam einen weinerlichen Tonfall und glitt zurück in die Opferrolle, die er in den vergangenen Wochen so gern eingenommen hat. So etwa begründete er seine frühere Aussage, es laufe eine von Lügen gefütterte Kampagne gegen ihn und sein Gesetz, damit, dass er und seine Mitarbeiter teilweise persönlich kritisiert worden seien. Dass er es nicht schaffte, eine schlüssige Argumentation zu entwickeln, hat auch mit dem unmöglichen Spagat zu tun, den er im Gespräch zu meistern versuchte – das ursprüngliche Gesetz wie auch den abgeänderten Kompromiss verteidigen, und zwar gegen Kritiker auf beiden Seiten: die aus dem Lager der Opposition, die das Gesetz am liebsten vollständig abschmettern würden, und die aus den eigenen Reihen, die von Verboten zugunsten eines vermeintlichen Klimaschutzes gar nicht genug bekommen können.

Habeck versuchte schönzureden, was nicht schönzureden ist: Selbst wenn der ursprüngliche Gesetzesentwurf nicht schlecht gemacht gewesen wäre – was fraglich ist –, müsste er sich immer noch den Vorwurf gefallen lassen, dass es ihm am nötigen Fingerspitzengefühl und wirtschaftlichen Grundverständnis fehlt, um eine Industrienation wie Deutschland durch die Krise zu führen. Das sieht sogar sein baden-württembergischer Parteikollege Winfried Kretschmann, der in einem Einspieler zitiert wurde: „Bei einem komplexen Gefüge wie den Heizungen mit Verboten vorzugehen, ist ein Ritt auf einer Rasierklinge. Man kann nicht mit dem Kopf durch die Wand.“

„Eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft“

Eine ähnliche Kritik wie Kretschmann äußerte auch Veronika Grimm, nachdem sie und Wolfgang Merkel zur Diskussion dazugestoßen waren. Anstatt auf pauschale Verbote, forderte sie, solle man verstärkt auf Emissionshandel setzen, um die Wärmewende voranzubringen. Zudem kritisierte sie die Kommunikation der Regierung: „Die Politik muss in einer Zeit, in der das Wachstum nicht mehr sprudelt, den Menschen klarmachen, dass es Einschnitte geben muss.“ Stattdessen zeichnete sich selbst innerhalb der Koalition ein Zerwürfnis ab: Die einen prophezeiten ein grünes Wirtschaftswunder, die anderen den Ruin des Landes. Und auch Wolfgang Merkel betonte die Wichtigkeit der Kommunikation: Wir erlebten in Deutschland „eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft“. In dieser Situation, so Merkel, seien Politiker auch für den sozialen Zusammenhalt verantwortlich.

Wie wird es weitergehen mit der Ampel? Das bleibt abzuwarten. Der Grundstein zur Überwindung des Streits scheint gelegt, das Schlimmste vorbei. Damit aber nicht alles wieder von vorn beginnt – so viel ist inzwischen klar –, müssen die entscheidenden Akteure zuerst einmal sich selbst ändern.

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