- „Wir leben in einer Vorkriegszeit“
Ohne Schulden gäbe es keine tragischen und komischen Helden, meint Kulturtheoretiker Joseph Vogl. Ein Gespräch über den Ursprung und die Wirkung von Schuld und Schulden
Herr Vogl, warum interessieren Sie sich für
Schulden?
Weil Schulden eine elementare Recheneinheit im Menschenverkehr
sind. Und weil sie eine phantastische Vielfalt von tragischen und
komischen Verwicklungen auf die Welt gebracht haben. Der Spaß des
Gläubigers ist der Verdruss des Schuldners, der selbst wieder
einigen Lustgewinn daraus beziehen kann, Bankrott zu gehen und sich
auf und davon zu machen. Ohne Schuldverhältnisse gäbe es keine
tragischen und komischen Helden.
Was sind denn Schulden überhaupt? Geld, das man nicht
hat, oder Geld, das es gar nicht gibt?
Schulden sind ein Schöpfungsakt. Mit ihnen entsteht etwas, das
vorher nicht da war: eine Verpflichtung, ein Band. Schulden sind
damit ein erster moralischer Maßstab, und sie sind materiell und
immateriell zugleich – mit ihnen wiegt das, was man hat und
besitzt, genauso schwer wie das, was man nicht hat.
[gallery:Griechenland unter: Karikaturen aus zwei Jahren Eurokrise]
Zur Grundannahme der wirkmächtigsten ökonomischen
Theorien gehört stets der Tauschhandel, der am Anfang unserer
Kultur gestanden haben soll und der aus pragmatischen Gründen zur
Erfindung des Geldes geführt habe. Dies unterstellt, dass dem Geld,
wie beim Warentausch, ein konkreter Wert entspricht. Hier aber
widerspricht der Ethnologe David Graeber in seinem neuen Buch: Am
Anfang, so sagt er, habe vielmehr das Kreditwesen gestanden, das
durch Verpflichtung und Versprechen funktioniere, also ein
Schuldensystem. Stimmen Sie den Thesen zu?
Natürlich stimme ich Graeber zu. Vielleicht sollte man aber ein
paar Dinge sortieren, um die ökonomischen Sachverhalte scharf zu
stellen. Wenn man unser Wirtschaftssystem verstehen will, muss man
etwa die doppelte Buchführung kennen, eine ganz wesentliche
ökonomische Erfindung im Ausgang des Mittelalters.
Die doppelte Buchführung hat die Null in unser
Zahlensystem eingeführt.
Genau. All das verdankt sich der Einführung der arabischen Zahlen
im Oberitalien des 14. Jahrhunderts. Die arabischen Zahlen kannten
eben die Null und damit einen Sachverhalt, der für das
abendländische Denken vorher schlicht undenkbar gewesen wäre: eine
Zahl, die selbst nichts bedeutet, aber die Bedeutung aller anderen
Zahlen hervorbringt. Mit anderen Worten: ein Meta-Zeichen, ein
reiner Platzhalter. Erst die Null erlaubte es, jedes Haben
gleichzeitig als Nicht-Haben zu verrechnen, jeden Aktivposten
zugleich als Debit. Damit wurden Schulden ganz konkret zu einem
arithmetischen Operator, es gibt kein Plus ohne Minus.
Das Aufzeichnungssystem der doppelten Buchführung stellt dann eine ganz neue Ontologie der Dinge her: Es weist jedem Ding einen Platz zu, an dem es da ist, und einen Platz, an dem es fehlt. Wenn etwas hier ist, dann muss es dort fehlen. Alles ist fort und da zugleich. Zudem hat die doppelte Buchführung ökonomische Praktiken radikal verändert. Zum Beispiel wurde nun das Kaufmännische zu einem eigenen Beruf und spaltete sich vom Beruf des Transportunternehmers ab. Das Kontor wurde zur Papiermaschine. Das zeigen Illustrationen aus der frühen Neuzeit ganz wunderbar: Der Kaufmann ist von seinen verführerischen Gütern und Reichtümern umgeben, von Gewürzsäcken und anderen Kostbarkeiten; er selbst aber ist nur in seine Geschäftsbücher versunken.
Warum Geld nicht nur Wertmesser ist...
Wenn der Handel durch die doppelte Buchführung zu einer
abstrakten Rechenoperation geworden ist: Warum hielt man dennoch an
der Vorstellung des grundlegenden Warentauschs fest?
Die liberale ökonomische Theoriebildung, bis hin zum
Neoliberalismus, geht davon aus, dass sich noch die komplexesten
Transaktionen letztlich auf elementare Tauschakte zurückführen
lassen. Zieht man also den Geldschleier, so nennt man den Geld- und
Kreditverkehr, weg, wird darunter ein gleichberechtigter Tausch
unter gleichberechtigten Partnern erkennbar. Damit hat diese
liberale Ökonomie ihre eigene Erzählform oder Legende ausgeprägt,
und die fußt auf der Mythologie des einfachen Tauschs. Selbst der
edle Wilde gilt als jemand, der eigentlich gerne tauscht. Wenn man
mit ihm in Kontakt tritt, wird der erste Kontakt ein Kontrakt und
Tauschakt sein. Karl Marx hatte das einmal die Robinsonaden der
politischen Ökonomie genannt: Auf einer Insel sitzt jemand, der
Wein besitzt, auf einer anderen einer, der nur Weizen zu bieten hat
oder Baumwolle, und dann findet ein Tauschhandel statt, das eine
gegen das andere. Eigentlich eine schöne Vorstellung: ein
erfreulich ausgewogenes, friedliches und glückliches System, bei
dem jeder gewinnt.
Aber die Robinsonade, das ist doch eine literarische
Gattung, oder etwa nicht?
Ja, eine Fiktion. So wie der erste Tausch. Dabei hatte das in der
Aufklärung, im 18. Jahrhundert, durchaus einen konkreten Sinn. Denn
mit dem Tausch, mit der Gegenseitigkeit des Tausches wurden
zugleich die Normvorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft
verhandelt. Hier wurden die Begriffe von Eigentum, Individualismus
und Freiheit definiert und zugleich Verhältnisse, in deren Zentrum
der Vertragsschluss zwischen gleichberechtigten Partnern stehen
sollte. Das folgte einer gewissen politischen und praktischen
Vernunft. Die entstehende politische Ökonomie samt ihren Tausch-
und Marktfiktionen war eigentlich, auch bei Adam Smith, eine
Moralphilosophie und eine Theorie der bürgerlichen
Gesellschaft.
[gallery:Von Gipfel zu Gipfel: Versuche, den Finanzmarkt zu regulieren]
Die entgegengesetzte Ansicht, dass nicht der
Tauschhandel, sondern das Kreditwesen am Beginn unserer Kultur
steht, müsste sich ja dann auch gegen die Idee einer bürgerlichen
Gesellschaft richten.
Zumindest führt diese Ansicht zu einer anderen ökonomischen
Theoriebildung. Sie geht davon aus, dass die elementaren
Operationen tatsächlich die von Investition und
Kredit sind, sie setzt Schuldenkreisläufe und
Verpflichtungsstrukturen voraus. Und kann damit natürlich besser
beschreiben, was in einer kapitalistischen Wirtschaft passiert. Ihr
berühmtester Vertreter ist im 20. Jahrhundert wohl der Ökonom John
Maynard Keynes. Für ihn ist Geld kein neutrales Mittel, sondern ein
effizienter Faktor innerhalb ökonomischer Prozesse.
Geld ist nicht mehr nur Wertmesser, Tauschmittel oder Wertaufbewahrungsmittel – drei klassische Definitionen –, sondern eben Kredit. Ganz wesentlich für den Keynesianismus ist: Wir haben es mit offenen Zukünften zu tun, denn jede Transaktion ist eine Investition und damit eine Option auf eine unsichere Zukunft. Man operiert in einem Horizont von Erwartungen und Ungewissheiten. Und zweitens: Man geht damit Verpflichtungen ein. Das ökonomische System ist also ein recht prekäres Verhältnis zwischen Gläubigern und Schuldnern.
Und wo liegen die Wurzeln dieses
Verhältnisses?
Wie die Wurzeln aller Dinge liegen sie wohl im Dunkeln. Aber David
Graeber hat etwa darauf verwiesen, dass die ersten Geldzeichen bei
den Sumerern in Babylonien schlicht Merkzeichen für Schulden waren.
Und wahrscheinlich würde hier eine nietzscheanische Perspektive
naheliegen: Selbst so hehre Dinge wie Schuldgefühl, Sünde,
schlechtes Gewissen sind auf Gewaltverhältnisse zwischen Gläubigern
und Schuldnern zurückzuführen. Man muss den Schuldnern ein
Gedächtnis machen, sie an ihr Versprechen erinnern, mit Schlägen
und Wunden. Übrigens kommt das Wort für Vertrag, Kontrakt, ja vom
lateinischen contrahere, und das hieß zunächst nichts anderes als
das Festbinden des Schuldners. Oder denken Sie an Shakespeares
«Kaufmann von Venedig»: Wenn Shylock verlangt, dass als Bürgschaft
für den Kredit ein Pfund Fleisch aus dem Leib von Antonio
geschnitten wird, dann ist das eine Erinnerung an archaische
Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse.
In der nietzscheanischen Perspektive gehen die moralischen Empfindungen ganz grundsätzlich auf ökonomische Operationen zurück. Sie gehen zurück auf die Konfiszierung, also letztlich die Versklavung des Schuldners. Ein letzter Punkt, der gegen die Legenden des Tauschmarkts spricht: Wirtschaftshistoriker haben längst angemerkt, dass Warenmärkte nicht aus dem Tausch und auch nicht aus der Idylle eines Dorfmarktes hervorgegangen sind, sondern verbunden waren mit Kriegsführung, mit Feldzügen, Piraterie und Beutezügen. Die Märkte, der Fernhandel sind am Rande der Heerstraßen entstanden. Also nicht aus dem immer wieder beschworenen «sanften Geist des Handels».
Der Krieg als Vater aller ökonomischen Dinge...
Der Krieg als Vater aller ökonomischen Dinge? Münzen
wurden ja erfunden, um Soldaten zu bezahlen. Und die Bank of
England …
... die Bank of England ist aus einer völlig burlesken Geschichte
hervorgegangen! Das englische Königshaus hatte im 17. Jahrhundert
einige Staatsschulden angehäuft, und – natürlich, da haben Sie
Recht – diese Staatsschulden resultierten aus der Finanzierung von
Kriegen. Das führte dazu, dass das Königshaus immer wieder
Wertsachen von Kaufleuten requirierte oder konfiszierte, die
finanzielle Reputation des Königtums war nicht besonders gut. Einer
der Londoner Kaufleute, William Patterson, kam dann mit einer
genialen Idee: Er schlug vor, den räuberischen König ganz einfach
in einen Vertragspartner zu verwandeln. In diesem Vertrag wurde das
gestohlene Gut gewissermaßen als Kredit beglaubigt. Das heißt: Die
von den Kaufleuten gegründete Bank of England erhielt das Monopol,
Schuldscheine des Königs zu vertreiben. Diese Schuldscheine
zirkulierten als Banknoten. Hier übernahm also eine private
Gründung, die Bank of England, eine öffentliche Funktion, sie hatte
nun das Monopol auf Notenausgabe und auf die Beschaffung von
Liquidität. Das ist auch eine kapitalistische Urszene:
Kapitalschöpfung durch die Auslösung von Schuldzyklen.
Aber noch einmal: Unser Währungssystem fußt letztlich
auf Kriegsschulden.
Man kann jedenfalls guten Gewissens behaupten, dass die
Kriegsschulden, die das englische Königshaus etwa im 17.
Jahrhundert angehäuft hat, bis heute nie zurückgezahlt wurden. Sie
zirkulieren noch immer. Die Schulden, die die Vereinigten Staaten
durch den Vietnamkrieg angehäuft haben und die ein Anlass zur
Installation des gegenwärtigen Finanzsystems gewesen sind, die
zirkulieren noch immer. Und so weiter.
[gallery:Eine Bank im Wandel der Zeit]
Vor einigen Jahren hat die Schriftstellerin Margaret
Atwood ein Buch über Schulden geschrieben, und sie beginnt es mit
einer bemerkenswerten Episode: Ein Einundzwanzigjähriger bekommt
von seinem Vater pünktlich zur Volljährigkeit eine Rechnung über
573,50 Dollar präsentiert. Dies ist die Summe aller Ausgaben, die
der Vater jemals für den Sohn entrichtet hat, inklusive der
Arztrechnung für dessen Geburt. Der Sohn begleicht die Rechnung,
zieht aber seine Konsequenzen: Er ändert seinen Namen und spricht
mit dem Vater nie wieder ein Wort. Hat das Begleichen von Schulden
nicht unter Umständen auch einen fatalen, einen gewaltförmigen
Aspekt? Oder, anders gefragt: Ist es nicht auch gut, dass es
Schulden gibt, die nie zurückgezahlt werden?
Schulden und Schuld gehören zu den wirksamsten sozialen
Bindemitteln. Deutsche Romantiker, die etwa um 1800 die
interessante Politik der Bank von England beobachteten, haben das
sehr genau registriert: Eigentlich ist das Zentrum des Staats nicht
der König, sondern die Bank, und Banknoten als zirkulierende
Schulden sind der effizienteste Gesellschaftsvertrag. Sie verbinden
nicht nur alle mit allen über ein «Glaubens- und
Verpflichtungsband», sondern auch noch die gegenwärtigen
Generationen mit den künftigen. Oder denken Sie an Walter Benjamin,
der den Kapitalismus einen «verschuldenden Kultus», ohne Aussicht
auf Entsühnung, nannte. Darum ist die Begleichung der väterlichen
Rechnung bei Atwood so unverschämt: Sie beansprucht schlicht und
radikal eine Art irdischer Erlösung.
Welche Rolle spielen Schulden in der Liebe?
Da möchte ich mich einem Satz von Franz Kafka anschließen, der
sagt, es gebe nichts Unsinnigeres auf der Erde als die ernsthafte
Verhandlung von Schuldfragen. Das gilt insbesondere in
Liebesverhältnissen. Wenn man zu rechten und zu rechnen beginnt,
ist es wahrscheinlich schon vorbei. Und wenn man sich Glücksmomente
nicht verbauen will, muss man vergessen können. Die Verhandlung von
Schuldfragen ist das Gegenteil: Hier wirkt das brennende
Gedächtnis, der Biss, der Gewissensbiss, das Ressentiment.
Die Kirche als unbarmherziges Kapitalunternehmen...
Dann wären, auf staatlicher Ebene, Schuldenerlasse eine
Form des institutionalisierten Vergessens?
Ich glaube, dass sich die Qualität des Zusammenlebens in
verschiedenen Gesellschaften geradezu daran bemessen lässt,
inwieweit Clearing-, also Löschinstanzen für Schulden und
Verpflichtungsstrukturen ausgebildet worden sind. Selbst das
Christentum, das ja nun wirklich eine aggressive Schuldreligion
ist, operiert mit solchen Clearing-Instanzen, also mit den
Aussichten auf Gnade und Erlösung. Das glückende Zusammenspiel von
Verpflichtungen und Schuldverhältnissen einerseits und der
Möglichkeit ihrer Löschung andererseits ist wohl die Grundbedingung
für eine soziale Ökologie.
Gnade hin, Gnade her: Gerade die Kirche hat sich in
ihrer Geschichte ja auch als unbarmherziges Kapitalunternehmen
gezeigt.
Sie verfügte aber auch über ziemlich raffinierte Verfahren, um
diesem Dilemma entgegenzuwirken. Eine Erfindung des Mittelalters
hat sich zum Beispiel für ökonomische Verhältnisse als ungemein
effizient und erfreulich erwiesen. Es gab, wie auch in der
hebräischen Kultur, ein Wucherverbot, also ein Verbot der
Zinsnahme, zumindest, was die Mitglieder der eigenen Gemeinde
anging. Trotzdem funktionierte die mittelalterliche Ökonomie nicht
ohne Geldhandel, sogar die christlichen Klöster des Mittelalters
waren Kapitaleigner und konnten mit diesem Kapital Gewinne
erzielen. Problematisch: eine Kreditökonomie im Zeichen des
Zinsnahmeverbots durch die christliche Scholastik. Was war der
Ausweg? Eine neue Form der Zwischenlagerung von sozusagen
lässlichen Sündern, und zwar in Form des Fegefeuers. Das Fegefeuer
ist zwischen der ewigen Verdammnis und dem ewigen Heil
angesiedelt.
Es ist eine Lagerstätte, in der bestimmte Verfehlungen über eine bestimmte Dauer gelöscht werden können. Und so wurde das Fegefeuer zum wichtigen Versammlungsort für Wucherer, Geldverleiher. Sie waren gewissermaßen prädestiniert fürs Fegefeuer, und auf manchen mittelalterlichen Illustrationen kann man sehen, wie nach einer gewissen Zeit die Hälfte eines solchen Wucherers schon weißgewaschen, die andere aber noch schwarz ist. Damit, und das ist daran so interessant, führt die Theologie eine Zeitökonomie der Bestrafung und der Sühne ein, die durchaus der Zeitökonomie der Kreditvergabe entspricht.
[video:Meyers Monolog: Ist der Kapitalismus am Ende?]
Börsenkurse gelten heute als so etwas wie die letzte
Instanz zur Beurteilung des Weltgeschehens, die Börse erscheint
als naturgegeben und im Kern hoch vernünftig. Was haben Sie sich
dabei gedacht, ein Buch mit dem Titel «Das Gespenst des Kapitals»
zu schreiben? Gespenster gehören ja eher in die Sphäre des
Irrationalen.
In kanonischen Gespenstergeschichten, etwa in der Schauerromantik,
zeigen Gespenster an, dass in der Vergangenheit etwas in Unordnung
geraten ist. Sie erinnern z. B. an eine vergangene Schuld,
ein ungesühntes Verbrechen. Das Gespenst des Kapitals, wie ich es
verstehe, geht den umgekehrten Weg: Es zeigt an, dass in der
Zukunft etwas in Unordnung geraten ist. Also nicht vergangene
Schuld, sondern künftige Schulden. Das Gespenst des Kapitals
signalisiert in der Gegenwart, dass sich in der Zukunft etwas
Unheilvolles angehäuft hat – ausstehende Verpflichtungen,
uneingelöste Versprechen, Schuldenpyramiden. In Krisenzeiten macht
sich das dann in der Gegenwart bemerkbar: Die Zukunft ist zu teuer
geworden, sie wurde unbezahlbar, sie hat sich verzehrt. Das
Gespenst des Kapitals ist der fällige Zahlungstermin.
Schuldenkrisen haben schon oft zu Revolutionen oder
zumindest gravierenden gesellschaftlichen Umbrüchen geführt. Steht
auch uns eine Revolution bevor?
Das weiß ich nicht. Aber sehr häufig bestand die Lösung von
Schuldenkrisen in Kriegen. Steigende Ungleichheit in
Einkommensverteilungen, die Akkumulation von privaten und
staatlichen Schulden – die Kriegskatastrophen haben da meist einen
radikalen Schnitt gezogen und einen Neustart ermöglicht. Der Zweite
Weltkrieg war ein derartiger Schnitt. Und so gesehen leben wir in
einer Vorkriegszeit.
Also was jetzt? Schuldenerlasse oder Krieg?
Raten Sie.
Das Interview führte Ronald Düker
Joseph Vogl ist Professor für Neuere deutsche Literatur,
Literatur und Kulturwissenschaft und Medien an der Berliner
Humboldt-Universität. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und
war immer wieder als Gesprächspartner von Alexander Kluge im
Fernsehen zu sehen. Zuletzt erschien der vielbeachtete Titel «Das
Gespenst des Kapitals»
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