Vor Intendantenwahl: Krise im RBB spitzt sich zu - Hauptsache billig, willig, SPD-affin

Von ursprünglich vier Bewerbern für das Amt des RBB-Intendanten sind noch zwei Kandidatinnen übrig – darunter eine ehemalige Regierungssprecherin von Angela Merkel. Doch anstatt das chaotische Verfahren zu stoppen, soll die Wahl noch heute durchgezogen werden. Das politisch motivierte Geschacher wird das Image des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weiter beschädigen.

Das Fernsehzentrum des RBB in Berlin / dpa
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Autoreninfo

Jens Peter Paul war Zeitungsredakteur, Politischer Korrespondent für den Hessischen Rundfunk in Bonn und Berlin, und ist seit 2004 TV-Produzent in Berlin. Er promovierte zur Entstehungsgeschichte des Euro: Bilanz einer gescheiterten Kommunikation.

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Wie es bisher lief: Verwaltungsrat Wolf-Dieter Wolf und Intendantin Patricia Schlesinger zogen sich zu vertraulichen Gesprächen zurück und schmiedeten einen Plan, wie sie den Sender nach Strich und Faden ausnehmen und nach und nach Mitwisser und -täter kompromittieren können, damit ihr Vorgehen möglichst lange nicht auffliegt. Friederike von Kirchbach, Vorsitzende des Rundfunkrates, wurde mit Eiapopeia um den Finger gewickelt und durfte als Pfarrerin Frauen aus dem Direktorium miteinander verheiraten. Das machte sie so glücklich, dass sie Schlesinger und Wolf keine Fragen stellte.   

Wie es jetzt läuft: Verwaltungsrat Benjamin Ehlers, SPD Cottbus, schmiedet mit weiteren Brandenburger SPD-Leuten aus Staatskanzlei und Landtag bis hin zum Ministerpräsidenten eine Allianz, um schwierige Kandidaten für die Intendanz abzublocken, notfalls vor dem Wahltag hinauszuekeln. Motiv: Die Brandenburger SPD, im Stammland unter Druck der AfD, braucht einen Skalp als Beweis, dass niemand besser als sie für Sparsamkeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sorgt, notfalls mit Brachialmethoden an Recht und Gesetz vorbei. 

Oliver Bürgel von der Arbeiterwohlfahrt, den Vorsitzenden des Rundfunkrates, gewinnt Ehlers als Komplizen, der daraufhin Interims-Intendantin und Nothelferin Katrin Vernau ausschaltet, die den Plan durchschaut hatte, aber meinte, sie müsse sich nicht bewerben, und sich damit selbst aus dem Rennen nahm.

Nur noch Wahl unter zwei Frauen

Das Ergebnis ist die Situation im Sender, wie wir sie jetzt haben, unmittelbar vor der Sitzung, in der der Rundfunkrat einen Nachfolger von Vernau bestimmen soll. Oder sollte. Denn übrig blieben von ursprünglich vier Bewerbern nur noch zwei, nachdem gestern Abend nach Juliane Leopold (NDR) auch Jan Weyrauch (Radio Bremen) seinen Verzicht erklärt hatte – aus den oben skizzierten Gründen. 

Die Qualifikation der beiden verbliebenen Kandidatinnen Heide Baumann und Ulrike Demmer besteht in erster Linie aus der Bereitschaft, angesichts ihrer aktuellen Einnahmesituation jede finanzielle Vorgabe des Verwaltungsrates zu akzeptieren, auch eine solche, die auf eine Halbierung bisher gezahlter Gehälter hinausläuft. Beide werden im Falle ihrer Wahl anschließend vor lauter Dankbarkeit zudem ganz bestimmt nicht aufmucken, wenn die Brandenburger SPD im RBB ganz grundsätzlich neue Saiten aufzieht, zumal der Kandidatin Demmer ebenfalls eine SPD-Mitgliedschaft nachgesagt wird, wofür es gute Gründe gibt, und sie darüber hinaus noch ein ansehnliches Übergangsgeld kassiert aus ihrer Zeit in der Bundesregierung, das nicht auf ein Intendantengehalt angerechnet würde. So viel zum Thema Staatsferne.

Ehlers mit Holzhammer und Brechstange

Anders als clever und klandestin wie sein Vorgänger Wolf, agiert Rechtsanwalt Ehlers als neuer Vorsitzender des Verwaltungsrates ganz offen und mit Holzhammer und Brechstange. Protest gegen seinen Umgang mit potentiellen neuen Intendanten bügelt er ab mit dem Hinweis, Rundfunkrat und Öffentlichkeit hätten „die neue Sicht des Verwaltungsrates zu respektieren“. Nicht einmal einen entsprechenden Beschluss seines Gremiums kann Ehlers vorweisen. Es gilt damit unverändert das alte „AT-Konzept“, das die Besoldung der außertariflichen Angestellten im Sender beschreibt und deshalb auch angewandt wurde, als es darum ging, Martina Zöllner zur neuen Programmdirektorin zu machen. Die wird dann, so der Plan von Ehlers und Bürgel, mehr verdienen als ihre neue Chefin. 

Anders formuliert: Brandenburgs SPD will in Gehaltsfragen der Anstalt von einem Extrem ins andere verfallen: von völlig abgedreht hin zu nicht länger konkurrenzfähig, mit dem Ergebnis, dass der Sender als neuen Intendanten nehmen muss, was übrig bleibt, Qualifikation und Erfahrung nicht einmal mehr zweitrangig.

Gehaltskürzungen bis nach unten durch

Jan Weyrauch wies in seiner Verzichtserklärung vom Donnerstagabend darauf hin, dass es bei einem Paradigmenwechsel in der Chefetage um 180 Grad ja nicht bleiben werde. Zwar sei er bereit gewesen, Abstriche beim Intendantengehalt in Kauf zu nehmen. Er habe aber auch „aus strategischen Überlegungen“ abgesagt angesichts „der Folgewirkung auf das gesamte Gehaltsgefüge im RBB“. Im Klartext: Wenn das so durchgeht, wie sich Ehlers und Bürgel das ausgedacht haben, so Weyrauchs dunkle Ahnung, dann hat jeder neue RBB-Intendant ab sofort die tödliche Aufgabe am Hals, Honorar-, Gehalts- und Pensionskürzungen im ganzen Haus durchzusetzen, geltende Verträge hin oder her. An systematisches Arbeiten an Programm und Digitalisierung wäre dann nicht mehr zu denken gewesen. In der Deutschen Welle lässt sich bereits beobachten, was das für die Belegschaft bedeutet.

Immerhin wäre Weyrauch dann die Anerkennung der AfD sicher gewesen sowie in jenem wachsenden Teil der Öffentlichkeit, bei der ARD und ZDF – größtenteils selbstverschuldet – ohnehin unten durch sind. Es ist ab sofort ein Job für einen Insolvenzverwalter oder Abbruchunternehmer. Dass Anwalt Ehlers spezialisiert ist auf „Forderungsmanagement“ und „Insolvenzrecht“, ist also vielleicht gar kein Zufall.

Dies ebenfalls erkannt habend, sprach der RBB-Personalrat in Gestalt seiner Vorsitzenden Sabine Jauer den beiden Gremienvorsitzenden nach dem Rückzug Weyrauchs noch in der Nacht offen das Misstrauen aus: „Wir haben großes Unverständnis über die mangelhafte Professionalität des Vorsitzenden der Findungskommission, Herrn Bürgel, der offensichtlich nicht in der Lage war, mit den Kandidaten und Kandidatinnen professionell zu kommunizieren, sodass nun 50 Prozent der von uns ausgewählten Kandidaten auf der Strecke geblieben sind.“

Ein abstimmendes Gespräch mit der Findungskommission, der auch Jauer angehört, habe es am Donnerstag trotz des drohenden Rückzugs von Weyrauch nicht gegeben. Noch weniger gutheißen könne der Personalrat das Vorgehen des Verwaltungsratsvorsitzenden Ehlers, der sich in das Wahlverfahren „unangemessen eingemischt“ habe. Dieser, so Jauer, habe seine eigene Meinung auch zur Meinung der Findungskommission erklärt, ohne dies abzusprechen.

Verschiebung, Misstrauen, Neuanfang

Zur Stunde gibt es Bestrebungen eines Teils der 30 Mitglieder des Rundfunkrates, eine Farce in letzter Minute abzuwenden und die Intendantenwahl zu verschieben, was bedeutete, dass das Bewerbungsverfahren von vorne aufgerollt wird. Das wäre angesichts der Tatsache, dass die Findungskommission gerade einmal ein verlängertes Wochenende um den 1. Mai herum Zeit hatte, die 50 Bewerbungen zu sichten, ohnehin vernünftig. 

Gespräche, wenigstens Telefonate mit den Bewerbern seien größtenteils weder erwünscht noch zeitlich möglich gewesen, heißt es aus der Kommission. Das Ergebnis fliegt dem Rundfunkrat jetzt um die Ohren und droht dem in seiner Existenz bedrohten Sender dank Chefetage (alt) den Rest per Chefetage (neu) zu geben. Folgerichtig ist auch die Stellung von Misstrauensanträgen gegen Ehlers und Bürgel im Gespräch.

Der Ratsvorsitzende Bürgel sieht demgegenüber nun freie Bahn für sein Vorhaben, heute eine neue Senderchefin nach seinen und Ehlers Vorstellungen durchzusetzen. Nachfragen von Journalisten, ob nun nicht eine neue Situation eingetreten sei, weist er am Telefon brüsk zurück, nachdem er zuvor tagelang auf Medienanfragen nicht reagiert hatte. 

 

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Eine Verschiebung der Wahl kommt für ihn nicht in Frage, wenn er schreibt, der Rundfunkrat „freue sich auf die Kandidatinnen, die sich dieser Herausforderung am Freitag stellen werden“. Wenn Herr Weyrauch die Zeichen der Zeit verkenne, dann sei das seine eigene Schuld: „Wir stehen vor grundlegenden Neuorientierungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und im RBB, das musste allen klar sein, die für das Intendantenamt antreten.“

Die Reaktionen auf die Entwicklung im Haus des Rundfunks an der Berliner Masurenallee und die Chuzpe der neuen Räte dort zeigen, wie wenig Rückhalt das öffentlich-rechtliche System in Deutschland noch genießt. Das gilt partei- und lagerübergreifend, von ganz links bis ganz rechts. 

Hauptsache kleiner, billiger, bescheidener, vielleicht sogar ganz weg – die Qualität des künftigen Führungspersonals darf danach keine Rolle mehr spielen. Dabei ist gerade sie maßgeblich, wenn es darum geht, ARD und ZDF von gefühlsgeleitetem Aktivismus zurückzuführen zu verantwortungsvollem Journalismus. Mit Intendantinnen von Gnaden einer frustrierten, um ihre Macht fürchtenden SPD, selbst mehr denn je auf Queerness-, Supergrün- und Antifa-Trip, wird das am allerwenigsten gelingen. Das darf aber keine Rolle spielen, wenn einer Regierungspartei die AfD im Nacken sitzt.

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