„Verfassungs- und Demokratiefeinde“ - Eine von links forcierte Begriffsverwirrung

Die Etikettierung legitimer rechter Positionen als „antidemokratisch“ oder „illiberal“ ist absurd. Mehr noch ist es doch ausgerechnet die sozialistische Avantgarde, die das Volk zu seinem „volksdemokratischen“ Glück zwingen will.

Antifa-Aufmarsch auf einer „Demo gegen rechts“ in München / dpa
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Autoreninfo

Uwe Steinhoff ist Professor am Department of Politics and Public Administration der Universität Hongkong sowie Senior Research Associate im Oxford University Programme on the Changing Character of War. Zuletzt erschien von ihm das Buch „Freedom, Culture, and the Right to Exclude – On the Permissibility and Necessity of Immigration Restrictions“.

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Derzeit finden pauschale Demonstrationen „gegen rechts“ statt – und eben keineswegs nur gegen Rechtsextremismus –, deren Teilnehmer sich lautstark als „Verteidiger der Demokratie“ inszenieren. Nun sind aber, wie sowohl der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck als auch der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel übereinstimmend feststellen, rechte Positionen in einer liberalen Demokratie Teil des legitimen politischen Spektrums. 

Wer sie also vom politischen Diskurs ausschließen will, ist tatsächlich antidemokratisch und zudem illiberal, denn im Einklang mit liberalen Grundrechten lassen sich solche Ausschlüsse nicht bewerkstelligen. Vielmehr bedarf es massiver Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie Parteiverbote: Mittel also, wie wir sie aus autoritären und totalitären Regimen kennen, und wie sie in Deutschland vor allem von linker, inklusive von Regierungsseite gefordert werden.

Explizite Angriffe auf den Liberalismus

Dies wirft die Frage auf, wieso „rechts“ im öffentlichen politischen Diskurs mit „antidemokratisch“ oder „illiberal“ gleichgesetzt wird. Ironischerweise findet sich diese Gleichsetzung in großen Teilen des intellektuellen und akademischen linken Milieus gerade nicht. Historisch und gegenwärtig finden sich dort vielmehr zuhauf explizite Angriffe auf den Liberalismus – angefangen bei Marx, der individuelle Freiheitsrechte bekanntlich als „bürgerliche Ideologie“ kritisierte und fortgeführt in der „critical race theory“, eine linke Rassenlehre, für welche der Liberalismus die unterdrückerische Herrschaftsform des alten, weißen, reichen Mannes ist. 

Dem Liberalismus vorgezogen wird der Sozialismus, und dieser darf natürlich nur so lange demokratisch sein, wie der Demos auf Parteilinie ist. Andernfalls muss die sozialistische Avantgarde das Volk zu seinem „volksdemokratischen“ Glück zwingen. Echos dieser Einstellung lassen sich bei den „Demos gegen rechts“ wie auch bei der Ampelkoalition nebst regierungstreuem Verfassungsschutz durchaus vernehmen, doch solange die Linke undank liberaler Demokratie noch in der unangenehmen Lage ist, sich mit einem Volk herumschlagen zu müssen, das unbotmäßig auch mal Rechte wählt, äußert sich die im akademischen Diskurs geradezu stolz bekannte Liberalismus- und Demokratiefeindlichkeit in der breiten Öffentlichkeit gewöhnlich lieber nicht ganz so offenherzig, sondern bezichtigt deren andere: nämlich die Rechten.

Die stilistische Feinheit von Anführungszeichen

An der demagogischen Diffamierung des politisch Rechten beteiligen sich auch einige eigentlich zur Neutralität verpflichtete staatliche Institutionen. So erklärt das Bundeskriminalamt (BKA) in seinem „Definitionssystem politisch motivierte Kriminalität“: „Der wesentliche Kerngedanke einer ‚rechten‘ Ideologie ist die Annahme einer Ungleichheit/Ungleichwertigkeit der Menschen.“ Dazu sind einige Dinge zu bemerken. Erstens steht der Begriff in Anführungszeichen. Dies legt nahe, dass das BKA selbst nicht glaubt, dass besagte Annahme Kerngedanke rechter Ideologie ist, sondern allenfalls der einer „rechts“ genannten Ideologie. So genannt von wem? Vermutlich von Linken. Doch das BKA sollte in seiner Nomenklatur auf Unparteilichkeit achten, statt auf die begrifflichen Vorgaben Linker. Zumal im öffentlichen Diskurs die stilistische Feinheit von Anführungszeichen schnell verloren geht.

Zweitens benutzt das BKA zwar auch bei der Rede von der „linken“ Ideologie Anführungszeichen, verzichtet aber anders als beim Gegenstück darauf, deren Kerngedanken zu charakterisieren. Somit wird in dem Definitionssystem die „rechte“ Ideologie mit einem für viele auf den ersten Blick unangenehmen „Kerngedanken“ assoziiert, während die „linke“ Ideologie von solchen Assoziationen verschont bleibt. 

Dies ist umso einseitiger, als es keinen Mangel an Linken gibt, welche bestimmte Menschen, etwa von ihnen so genannte „Nazis“, für minderwertig oder gar vernichtenswert erachten. Dies gilt zum Beispiel für das Täterkollektiv um die linke Gewaltverbrecherin Lina E. sowie für den erschreckend breiten Kreis ihrer augenscheinlich bis in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reichenden Sympathisanten. Für diese Menschen scheint die bloße Gesinnung ausreichend, um das Recht auf körperliche Unversehrtheit zu verwirken. Wie ein Gagschreiber des ÖRR es ausdrückt: „Man kann sich vor linksextremer Gewalt recht einfach schützen, indem man z.B. kein Nazi ist.“ Offenbar kann man sich aber nicht vor der gesinnungspolizeilichen Abwertung von Menschenleben schützen, indem man ein Linker ist.

Überwältigende Mehrheit antisemitischer Übergriffe

Zur tendenziösen Definition gesellt sich beim BKA eine ebenso tendenziöse Statistik. So wird jedes Verbrechen immer nur einem Phänomenbereich zugeordnet, und bis zum (bislang folgenlosen) Geloben der Besserung nach den jüngsten Übergriffen von muslimischen Antisemiten gegen Juden im Gefolge des Israel/Gaza Konflikts hat das BKA jede antisemitische Straftat automatisch „rechts“ verortet statt etwa unter „religiöse Ideologie“. 

Tatsächlich aber geht die überwältigende Mehrheit antisemitischer Übergriffe von Muslimen aus (auch bei Gewalttaten gegen Homosexuelle und Frauen sind diese überproportional vertreten). Womöglich soll diese Tatsache verschleiert werden, damit BKA und Verfassungsschutz, welcher die Daten des BKA dankbar übernimmt, weiterstricken können an der politisch gewollten Mär, „die größte Gefahr für die Demokratie“ gehe von „rechts“ aus. 

Tatsächlich geht eine weitaus größere Gefahr für die Demokratie von staatlichen Institutionen aus, welche die Bevölkerung absichtlich in die Irre führen und auf diesbezügliche Beschwerden hin nicht etwa das Irreführen unterlassen, sondern lieber den Tatbestand der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ erfinden.

„Progressiv“ und „Staat“ oder „autoritär“ und „Markt“

Wenig überraschend hat auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei seinen Definitionsversuchen wenig mehr zu bieten als Propaganda. In einem Video, das von brandmauernden CDUlern vor allem dafür kritisiert wurde, dass es CDU und AFD in einen Topf warf, dessen wahres Skandalon aber darin besteht, dass es sich als Bildungsbeitrag verkauft, wird der konsternierte Zuschauer in geradezu affigem Duktus darüber belehrt, wie „die Wissenschaft“ den politischen Begriff „rechts“ verstehe. Ein späteres Video erklärt „links“. Doch statt „der Wissenschaft“ doziert neben der Moderatorin ein einziger sorgfältig selektierter Politologe, Benjamin Höhne. Beide Videos sagen im Wesentlichen dasselbe, allerdings nichts Sinnvolles.
 

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So werden einem zwei Achsen präsentiert, jener der Gesellschaftspolitik und jener der Wirtschaftspolitik. An deren linken Enden steht jeweils „progressiv“ und „Staat“ und an deren rechten Enden „autoritär“ und „Markt“. Die Moderatorin erklärt, dass mit Gesellschaftspolitik „alle Themen gemeint“ seien „bei denen es um das Zusammenleben von Menschen geht“, und „autoritär bedeutet basically, dass die da oben entscheiden sollen, was unten passiert.“ 

Nun hat allerdings, wie die Linken Marx und Engels bestätigen dürften, die Wirtschaftspolitik durchaus etwas mit dem gesellschaftlichen Zusammenleben zu tun, und derweil der Markt auf freiwilligen Interaktionen zwischen Vertragspartnern beziehungsweise Käufern und Verkäufern beruht, bedienen sich staatliche Eingriffe gesetzlicher Zwangsmittel, das heißt, „die da oben“ entscheiden, was da unten, zum Beispiel im deutschen Heizungskeller, passiert. Anders gesagt: Für die Trennung der beiden Graphen scheint es nur einen einzigen Grund zu geben, nämlich zu verschleiern, dass Linke in der Wirtschaftspolitik und damit auch in einem Teil der Gesellschaftspolitik auf Autoritarismus setzen.

Vereint im Kampf gegen die Opposition

In anderen Teilen tun sie das ebenfalls. Menschen in ihre Häuser zu sperren, Impfzwang zu fordern, die gewaltsame Zerschlagung gegen solche Maßnahmen protestierender angemeldeter Demonstrationen zu empfehlen, mit Bußgeldern Bürger zu zwingen, sich als „Frauen“ inszenierende Männer zu validieren, Zwangsgebühren für die Alimentierung einer öffentlich-rechtlichen Priesterkaste einzutreiben, deren Moralpredigten niemand hören will, die Freiheit des Internets zu beschränken, Denunziationsportale zu fördern und Parteienverbote und Grundrechtsentzug zu fordern. 

Des Weiteren den Geheimdienst zum Kampf gegen die Opposition zu missbrauchen, Menschen Gendersprache aufzuzwingen und unter dem Etikett des „Kampfes gegen Hass und Hetze“ die Meinungsfreiheit zu beschränken sowie dem Volk eine diesem unerträgliche Migrationspolitik der offenen Grenzen und Staatskassen aufzwingen – all dies zeugt von der tiefen Affinität der Linken zum Autoritarismus und ihrer Verachtung sowohl von Individualrechten als auch des Volkswillens.

Von daher ist es naiv, wenn die Moderatorin des Videos allen Ernstes erklärt, statt „progressiv“ könne man auch „libertär“ sagen. Libertär, also freiheitlich, ist an typisch linker Politik nichts. Tatsächlich ist Linken Libertarismus so zuwider, dass sie ihn regelmäßig zu einer Form von „Rechtspopulismus“ – so etwa weite Teile der deutschen Berichterstattung über Javier Milei – oder, ein klarer Fall von Projektion, gar „Autoritarismus“ erklären. Die vom ÖRR gelieferte Graphik zur Erklärung des Unterschiedes zwischen rechts und links ist also sowohl selbstwidersprüchlich als auch empirisch haltlos. Linke Wirtschaftspolitik ist ohne Autoritarismus nicht zu haben, und das vermeintlich gesellschaftspolitisch „Progressive“ befindet sich am Pol des Autoritären.

Die Verfassung schreibt Hierarchien fest

Vor dieser zweidimensionalen Graphik bietet Höhne jedoch noch eine einfachere eindimensionale Charakterisierung. Rechte gehen angeblich „von einer Hierarchie in der Gesellschaft“ aus, „die sich nicht auflösen wollen, sondern sagen, das ist die natürliche Ordnung der Dinge, und die gilt es aufrecht zu erhalten“. Und die Moderatorin erklärt dazu: „So eine Hierarchie in der Gesellschaft kann zum Beispiel bedeuten, dass einige Menschen mehr Macht haben als andere, sie entscheiden über andere oder haben mehr Geld. Und das kann auch bedeuten, dass die einheimische Bevölkerung über der migrantischen steht“. 

Nun ist einerseits anzumerken, dass die deutsche Verfassung Ausländern ein Landes- und Bundestagswahlrecht abspricht und insofern Einheimischen sehr wohl mehr Rechte gibt als Migranten. Außerdem schreibt die Verfassung Hierarchien fest, zum Beispiel Präsident, Kanzler, Minister und andere Verfassungsorgane. Kurz, wer solche Hierarchien abschaffen will, ist ein Verfassungsfeind. Umgekehrt kann man de facto bei linken Abgeordneten wenig Zögerlichkeit erkennen, wenn es darum geht, über andere Macht auszuüben und sich selbst die Diäten zu erhöhen, also mehr Geld zuzuschanzen.

Allerdings hat Höhne durchaus recht, wenn er erklärt, linke Politik habe „sich zur Aufgabe gemacht … für Gleichheit, für Gleichberechtigung einzutreten und sozusagen diese Hierarchien abzubauen“. Auch der italienische Philosoph Norberto Bobbio sieht in seinem Klassiker zur Unterscheidung von links und rechts die Einstellung zur Gleichheit als die Wasserscheide beider Richtungen.

Sich etwas offiziell zur Aufgabe zu machen und de facto dazu beizutragen, sind jedoch nicht dasselbe. Die natürlichen wie auch kulturellen Unterschiede zwischen Menschen führen nämlich auch zu Unterschieden in der Verteilung von Geld, Macht und ganz allgemein Handlungsmöglichkeiten. Freiwillig aber wird kaum jemand durch eigenes Talent im freien Markt erworbene Vorteile aufgeben, und so entdeckt die angesichts solch natürlicher menschlicher Renitenz verzweifelte Linke in ihrem noblen Kampf für egalitäre Ziele regelmäßig die Vorzüge hierarchischer Mittel. Dieser Widerspruch, man könnte auch sagen, diese Heuchelei, ist der Linken als Wesensmerkmal eingeschrieben. Niemand hat das besser zum Ausdruck gebracht als George Orwell, der am Ende seiner „Animal Farm“ die sozialistischen Schweine proklamieren lässt: „Alle Tiere sind gleich, aber einige Tiere sind gleicher als andere.“

Im Deckmantel der „Demokratieförderung“

Wenn wir also links und rechts geradlinigerweise als Positionen auf der einzigen Achse der Einstellung gegenüber Ungleichheit betrachten (und dem BKA zum Trotz sind Ungleichheit und Ungleichwertigkeit nicht dasselbe), so kann man eine Position, die Ungleichheiten in dem Maße akzeptiert, wie sie bei gleichen weitreichenden Abwehrrechten gegen Zwang und Gewalt aus freiwilligen Interaktionen resultieren beziehungsweise notwendig sind, diese Abwehrrechte durchzusetzen, als libertär bezeichnen. Dies wäre die neutrale Mitte, allerdings steht sie als solche gewiss rechts von links. 

Links hingegen wären jene, die solche Ungleichheit (angeblich) abbauen möchten, und rechts jene, die auf zusätzlichen Ungleichheiten beharren. Die deutsche Verfassung, welche dem Demos das in den Augen von Libertären moralisch nicht existente Recht zuschreibt, privat erwirtschaftete Mittel nicht nur für den Erhalt des die Abwehrrechte garantierenden Minimalstaates einzuziehen, sondern es verschiedensten Gesellschaftsgruppen oder Wirtschaftsinteressen zuzuleiten, ist mit einer rechten Umverteilungspolitik ebenso vereinbar wie mit dem Beharren einiger Rechter auf bestimmten (aber natürlich nicht allen) Ungleichheiten.

Die Ziele Linker aber, die, wie Höhne sagt, Gleichheit, Gleichberechtigung, und Hierarchielosigkeit wollen, sind verfassungsfeindlich. Nochmals: Ausländer und Deutsche sind dem Grundgesetz zufolge nicht gleichberechtigt, noch sind es Bundeskanzler und Wehrbeauftragter. Das Grundgesetz schreibt Hierarchien fest und akzeptiert mannigfache Ungleichheiten als Resultat des Ausübens der Grundrechte. Und derweil sowohl Linke wie Rechte zur Verfolgung ihrer Ziele realiter auf staatliche Zwangsmittel angewiesen sind, machen nur Linke sich mit deren ausgiebiger Nutzung der Heuchelei schuldig. Eine links-grüne Regierung, die Bürgern mit Zwangsmitteln Steuergelder abpresst, um sie unter dem Deckmantel der „Demokratieförderung“ auch linksextremen Organisationen zukommen zu lassen, liefert dafür den schlagenden Beweis.
 

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